- Wendlandbahn
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Die Bahnstrecke Wittenberge–Buchholz – auch Wittenberge-Buchholzer Zweigbahn genannt – wurde von der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft (BHE) am Stück konzessioniert, geplant, gebaut und 1874 eröffnet als zusätzliche Verbindung der Metropolen Berlin und Hamburg sowie Bremen. Sie verband Wittenberge, Dömitz, Dannenberg, Lüneburg und Buchholz und sollte ursprünglich bis Bremerhaven weitergeführt werden.
Die eingleisige Hauptbahnstrecke verlief durch das heutige Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Mit der Zerstörung der Elbebrücke Dömitz zum Ende des Zweiten Weltkrieges und der darauffolgenden Teilung Deutschlands verlor sie schlagartig an Bedeutung und wurde in Folge dessen teilweise stillgelegt.
Heute sind noch zwei Teilstücke in Betrieb, das längere von beiden zwischen Dannenberg und Lüneburg im Wendland ist heute als „Wendlandbahn“ bekannt, das kürzere von Buchholz nach Jesteburg ging in der westlichen Verbindungsstrecke zum Rangierbahnhof Maschen auf.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Geplant und gebaut wurde die Strecke von der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft (BHE), welche 1870 die Konzession für eine Verbindung von Wittenberge an der Bahnstrecke Berlin–Hamburg über Dömitz und Dannenberg nach Lüneburg an der Bahnstrecke Hannover–Hamburg und weiter nach Buchholz an der Bahnstrecke Wanne-Eickel–Hamburg erhielt.
Die ursprünglichen Planungen sahen einen Weiterbau nach Bremerhaven vor, damit wäre direkter Fernverkehr von Berlin zu einem weiteren Nordseehafen ermöglicht worden. Damit wäre die Strecke in direkte Konkurrenz zur südlicheren Amerikalinie von Stendal nach Bremen getreten, andererseits waren auch militärstrategische Gründe ausschlaggebend für diese Planung.
Aufgrund der vorgesehenen überregionalen Bedeutung wurde die Strecke als zweigleisige Hauptbahn geplant und trassiert, aber nur eingleisig gebaut. Am 15. Dezember 1873 der erste Abschnitt von Wittenberge bis Dömitz eröffnet. Nach Fertigstellung der Elbbrücke konnte am 26. November 1874 der Bahnverkehr bis Göhrde aufgenommen werden. In Lüneburg entstand ein eigener Bahnhof (heute Lüneburg West), allerdings wurde die Strecke nur bis Buchholz durchgehend gebaut. Da sich die Prioritäten geändert haben, wurde der Streckenabschnitt nach Bremerhaven nicht mehr realisiert.
Als eigenständige Strecke wurde dieser dann etwa 30 Jahre später über Harsefeld und Bremervörde zwar doch noch errichtet (siehe Bahnstrecke Bremerhaven–Buxtehude). Damit war die Verbindung zwischen der Reichshauptstadt und dem Nordseehafen zwar ab 1902 komplett, jedoch wurde ein durchgehender Personen- oder Güterverkehr zwischen den beiden Großstädten über diese Strecke nie aufgenommen.
Nach der Verstaatlichung der bis dahin privaten Eisenbahngesellschaften ging das Konkurrenzdenken verloren, zwischen der Stammstrecke der Berlin-Hamburger Eisenbahn und der Amerikalinie gelegen bestand kein Bedarf für eine weitere Fernstrecke zu den Nordseehäfen, als Hauptgrund für die Erhaltung diente nunmehr lediglich die militärstrategische Bedeutung der Strecke.
Erst jetzt entstand der Wille zu einer Erschließung der Region, die Strecke erhielt zusätzliche Halte in Jesteburg, Brackel, Tangendorf und Bahlburg und erlangte somit hauptsächlich regionale Bedeutung. 1939 verkehrten nur fünf durchgehende Zugpaare Wittenberge–Lüneburg, ergänzt von einem Eilzugpaar von Rostock nach Uelzen. Das zweite Gleis, das nur auf der Elbbrücke verlegt worden war, wurde auch dort wieder abgebaut.
Fliegerangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg lassen vermuten, dass der Bahnstrecke eine besondere Bedeutung zugemessen wurde. Bei einem Angriff am 22. Februar 1945 wurde die Dannenberger Innenstadt teilweise zerstört, während die Bahnbrücke über die Jeetzel fast unbeschädigt blieb. Am 20. April 1945 gegen 16:00 Uhr wurde die Dömitzer Elbbrücke durch eine amerikanische Fliegerbombe getroffen. Der östliche Strompfeiler neben der Drehbrücke wurde dabei so stark beschädigt, dass ein Überbau in die Elbe stürzte. Die durchgehende Verbindung über die Elbe zwischen Dömitz und Dannenberg war damit dauerhaft unterbrochen, die Brücke wurde nie wieder aufgebaut.
Bis 1947 fand noch Zugverkehr zwischen Wittenberge und Dömitz statt, dann wurde die Verbindung als Reparationsleistung für die Sowjetunion demontiert. Auf westlicher Seite wurde das Gleis zwischen der Brücke und Dannenberg zunächst zur Abstellung von Schadwagen genutzt, bis es auch entfernt wurde.
Abschnitt Lüneburg–Buchholz
So blieb es auch nach dem Zweiten Weltkrieg bei einer lokalen Bedeutung für den Streckenabschnitt Lüneburg–Buchholz, der sich überwiegend auf die Erschließung der anliegenden Gemeinden beschränkte. Als Ost-West-Verbindung in einer vom Nord-Süd-Verkehr geprägten Region verlor sie, wie viele Strecken der Deutschen Bundesbahn, noch vor der Wiedervereinigung ihren Personenverkehr. Die Einstellung des Güterverkehrs und die Stilllegung folgten, nur ein kleiner Teil der Strecke konnte als Bestandteil einer neuerrichteten Güterumgehungsbahn überleben.
Infrastruktur
Die Strecke wurde 1874 als eingleisige Hauptbahn errichtet, allerdings auf zweigleisigem Planum. Damit sollte ein späterer zweigleisiger Ausbau erleichtert werden. Während anfangs nur die Bahnhöfe Marxen, Wulfsen und Mechtersen vorhanden waren, bekamen die Haltepunkte Jesteburg und Brackel später auch Nebengleise und erlangten nach Anforderung Bahnhofsstatus. Tangendorf und Bahlburg verfügten über ein Ladegleis und waren betrieblich gesehen Haltestellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Haltepunkte Reindorf (bei Buchholz/Nordheide), Vögelsen, Ochtmissen und Sternkamp (am Stadtrand von Lüneburg) eröffnet. Damit wollte die Bundesbahn in Zeiten zunehmender Motorisierung die Strecke attraktiver machen. Ende der 1960er Jahre wurden zahlreiche Bahnübergänge mit Blinklichtanlagen ausgerüstet.
Mit der Einstellung des Personenverkehrs 1981 wurden die verbliebenen Stellwerke Wulfsen und Mechtersen demontiert und die Weichen mit Handhebeln versehen. Mechtersen war auch vorher schon nur zeitweise besetzt und wurde nun zur Anschlussstelle degradiert. Zudem wurden alle Blinklichtanlagen der Strecke fortan nicht mehr gewartet bzw. auf manuellen Betrieb umgerüstet. Brackel verlor sein Personal bereits in den 1970er Jahren, als der Bahnhof zur Haltestelle herabgestuft wurde. 1988 wurde die Strecke zwischen Marxen und Mechtersen stillgelegt, der Abschnitt Marxen–Wulfsen wurde aber schon seit 1981 nicht mehr befahren. 1990 wurden zwischen Brackel und Tangendorf bis kurz hinter Tangendorf in Richtung Wulfsen gesehen, die Gleise demontiert. Die verbliebenen Stichstrecken Abzw Jesteburg−Marxen und Mechtersen−Lüneburg wurden 1994 stillgelegt. Im Jahre 1997 wurde die Anschlussweiche in Jesteburg ausgebaut, womit aus der Abzweigstelle eine Überleitstelle wurde. 2000 wurden innerhalb von wenigen Tagen sämtliche verbliebene Gleisanlagen zwischen Üst Jesteburg und Lüneburg entfernt.
