Widmer-Schlumpf

Widmer-Schlumpf
Eveline Widmer-Schlumpf

Eveline Widmer-Schlumpf (* 16. März 1956 in Felsberg, Graubünden, heimatberechtigt in Felsberg und Mönchaltorf) ist eine Schweizer Politikerin (BDP, bis Juni 2008 SVP). Sie ist seit dem 1. Januar 2008 als Mitglied des Bundesrates Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD).

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung, Beruf und Privates

Eveline Widmer-Schlumpf ist die Tochter des ehemaligen Bundesrates Leon Schlumpf. Sie wuchs in Felsberg auf, wo sie noch heute wohnt, und besuchte das Gymnasium in Chur, das sie 1976 mit der Matura Typus B abschloss. Anschliessend studierte sie an der Universität Zürich Rechtswissenschaften und legte 1981 das Lizenziat ab. Es folgte 1983 das Bündner Anwaltspatent, 1986 das Bündner Notariatspatent und 1990 an der Universität Zürich die Promotion. Von 1987 bis 1998 arbeitete Widmer-Schlumpf als Rechtsanwältin und Notarin.

Sie ist mit einem Bauingenieur verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist Bürgerin von Felsberg und Mönchaltorf. Widmer-Schlumpf ist ein Allianzname.

Politische Karriere bis 2007

1985 wurde Widmer-Schlumpf ins Kreisgericht Trin (Bezirksgericht) gewählt, von 1991 bis 1997 präsidierte sie dieses. Zwischen 1989 und 1998 war sie Vizepräsidentin der SVP Graubünden. Von 1994 bis 1998 gehörte sie dem Grossen Rat des Kantons Graubünden an. Am 15. März 1998 wurde sie als erste Frau in den Regierungsrat des Kantons Graubünden gewählt, hier übernahm sie die Leitung des Finanz- und Militärdepartements und wurde 2001 und 2005 turnusgemäss zur Regierungspräsidentin gewählt.

Vom September 2001 bis zum Antritt ihres Bundesratamtes[1] war sie Präsidentin der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren. In dieser Funktion schreiben ihr die Medien eine massgebliche Rolle zu, dass 2003 elf Kantone das Referendum gegen das Steuerpaket des Bundes, das erste Kantonsreferendum in der Geschichte des Schweizerischen Bundesstaats, ergriffen.[2] Das Steuerpaket wurde in der Volksabstimmung abgelehnt.

Von Mai 2004 bis Ende 2007[3] gehörte Widmer-Schlumpf dem Bankrat der Schweizerischen Nationalbank an, von März 2007 an als Vizepräsidentin[4].

Bundesrat

Bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates am 12. Dezember 2007 wurde Widmer-Schlumpf von der Vereinigten Bundesversammlung anstelle des amtierenden Bundesrats und offiziellen Kandidaten der SVP, Christoph Blocher, im 2. Wahlgang in den Bundesrat gewählt. Bei einem erforderlichen absoluten Mehr von 122 Stimmen erhielt sie 125, Christoph Blocher 115 Stimmen.[5] Ihre Wahl kam für viele Politbeobachter überraschend.[6] Vor der Wahl stellten die Parteien ihre Absichten wie folgt dar: Die Sozialdemokratische Partei kündigte am Wahlmorgen an, ihre Fraktion werde geschlossen für Widmer-Schlumpf stimmen, während die CVP/EVP/glp-Fraktion im Voraus bekannt gab, die Mehrheit ihrer Mitglieder werde Christoph Blocher nicht unterstützen. Die Grünen hatten Luc Recordon als eigenen Kandidaten aufgestellt, zogen diesen jedoch zu Gunsten von Widmer-Schlumpf zurück. Die FDP und SVP-Fraktionen unterstützten Christoph Blocher offiziell.[7]

Die SVP-Fraktionsführung hatte bereits vor der Wahl angekündigt, jedes SVP-Mitglied, das eine Wahl akzeptiere, ohne von der SVP-Fraktion nominiert worden zu sein, aus der SVP-Fraktion «auszuschliessen». Das bedeutet, dass es nicht auf den Rückhalt in der Fraktion zählen und nicht an deren Treffen teilnehmen kann.[8] Widmer-Schlumpf liess sich für die Entscheidung, ob sie die Wahl annimmt oder ablehnt, einen Tag Bedenkzeit geben und erklärte am Morgen des 13. Dezembers 2007 die Annahme der Wahl.[9] Sie wird seither nicht mehr von der SVP-Fraktion getragen.

Mit Widmer-Schlumpf sind erstmals drei Frauen gleichzeitig Mitglieder des Schweizer Bundesrates. Sie ist nach Eugène Ruffy das zweite Mitglied des Bundesrates, dessen Vater schon im Bundesrat war.

