Völkerrechtssubjektivität

Völkerrechtssubjektivität

Ein Völkerrechtssubjekt ist ein Rechtssubjekt im Völkerrecht, also ein Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, dessen Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird.[1]

Weitgehend unstrittig sind folgende Völkerrechtssubjekte anerkannt:[2]

Inhaltsverzeichnis

Völkerrechtliche Identität

Sinn und Zweck einer Feststellung völkerrechtlicher Identität und zugleich der bestimmende Inhalt dieses Begriffs ist, dass die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten des Rechtssubjekts in vollem Umfang erhalten bleiben.[3] Die Identitätsfrage beim Auseinanderfallen eines Staates stellt sich wie folgt:

„Beim Zerfall eines Staates in mehrere Teilgebilde stellt sich jeweils die Frage, ob eines dieser Teilgebilde mit dem zusammengebrochenen Gesamtstaat identisch ist und damit dessen Völkerrechtspersönlichkeit fortsetzt oder ob es sich statt dessen bei allen diesen nunmehr unabhängigen Teilgebieten um neue Staaten handelt. Die Entscheidung dieser Frage, die zugleich mit darüber befindet, ob es sich bei dem Sukzessionsfall um eine bloße Separation/Sezession oder um eine vollständige Dismembration handelt, ist […] von enormer praktischer Bedeutung. Denn nur im Verhältnis zu dem subjektsidentischen Staat erscheint die Fortsetzung vertraglicher und anderer Rechtsverhältnisse – wenn auch geographisch beschränkt auf dessen geschrumpftes Gebiet – unproblematisch.[4]

Gleichberechtigung im Völkerrecht

Das Völkerrecht kennt nur gleichberechtigte Subjekte, unabhängig von ihrer Größe oder der Anzahl der durch sie mediatisierten Personen. Es gibt keine übergeordnete völkerrechtliche Autorität. San Marino und die Vereinigten Staaten von Amerika stehen sich also als gleichberechtigte Subjekte gegenüber. De facto wird diese Gleichberechtigung aber durch politische und ökonomische Machtunterschiede relativiert.

Prinzipiell handelt es sich bei den Völkerrechtssubjekten nicht um natürliche Personen, sondern um korporative Erscheinungen. Einzige Ausnahme hiervon ist der Heilige Stuhl, der nach kanonischem Recht mit der Person des Papstes gleichzusetzen ist. Die besondere Stellung des Heiligen Stuhls in der Völkerrechtslehre ist ein Relikt aus Zeiten, in denen sich in der Person des Souveräns die Rechtspersönlichkeit des Staates manifestierte. Völkerrechtlich ist der Heilige Stuhl vom Staat der Vatikanstadt zu unterscheiden. Der Vatikan ist als Staat ein originäres Völkerrechtssubjekt und bedarf deshalb keines Rückgriffs auf historisch begründete Privilegien. An der Spitze des Staates der Vatikanstadt steht indes wiederum der Papst. Es steht ihm frei, zu entscheiden, ob er sich als Heiliger Stuhl oder als Vertreter des Staates der Vatikanstadt am Völkerrechtsverkehr beteiligt; ausschlaggebend ist die jeweilige konkrete Sachmaterie.

Von der überkommenen Völkerrechtslehre nicht als Völkerrechtssubjekte anerkannt sind natürliche Personen.[5] Zwar werden ihnen durch internationale Verträge Rechte und Pflichten zugewiesen (zum Beispiel durch die Europäische Menschenrechtskonvention), doch ist dies nicht ausreichend, ihnen eine den anerkannten Völkerrechtssubjekten gleichrangige Stellung einzuräumen. Allerdings sind Ansätze erkennbar, die eine Veränderung dieser Rechtslage bedeuten könnten. So hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in seinem LaGrand-Urteil[6] vom 27. Juni 2001 Individuen ausdrücklich eine partielle Völkerrechtssubjektivität zugebilligt.

Quellen

  1. Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 1984, § 375.
  2. Kay Haibronner, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 2004, 3. Abschn., Rdnr. 7 ff. und 39 ff.
  3. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Springer, 2000, S. 62 f.
  4. Zit. nach Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Springer, 2000, S. 66–67.
  5. Volker Epping, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl., München 2004, § 7.
  6. ICJ Reports 2001, S. 494. Link.

Literatur

  • Hermann Mosler: Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 22 (1962), S. 1–48. Link.
  • Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. In: Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 141. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9.

Weblinks

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