Personenverkehr
Seit den 1950er Jahren lösten Uerdinger Schienenbusse die mit Dampflok bespannten Wagenzüge ab. Nicht alle Züge befuhren die ganze Strecke, insbesondere Wulfsen war oft Start- und Endbahnhof einiger Zugpaare. Für Reisende zwischen Buchholz und Lüneburg war es ohnehin schneller, den Umweg über Hamburg-Harburg zu nehmen.
Im Jahre 1981 schließlich wurde der Personenverkehr auf der Schiene komplett eingestellt und durch die neu eingerichtete Bahnbuslinie Buchholz–Lüneburg (Liniennummer 1908, heute 4408/5202) ersetzt. Die neugebauten Bahnsteige in Jesteburg und Reindorf wurden so nur wenige Jahre genutzt. Im Zuge der Regionalisierung ging die Verantwortung für die Buslinie vom Bund auf die beiden Landkreise Harburg und Lüneburg über. Wenig später wurde sie in Wulfsen gebrochen und der Fahrplan im Grenzgebiet der beiden Kreise erheblich ausgedünnt.
In den vergangenen Jahren kam aus der Region öfter der Vorschlag, die Güterumgehungsbahn zwischen Buchholz und Maschen auch mit Personenzügen zu befahren. Aufgrund der geringen notwendigen Investitionen erscheint dieses Vorhaben realistischer als eine Reaktivierung der Bahnstrecke Buchholz-Lüneburg. Schließlich würde das einwohnerreiche Jesteburg auch durch diese Lösung wieder an den Schienenverkehr angeschlossen werden.
Den ehemaligen Bahnhöfen und Haltepunkten zwischen Jesteburg und Lüneburg wird dagegen nur ein geringes Fahrgastpotential unterstellt. Kommunalpolitische und andere Probleme verhinderten jedoch bisher sämtliche dieser Vorhaben bereits in den Kinderschuhen.
Güterverkehr
Auch im Güterverkehr hatte die Strecke immer nur lokale Bedeutung. Gelegentlich wurde sie aber auch von durchgehenden Zügen genutzt, um den Umweg über Hamburg-Harburg zu vermeiden. Bahlburg und Tangendorf verloren als erstes ihren Güterverkehr, später folgten Jesteburg und Brackel, 1988 schließlich Wulfsen. Mechtersen wurde bis zum 28. April 1994 von Lüneburg und Marxen noch bis zum 28. Mai 1994 von Jesteburg aus von Übergabegüterzügen angefahren. Darüber hinaus wurde der Abschnitt Abzweig Jesteburg–Marxen trotz erfolgter Stilllegung noch bis in das Jahr 1997, z.B. im Zuge der Gleiserneuerung der Güterumgehungsbahn 1996/1997, für Arbeits- und Bauzüge als Ausweichstelle genutzt.
Aktuelle Planungen
Da die Strecke aber im südlichen Hamburger Großraum liegt und die dortigen Gemeinden einen stetigen Bevölkerungszuwachs verzeichnen, wurde in den 1990er und 2000er Jahren in der örtlichen Politik eine Reaktivierung für den Personenverkehr öfter diskutiert. Angesichts knapper Finanzmittel und fehlendem Interesse des Landes scheint sie aber mittelfristig unwahrscheinlich. In der Diskussion waren stets zwei Varianten: Zum einen lediglich das Befahren der Güterumgehungsbahn mit Personenzügen nach Wiederaufbau der Haltepunkte Jesteburg und Reindorf und Neubau eines Haltepunktes in Ramelsloh, zum anderen die Reaktivierung der kompletten Strecke nach Lüneburg.
Durch den Abbau sämtlicher Gleisanlagen im Jahre 2000 und das Zuschütten einer Straßenüberführung in Ochtmissen (Stadt Lüneburg) ist die zweite Alternative aber in weite Ferne gerückt. Die erste Alternative scheiterte letztlich sowohl an innerparteilichen Differenzen auf kommunaler Ebene als auch aus finanziellen Gründen. Einige Kommunen denken derzeit über eine städtebauliche Nutzung der ehemaligen Bahnflächen nach, was eine Reaktivierung der Gesamtstrecke nahezu unmöglich machen würde. Die Gemeinde Vögelsen hat im Jahre 2007 auf ihrem Gebiet, von Vögelsen nach Mechtersen, einen Wander- und Radfahrweg erstellt.
