Vorauseilender Gehorsam

Vorauseilender Gehorsam

Als vorauseilenden Gehorsam bezeichnet man die freiwillige Vorwegnahme vermuteten erwünschten Verhaltens im Rahmen gruppendynamischer Prozesse (Gruppenzwang). Eine Gehorsamsleistung wird dann nicht als Resultat von gesellschaftlich-sozialem Druck erbracht, sondern um diesem Druck von vornherein zu entgehen.

Inhaltsverzeichnis

Erklärungsmöglichkeiten

Ursache dieser Form des Gehorsams sind entweder Emotionen, diffuse Ängste und mangelnde Selbstwertgefühle gegenüber vermuteten Autoritäten, die derartige Unterwürfigkeit bedingen oder aber auch sachliche Unkenntnis von kulturellen oder sozialen Verhaltensregeln. Denn eigentlich gehört zum Gehorsam auch eine soziale Begrenzung etwa im Rahmen der Befehlsgewalt militärischer Disziplin. Eine weder in der Person noch im Sozialen verankerte Grenzlosigkeit der Anpassung lässt den vorauseilenden Gehorsam zur sozialen Gefahr werden. Dieses Sozialverhalten ist beschrieben in der Satire Duodez von Hermann Löns: Bald ist er so weit, daß er am Fernsprecher dienert, ... [er] gewöhnt sich daran, selbst zu sich selber und im Schlaf kein Wort zu sagen, was irgend Anstoß erregen könnte.[1]

Des weiteren führt der vorauseilende Gehorsam dazu, dass die handelnde Person sich selbst die Illusion bewahren kann, freiwillig zu handeln. Auf diese Weise wird die demütigende Erfahrung vermieden, zu etwas gezwungen zu werden. Da die Erfahrung der eigenen Ohnmacht auf Dauer unerträglich ist, suggeriert sich die handelnde Person, aus eigenem Antrieb zu handeln. (Vgl. auch Identifikation mit dem Aggressor)

Beide Muster führen dazu, durch das eigene übertriebene Handeln an den vermuteten, unausgesprochenen Bitten, Wünschen, Anordnungen, Anweisungen, Befehlen imaginärer Anderpersonen auszurichten, um vage befürchtete Konfliktsituationen zu vermeiden oder sich Wohlwollen zugunsten des eigenen Handlungsrahmens zu sichern. Mit diesem übertriebenen Handeln geht oft auch ein übertrieben selbstbewußtes Handeln oder Auftreten einher - zum Schutz der eigenen Verletzlichkeit (zum Beispiel Sonnenbrille). Ist der Handlungsrahmen auf Bild- und Textmedien bezogen, ist der vorauseilende Gehorsam eine Selbstzensur. Der vorauseilende Gehorsam macht auch politisch totalitäre Systeme möglich (Kleinbürger). In diesem Zusammenhang ist der vorauseilende Gehorsam weniger Feigheit als mangelnde Zivilcourage (Untertänigkeit, Kriechen, Schleimer).

Siehe auch

Quellen

  1. http://www.literaturatlas.de/~lc10/duodezvoll.html

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • vorauseilender Gehorsam — Als vorauseilenden Gehorsam bezeichnet man die freiwillige Vorwegnahme vermuteten erwünschten Verhaltens im Rahmen gruppendynamischer Prozesse (Gruppenzwang). Eine Gehorsamsleistung wird dann nicht als Resultat von gesellschaftlich sozialem Druck …   Deutsch Wikipedia

  • Gehorsam — ist prinzipiell das Befolgen von Geboten oder Verboten durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen. Das Wort leitet sich (ähnlich wie Gehorchen) von Gehör, horchen, hinhören ab und kann von einer rein äußerlichen Handlung bis zu einer… …   Deutsch Wikipedia

  • Ungehorsam — Das Wort Gehorsam leitet sich (ähnlich wie Gehorchen) von Gehör, horchen, hinhören ab und kann von einer rein äußerlichen Handlung bis zu einer inneren Haltung reichen. Gehorsam ist prinzipiell das Befolgen von Geboten oder Verboten durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Illoyal — Loyalität (ˌlo̯jaliˈtɛːt, von franz.: Treue) bezeichnet die innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft. Loyalität bedeutet, die Werte des anderen zu teilen und zu vertreten bzw. diese… …   Deutsch Wikipedia

  • Loyalistisch — Loyalität (ˌlo̯jaliˈtɛːt, von franz.: Treue) bezeichnet die innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft. Loyalität bedeutet, die Werte des anderen zu teilen und zu vertreten bzw. diese… …   Deutsch Wikipedia

  • Untertanenschaft — Als Untertan wurde vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert eine Person bezeichnet, die der Herrschaft eines anderen unterworfen ist. Untertanen waren nicht in vollem Umfang persönlich frei. Das Verhältnis zwischen dem Untertanen und seiner… …   Deutsch Wikipedia

  • Untertänigkeit — Als Untertan wurde vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert eine Person bezeichnet, die der Herrschaft eines anderen unterworfen ist. Untertanen waren nicht in vollem Umfang persönlich frei. Das Verhältnis zwischen dem Untertanen und seiner… …   Deutsch Wikipedia

  • Elektronische Überwachung — Überwachung ist die zielgerichtete Beobachtung und Informationserhebung von Objekten, Personen oder Gegenständen. Auf die Überwachung von Personen gerichtet spricht man auch von Observation. Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 2 Überwachung von… …   Deutsch Wikipedia

  • Militärstaat — und Zivilstaat ist eine dem Gefüge von Befehl und Gehorsam unterworfene zentralistische Staatsorganisation des 18. und 19. Jahrhunderts, die gelegentlich mit der Organisation des chinesischen Beamtenstaates verglichen wurde. Sie gilt für die… …   Deutsch Wikipedia

  • Observation — Überwachung ist die zielgerichtete Beobachtung und Informationserhebung von Objekten, Personen oder Gegenständen. Auf die Überwachung von Personen gerichtet spricht man auch von Observation. Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 2 Überwachung von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”