- Waffengebrauch der Polizei
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Als Waffengebrauch versteht man in der Taktik der Polizei die Anwendung unmittelbaren Zwangs mittels Waffen, womit zumeist der Schusswaffengebrauch gemeint ist.
Inhaltsverzeichnis
Schusswaffengebrauch
Der polizeiliche Schusswaffengebrauch, d. h. primär der Einsatz der Schusswaffe unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben wird von den Polizeivollzugsbeamten regelmäßig situativ geübt. Dies erfolgt anhand von Videos oder Dia-Projektionen in der Waffen- und Schießausbildung bzw. im Schießtraining usw. Damit wird vor allem die Entscheidungsfindung und der Ablauf des Schießens („Waffenhandling“) automatisiert. In aller Regel rückt die Kriminalpolizei zum Ereignisort aus, wenn ein Amtsträger eine Schusswaffe gebraucht hat. Der Finale Rettungsschuss ist eine Tötung eines Aggressors, um ein anderes Leben zu erhalten oder eine Flucht zu vereiteln. Dies impliziert für den Beamten neben den rechtlichen Vorgaben (Abwägung) auch ein erhebliches ethisches Problem.
Die Androhung ist Ausfluss der Verhältnismäßigkeit im weitesten Sinne: Dem Betroffenen soll bewusst gemacht werden, welches Risiko er eingeht, wenn er sein Verhalten nicht ändert. Ziel der Androhung des „unmittelbaren Zwangs“ ist damit die Zwangsvermeidung. Jede Androhung bedarf rechtlich auch der Voraussetzungen für den (gezielten) Schusswaffengebrauch als solchen.
Ziel eines Schusswaffengebrauchs ist u. a. die Verhinderung der Flucht von Verdächtigen oder Verurteilten und die Abwehr gegenwärtiger konkreter Gefahren für eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben (z. B. Amoklagen). Hierbei kann der Adressat der Maßnahme physisch geschädigt werden, z.B. durch einen Beinschuss. Dies muss jedoch nicht stets der Fall sein - die Schusswaffe kann auch als gegen Sachen (Schuss in die Reifen eines flüchtendes Fahrzeuges) oder als Drohmittel (Warnschuss) gebraucht werden.
Der Schusswaffengebrauch der Polizei ist meist gesetzlich normiert (in vielen Bundesländern durch Polizeirecht der Länder). In den Bundesländern, in denen der Schusswaffengebrauch nicht gesetzlich fixiert ist, gilt z. B. das Recht der Notwehr, der Nothilfe oder die polizeirechtliche Generalklausel.
Die rechtlichen Vorgaben sind meist komplex und müssen im Ernstfall in Sekundenbruchteilen abgeprüft werden.
Waffen können aus vielfältigen Gründen benutzt werden: Notwehr (um einen potenziellen Täter zu stoppen), unabsichtlich, als finaler Rettungsschuss, als Vollstreckungsmaßnahme (unmittelbarer Zwang), Nothilfe, Vereitelung der Flucht von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, und andere.
Die Zahl der durch die Polizei Getöteten wird amtlich vom Bundesministerium des Innern veröffentlicht. Die Zahl der tatsächlich durch Waffengebrauch Getöteten übersteigt mitunter die hier genannten Zahlen, da nicht alle Todesschüsse in der Presse und in der Polizeistatistik auftauchten. So sind seit 1983 von Polizeibehörden als "versehentliche Tötung" angegebene Fälle nicht mehr in der offiziellen Statistik enthalten.
Die linksliberale nichtstaatliche Organisation Bürgerrechte & Polizei/CILIP veröffentlicht aufgrund eigener Recherchen jährlich die Zahl der Todesopfer und der abgegebenen Schussabgaben. Sie verwendet dazu die offizielle Statistik, Pressemeldungen und die Antworten auf parlamentarische Anfragen.
1952 wurden 31 Menschen, 1967 1 Mensch, von 1971 bis 1980 153 Menschen, 1981 bis 1990 115 Menschen und 1991 bis 1993 37 Menschen, von 1994 bis 2005 119 Menschen von deutschen Polizeibeamten erschossen.
Insgesamt wurden also 1952 31 Menschen und ab 1967 bis 2005 innerhalb von 39 Jahren mindestens 425 Menschen von der bundesdeutschen Polizei erschossen. Daten zu weiter zurückliegenden Jahren lagen bei Erstellung dieses Artikels nur vereinzelt vor. Die Anzahl der in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt zwischen 1988 und 1997 gegen Personen abgegebenen Polizeischüsse beträgt 2105.
Die Tabelle enthält nur die durch die Polizeistatistik, die Tagespresse und andere Massenmedien bekanntgewordenen Fälle. Die tatsächliche Zahl der Todesschüsse liegt dem Spiegel und der CILIP zufolge höher.
Nicht in der Statistik enthalten sind Suizide oder von der Bundespolizei Erschossene. Die durch andere Arten von polizeilichen Methoden Getöteten sind ebenfalls nicht in diesen Listen enthalten, beispielsweise durch Ersticken im Würgegriff oder Auto-Verfolgungsjagden, wodurch allein von 1971 bis 1980 mehr als 200 Menschen umgekommen sind, während im selben Zeitraum 153 Menschen durch Schusswaffen von der Polizei getötet wurden.
