Bazillenruhr

Bazillenruhr
Klassifikation nach ICD-10
A03.0 Shigellose durch Shigella dysenteriae
A03.1 Shigellose durch Shigella flexneri
A03.2 Shigellose durch Shigella boydii
A03.3 Shigellose durch Shigella sonnei
A03.8 Sonstige Shigellosen
A03.9 Shigellose, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Bakterienruhr (syn.: Shigellose, Shigellendysenterie, Shigellenruhr, Bazillenruhr) ist eine von Shigellen ausgelöste Dysenterieerkrankung, die hauptsächlich den Dickdarm befällt. Eine Meldepflicht besteht bei Verdacht, Erkrankung und Tod.

Inhaltsverzeichnis

Übertragung

Fäkal-oral, insbesondere über infizierte Nahrungsmittel oder Trinkwasser. Der Mensch ist das einzige Erregerreservoir, Verbreitung durch Fliegen. Im Gegensatz zu den ähnlichen Salmonellen sind Shigellen säurestabil, werden also im Magen nicht abgetötet.

Die Bakterienruhr ist eine Erkrankung der Notzeiten, demzufolge tritt sie hauptsächlich bei einer geschwächten Immunabwehr und schlechten hygienischen Bedingungen auf.

Epidemiologie

Die Ursache ist eine Infektion mit Shigellen, von denen vier Spezies bekannt sind:

  • Gruppe A, Shigella dysenteriae: Tropen, Subtropen, 10 Serovarianten, bildet sowohl ein Endotoxin, als auch ein Ektotoxin (Shiga-Toxin), das zu schweren Krankheitsbildern führt. Die Letalität liegt bei 60 %.
    • Shigella ambigua, Schmitz-Bakterium, bildet ebenfalls Ektotoxine.
  • Gruppe B, Shigella flexneri: kein Exotoxin, weltweit verbreitet, i. A. mildere Verlaufsform als bei Gruppe A.
  • Gruppe C, Shigella boydii: Vorderasien und Nordafrika, selten, leichter Verlauf.
  • Gruppe D, Shigella sonnei: Mitteleuropa, v. a. bei Kindern, kein Exotoxin, meist flüchtiger und harmloser Verlauf ("Sommer-Durchfall").

Inkubationszeit

Die Bakterienruhr hat eine Inkubationszeit von 2 - 7 Tagen.

Pathogenese

Die Erreger werden über den Darm aufgenommen und zum Teil resorbiert. Toxische Erreger (Gruppe A) sondern Endo- und Ektotoxine ab, die neben allgemeinen toxischen Schäden Schleimhautveränderungen und Geschwürbildung bewirken können. Die häufigeren nichttoxischen Erreger-Varianten (Gruppen B, C und D) bilden nur Endotoxine, wobei Infektionen im Allgemeinen leichter verlaufen.

Verlauf

Man unterscheidet zwei Verlaufsformen, eine toxische Bakterienruhr, die dem Paratyphus ähnelt, und eine leichtere, welche der infektiösen Gastroenteritis ähnelt.

Die toxische Bakterienruhr ist charakterisiert durch Fieber, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, Bauchschmerzen/Koliken, heftige Tenesmen und häufigen blutig-schleimigen Durchfall. Der große Flüssigkeits- und Elektrolytverlust und die Aufnahme von Bakterientoxinen stellen die größte Gefahr dar, durch die es zur Exsikkose, Nierenversagen, Kreislaufkollaps, Krämpfen und Koma kommen kann.

Die mildere Verlaufsform geht mit geringeren toxischen Erscheinungen einher. Die Symptome sind Fieber, Erbrechen, Tenesmen sowie wässrige Durchfälle mit Beimengungen von Schleim und Blut.

Diagnostik

Die Diagnose wird anhand der klinischen Symptome gestellt. Der Erreger wird durch kulturelle, bakteriologische Untersuchung eines Abstrichs aus dem Enddarm nachgewiesen.

Komplikationen

Bei schweren Verläufen kann es zu Darmblutungen und Geschwürperforationen kommen, welche die Gefahr einer Peritonitis bergen.

Als Krankheitsfolge kann es zu einer reaktiven Arthritis (Reitersyndrom) kommen, die meist spontan verschwindet.

Nach überstandener Erkrankung scheidet die Person noch etwa vier Wochen Erreger aus. Eine überstandene Shigellose bietet eine gewisse Immunität gegen Erreger des gleichen Typs.

Vorbeugung und Behandlung

Die grundlegende Vorbeugung sind Hygienemaßnahmen wie etwa Sauberkeit bei der Trinkwasser- und Nahrungszubereitung, regelmäßige Händedesinfektion und Fäkalienbeseitigung.

Die Therapie besteht aus einer Verbesserung der Immunabwehr des Patienten, Ersatz von Wasser und Elektrolyten (z.B. WHO-Trinklösung) sowie Antibiotika wie Chinolone oder Ampicillin intravenös.

Da einige Shigellen durch R-Plasmide multiresistent sind, ist eine eventuelle Korrektur der Antibiotika nach Antibiogramm erforderlich. Bei krampfartigen Bauchschmerzen kann die Gabe eines Spasmolytikums wie N-Butylscopolamin sinnvoll sein.

Obstipierende Mittel wie Loperamid unterdrücken zwar die Durchfälle, verzögern aber die Ausscheidung der Erreger aus dem Körper, sind deswegen höchstens kurzfristig einzusetzen.

Prognose

Bei leichteren Formen relativ günstig, bei schwereren Formen beträgt die Letalität 3-10 %.

Quellen

  • Herold: Innere Medizin, 2001
  • Pschyrembel, 1990

Weblinks

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