Strecke Buchholz–Maschen
1977 wurde Europas größter Rangierbahnhof in Maschen eröffnet. Damit aus Richtung Bremen/Ruhrgebiet kommende Güterzüge im Bahnhof Hamburg-Harburg nicht länger Kopf machen mussten und die Strecke Bremen–Hamburg entlastet wurde, wurde eine zweigleisige Güterumgehungsbahn von Buchholz nach Maschen gebaut.
Dazu wurde der acht Kilometer lange Streckenabschnitt zwischen Buchholz und Jesteburg grundlegend erneuert und als Teil der neuen Verbindungsstrecke 1280 einer neuen Verwendung zugeführt. Die Strecke wurde zweigleisig ausgebaut, mit Oberleitung versehen und dient heute ausschließlich dem Güterverkehr als direkte Zufahrt zum südlichen Ende des Rangierbahnhofs aus Richtung Westen.
Etwa zwei Kilometer östlich vom Bahnhof Jesteburg entstand die Abzweigstelle Jesteburg mit neuem Relaisstellwerk von der eine Neubaustrecke nach Maschen errichtet wurde. Im Zuge des zweigleisigen Ausbaus wurde der Bahnhof Jesteburg zum Haltepunkt zurückgebaut und bekam genau wie Reindorf neue Außenbahnsteige. Das mechanische Stellwerk in Marxen, welches sich im Stationsgebäude befand, wurde demontiert, die Weichen und die neu aufgestellten Lichtsignale wurden vom Streckenstellwerk Jf, das auch heute noch in Betrieb ist, fernbedient.
Heutige Situation
Der heute noch in Betrieb befindliche, 53 Kilometer lange Abschnitt zwischen Dannenberg Ost und Lüneburg ist heute als nicht elektrifizierte Nebenbahnstrecke klassifiziert und auch unter dem Namen „Wendlandbahn“ bekannt.
Im Personenverkehr hat dieser Abschnitt die Kursbuchnummer 112 und ist als Regionalbahnlinie R 31 zwischen Lüneburg und Göhrde Teil des Hamburger Verkehrsverbunds. Aufgrund fehlender Beschrankungen an den Bahnübergängen beträgt die Höchstgeschwindigkeit 60 km/h, dadurch ergibt sich eine Gesamtreisedauer von über einer Stunde.
Im Güterverkehr erfolgen über die Strecke unter anderem Transporte von Castor-Behältern mit radioaktiven Abfällen, die an einer Umschlaganlage am Ende der Gleise ein Kilometer östlich des Bahnhofs Dannenberg Ost zum Weitertransport in das Atommülllager Gorleben auf Straßenfahrzeuge umgesetzt werden. Auf Grund von Blockaden durch zum Teil militante Atomkraftgegner und Polizeieinsätzen ruht der Personenverkehr zur Zeit der Castortransporte.
Teile des Abschnittes Wittenberge–Dömitz werden heute als Radweg genutzt. Die gesamte Trasse ist heute noch sehr gut auf Luftbildern zu erkennen.
Literatur
- Dietmar Ramuschkat, „Berlin–Bremen via Wittenberge–Lüneburg–Buchholz. Eine Eisenbahnlinie entsteht“, videel, Niebüll 2002, ISBN 3-89906-316-3
- Wolfgang Fiegenbaum, Wolfgang Klee, „Abschied von der Schiene, Stillgelegte Bahnstrecken im Personenverkehr Deutschlands 1980–1985“, Motorbuch (S. 22ff), Stuttgart 1988, ISBN 3-613-01191-3
- „Eisenbahnatlas Deutschland“, Ausgabe 2007/2008, Verlag Schweers + Wall GmbH, 6. Auflage (April 2007), ISBN 978-3-89494-136-9
Weblinks
- Dömitzer Eisenbahnbrücke auf www.lostplaces.de
- ehemalige Strecke Lüneburg–Buchholz auf www.spurkranz.de
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