Wiener Aktionismus

Wiener Aktionismus

Als Wiener Aktionismus wird eine Bewegung der modernen Kunst bezeichnet, in der eine Gruppe Wiener Künstler in den 60er und 70er Jahren das Konzept der amerikanischen Happening- und Fluxus-Kunst aufgriffen und auf äußerst provokante Weise umsetzten.

Nach dem 2. Weltkrieg entstand eine Malerei, die nichts bereits Vorhandenes darstellen wollte. Es entstand eine "Kunst, um die Kunst zu verlassen". Die Spezialisierung und Wirkungslosigkeit der modernen Kunst der fünfziger Jahre veranlasste viele Künstler dazu, eine völlig andere Richtung einzuschlagen. Durch das Brechen von Tabus wollten die Künstler die nur am Konsum orientierte Gesellschaft provozieren.

Die zentralen Protagonisten dieser Kunstrichtung waren Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler. Nach 1970/71 trennten sich die künstlerischen Wege der Gruppe. Muehl und Nitsch machen zwar sporadisch noch Aktionskunst, die allerdings nicht mehr als Wiener Aktionismus bezeichnet wird.

Der Ausdruck ,,Der Wiener Aktionismus" wurde 1969 von Peter Weibel, ein enger Freund der Aktionisten, geprägt. Der Wiener Aktionismus entwickelte sich allerdings sehr isoliert vom internationalen Kulturgeschehen, da Wien kulturell am Rande lag und die Mehrheit der Bevölkerung mit Entsetzen über die Radikalität der Aktionen reagierte.

Durch Provokation wandte sich der Wiener Aktionismus gegen repressive gesellschaftliche Zustände und suchte bewusst die Konfrontation mit staatlicher und kirchlicher Autorität. Über drastische Ausdrucksweisen und aggressive Tabuverletzung sollen einerseits Mechanismen offener und vor allem versteckter (unterdrückter) Grausamkeit und Perversion in der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt werden, andererseits soll eben diese Gesellschaft damit schockiert werden - was auch gelang. Besondere Berühmtheit erlangten die Wiener Aktionisten durch die von den Medien als Uni-Ferkelei bezeichnete Aktion vom 7. Juni 1968 von Brus, Muehl und Oswald Wiener, die eine Anklage aller Beteiligten nach sich zog.

Der Wiener Aktionismus steht in Verbindung zur Wiener Gruppe und anderen Wiener Intellektuellen und Künstlern dieser Zeit, u.a. Valie Export, Adolf Frohner, Kurt Kren, Gerhard Rühm, Alfons Schilling, Peter Weibel, Oswald Wiener und Otmar Bauer.

Literatur

  • Rosemarie Brucher: Durch seine Wunden sind wir geheilt. Selbstverletzung als stellvertretende Handlung in der Aktionskunst von Günter Brus. Löcker, Wien 2008 ISBN 978-3-85409-499-9
  • Thomas Eder: "Unterschiedenes ist / gut". Reinhard Priessnitz und die Repoetisierung der Avantgarde. München, Wilhelm Fink 2003, Kap. 3, Reinhard Priessnitz und der Wiener Aktionismus, S. 149-192. ISBN 3770538137
  • Thomas Dreher: Performance Art nach 1945. Aktionstheater und Intermedia. München, Wilhelm Fink 2001, Kap. 2.5 Wiener Aktionismus, S.163-298.
  • Peter Gorsen: Das Nachleben des Wiener Aktionismus. Interpretationen und Einlassungen seit 1969. Ritter, Klagenfurt 2008 ISBN 3-85415-419-4
  • Helmut Klocker (Hg.): Wiener Aktionismus, Bd. 2. Wien 1960-1971. Der zertrümmerte Spiegel. Klagenfurt: Ritter, 1989.
  • Malcolm Green: Brus Muehl Nitsch Schwarzkogler. Writings of the Viennese Actionists. London: Atlas Press 1999.
  • Museum Fridericianum, Kunstmuseum Wintherthur u. Scottish National Gallery of Modern Art (Hg.): Von der Aktionsmalerei zum Aktionismus. Wien 1960-1965. Ritter, Klagenfurt 1988 ISBN 3-85415-059-8
  • Dieter Schwarz: Aktionsmalerei – Aktionismus. Wien 1960-1965. Eine Chronologie. Zürich: Seedorn, 1988.
  • Ivanceanu/Schweikhardt: Aktionismus all inclusive. Wien, Passagen Verlag 2001. ISBN 3-85165-510-9
  • Oliver Jahraus: Die Aktion des Wiener Aktionismus. Subversion der Kultur und Dispositionierung des Bewußtseins. München, Wilhelm Fink 2001.
  • Valie Export u. Peter Weibel (Hg.): Wien: Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film. Kohlkunstverlag, Frankfurt 1970.

Weblinks


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