Kritik an der Wahlannahme

Die SVP-Fraktionsführung warf Widmer-Schlumpf Verrat an der eigenen Partei vor.[10] Widmer-Schlumpf sagte dazu in diversen Interviews, dass sie ursprünglich die Wahl ablehnen wollte, sich dann aber umentschieden habe, um den Sitz der SVP im Bundesrat zu retten.[11] Eine Dokumentation des Schweizer Fernsehens versuchte aufzuzeigen, wie die Wahl der Bundesrätin zustande kam.[12] Gestützt auf diese Dokumentation wirft die SVP Eveline Widmer-Schlumpf vor, gelogen und gegen Christoph Blocher intrigiert zu haben.[13] Eveline Widmer-Schlumpf wies die Anschuldigungen zurück und sagte, der Film des Schweizer Fernsehens vermittle ein falsches Bild.[14]

Ausschluss aus der SVP Schweiz

Die SVP Schweiz diskutierte über den Ausschluss von Eveline Widmer-Schlumpf. Ein von der SVP Schweiz in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ergab, dass diese keine Einzelperson ausschliessen kann, da die Parteizugehörigkeit in der SVP über die kantonalen Sektionen geregelt ist. Die gesamtschweizerische Partei kann nur eine Kantonalpartei als Ganzes ausschliessen. Der Zentralvorstand der SVP Schweiz forderte am 4. April 2008 Widmer-Schlumpf zum umgehenden Rücktritt aus dem Bundesrat und aus der SVP auf. Sollte Widmer-Schlumpf nicht austreten, habe die SVP Graubünden sie bis zum 30. April 2008 auszuschliessen, andernfalls wolle die SVP Schweiz die Kantonalpartei Graubünden ausschliessen.[15] Widmer-Schlumpf sowie der Gesamtbundesrat lehnten die Forderungen ab [16], ebenso weigerte sich die Geschäftsleitung wie die Delegiertenversammlung der SVP Graubünden, Widmer-Schlumpf auszuschliessen. [17] [18]

Am 11. April 2008 nahmen über 12’000 Personen auf dem Bundesplatz in Bern an einer Sympathiekundgebung für Eveline Widmer-Schlumpf und Demonstration für mehr Respekt vor politischen Institutionen teil, zu der diverse Frauenverbände unter Federführung der Alliance F aufgerufen hatten.[19]

Am 1. Juni 2008 schloss der Zentralvorstand der SVP Schweiz die SVP Graubünden aus der SVP Schweiz aus[20], worauf sich die SVP Graubünden neu orientierte und als Bürgerlich-Demokratische Partei Graubünden konstituierte.

Auszeichnungen

Sie gewann am 10. Januar 2009 den SwissAward in der Kategorie Politik und wurde in einer Publikumswahl zur Schweizerin des Jahres 2008 gewählt.[21]

Publikationen

  • Voraussetzungen der Konzession bei Radio und Fernsehen, Dissertation Zürich 1990, Basel 1990, ISBN 3-7190-1157-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Medienmitteilung der Finanzdirektorenkonferenz vom 25. Januar 2008
  2. Die NZZ [1] und der Tagesanzeiger [2] nennen sie "treibende Kraft" des Kantonsreferendums, gemäss Blick hat sie das Kantonsreferendum "orchestriert" [3].
  3. Rita Fuhrer in den SNB-Bankrat gewählt
  4. Personelle Veränderungen im SNB-Bankrat
  5. BR Christoph Blocher. Schweizer Parlament. Abgerufen am 13. Dezember 2007.
  6. Bund vom 13. Dezember 2007: Selbst viele Linke glaubten nicht daran
  7. e-Bund mit Quellenangabe SDA/eBund, 12.12.07 08:44
  8. Nach dem Schweizer Parlamentsgesetz (Art. 61, Abs. 1)) ist ein eigentlicher Ausschluss unmöglich, da nur Parlamentarier („Ratsmitglieder“) Mitglieder einer Fraktion sein können.
  9. Eveline Widmer-Schlumpf sagt Ja. search.ch. Abgerufen am 13. Dezember 2007.
  10. Sie hats tatsächlich getan. taz.de, 14. Dezember 2007. Abgerufen am 29. März 2008.
  11. NZZ Online 16. Dezember 2007 «Ich wollte den SVP-Sitz retten»
  12. Die Abwahl - Die Geheimoperation gegen Christoph Blocher, DOK des Schweizer Fernsehens vom 6. März 2008
  13. svp.ch: Erfolgreiche Lügner, Pressemitteilung der SVP, Zugriff am 15. März 2008
  14. Widmer-Schlumpf kontert Dokumentarfilm. NZZ Online, 16. März 2008. Abgerufen am 29. März 2008.
  15. svp.ch: Zentralvorstand bestätigt Ausschlussantrag, Pressemitteilung der SVP, Zugriff am 5. April 2008
  16. Gesamtbundesrat unterstützt Widmer-Schlumpf, Tages-Anzeiger, 3. April 2008.
  17. SVP Graubünden schließt Widmer-Schlumpf nicht aus, Kleine Zeitung, 10. April 2008
  18. Kein Parteiausschluss von Widmer-Schlumpf, NZZ-Online, 23. April 2008
  19. Widmer-Schlumpf bedankt sich vor 12'000 Personen, NZZ-Online, 11. April 2008
  20. SVP Schweiz schliesst Bündner Sektion aus, NZZ Online, 2. Juni 2008
  21. Widmer-Schlumpf ist Schweizerin des Jahres, SF online. Abgerufen am 10. Januar 2009.

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