Jahr Anzahl der
TodesschüsseAnzahl der
insgesamt auf
Personen abgegebenen Schüsse1952 31 mindestens (u. a. Philipp Müller) 1967 1 mindestens (Benno Ohnesorg) 1971 2 mindestens (u.a. Petra Schelm, Georg von Rauch) 1972 4 mindestens (u.a. Thomas Weisbecker, Ian McLeod, Richard Epple, Duifhus) 1973 1 mindestens (u.a. Erich Dobhardt) 1974 10 (u.a. Günter Jendrian) 1975 13 (u.a. Werner Sauber) 1976 8 1977 17 (u.a. Helmut Schlaudraff) 1978 8 (u.a. Willi-Peter Stoll, Michael Knoll) 1979 11 1980 16 (u.a. Manfred Perder) 1981 17 1982 11 1983 24 1984 6 1985 10 1986 12 1987 7 1988 8 114 1989 10 102 1990 10 162 1991 9 271 1992 12 315 1993 16 307 1994 10 268 1995 21 221 1996 10 163 1997 12 172 1998 8 1999 19 2000 6 2001 8 2002 7 2003 3 2004 10 2005 5 Summe 425 mindestens 2105 (Zahlen vor 1978 sind nicht unbedingt mit späteren Zahlen vergleichbar, weil bei Erstellung dieser Statistik 1997 bereits die Akten aus der Zeit bis 1977 nach Ablauf der zwanzigjährigen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden waren.)
Statistik für 2004
Schusswaffengebrauch gegen Personen
Notwehr / Nothilfe Verhinderung von Verbrechen Fluchtvereitelung Fluchtvereitelung von Gefangenen Warnschüsse 43 20 0 0 Schusswaffengebr. gegen Personen 52 0 0 0 Folgen
Tote 9 0 0 0 davon Unbeteiligte 0 0 0 0 Verletzte 23 0 0 0 davon Unbeteiligte 0 0 0 0 Schusswaffengebrauch gegen Tiere / Sachen
Schusswaffengebrauch zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere 5769 Schusswaffengebrauch gegen Sachen 12 Unzulässiger Schusswaffengebrauch
Gegen Personen: insgesamt 2
Gegen Sachen: insgesamt 4
Statistik für 2003
Schusswaffengebrauch gegen Personen
Notwehr / Nothilfe Verhinderung von Verbrechen Fluchtvereitelung Fluchtvereitelung von Gefangenen Warnschüsse 50 44 0 0 Schusswaffengebr. gegen Sachen - - - - Schusswaffengebr. gegen Personen 27 0 0 0 Folgen
Tote 3 0 0 0 davon Unbeteiligte 0 0 0 0 Verletzte 23 0 0 0 davon Unbeteiligte 2 0 0 0 Schusswaffengebrauch gegen Tiere / Sachen
Schusswaffengebrauch zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere 5440 Schusswaffengebrauch gegen Sachen 27 Unzulässiger Schusswaffengebrauch
Gegen Personen: insgesamt 4
Gegen Sachen: insgesamt 6
Statistik für 2002
Schusswaffengebrauch gegen Personen
Notwehr / Nothilfe Verhinderung von Verbrechen Fluchtvereitelung Fluchtvereitelung von Gefangenen Warnschüsse 48 4 53 8 Schusswaffengebr. gegen Sachen 12 1 15 4 Schusswaffengebr. gegen Personen 35 3 3 1 Folgen
Tote 5 1 0 0 davon Unbeteiligte 0 0 0 0 Verletzte 24 1 2 1 davon Unbeteiligte 0 0 0 0 Schusswaffengebrauch gegen Tiere / Sachen
Schusswaffengebrauch zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere 4486 Schusswaffengebrauch gegen Sachen 8 Unzulässiger Schusswaffengebrauch
Gegen Personen: insgesamt 4
Gegen Sachen: insgesamt 3
Quellen: Bundesministerium des Innern, CILIP, Innenministerium Baden-Württemberg
Sonstiger Waffengebrauch
Polizeibeamte, die eine rechtmäßige Maßnahme ausführen, können sich auch je nach Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit anderer dienstlich zugelassener Waffen bedienen, z.B. dienstlich zugelassenes Pfefferspray, Wasserwerfer und Schlagstock.
Hinweis
Die Bezeichnung Waffen trifft hier nicht immer zu. Die einzelnen Bundesländer stufen die oben genannten Gegenstände unterschiedlich ein. Überwiegend werden das Pfefferspray und der Wasserwerfer als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt angesehen und der Schlagstock als Waffe zur Ausübung unmittelbaren Zwanges. Spezifische Regelungen sind in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes zu finden.
Siehe auch
- Waffengebrauch, Waffenmissbrauch, Schießbefehl, Sicherer
- Renegade (Luftfahrt) (Abschuss von Verkehrsflugzeugen)
Weblinks
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