Wiener Pestsäule

Wiener Pestsäule
Wiener Pestsäule
Detail von der Basis der Pestsäule (Wappen Ungarns mit den Wappen von Kroatien und Dalmatien)
Statue von Kaiser Leopold I., umgangssprachlich Fotzenpoidl genannt

Die Wiener Pestsäule steht am Graben (einem so benannten Straßenzug) in der Wiener Innenstadt und ist eines der bekanntesten und markantesten plastischen Kunstwerke im Stadtgebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1679 wütete in Wien eine der letzten großen Pestepidemien. Auf der Flucht aus der Stadt gelobte Kaiser Leopold I. die Errichtung einer Gnadensäule bei Beendigung der Pestepidemie. Noch im selben Jahr wurde eine provisorische Holzsäule von Johann Frühwirth eingeweiht, die einen Gnadenstuhl auf einer korinthischen Säule sowie neun Engelsfiguren (für die Neun Chöre der Engel) zeigte. 1683 ging der Auftrag für die Marmorausführung an Matthias Rauchmüller, der jedoch bereits 1686 starb und einige Engelfiguren hinterließ. Danach kamen zahlreiche Neuplanungen, unter anderem auch von Johann Bernhard Fischer von Erlach, auf den das Programm der Sockelfiguren zurückgeht. Letztlich wurde die Projektleitung Paul Strudel übertragen, der sich auf das Programm des Theateringenieurs Lodovico Ottavio Burnacini stützte. Burnacini sah unterhalb der Dreifaltigkeit eine Wolkenpyramide mit Engelsfiguren und einer Figur des Glaubens vor, vor der ein betender Kaiser Leopold kniet. Unter den beteiligten Bildhauern waren auch Tobias Kracker und Johann Bendel. 1693 konnte die Säule dann geweiht werden.

Trotz der langen Bauzeit, der Planänderungen und der Anzahl der beteiligten Bildhauer macht das Denkmal einen homogenen Eindruck. Während der Planungszeit hat es sich von einer simplen und konservativen Andachtssäule zu einer hochbarocken Inszenierung gewandelt, in der ein Geschehen theatralisch erzählt wird. Damit stellt es den Übergang in eine neue künstlerische Phase dar. Die Wiener Pestsäule war stilprägend und wurde in der ganzen Monarchie nachgeahmt.

Ikonographisches Programm

Die Säule weist ein kompliziertes ikonographisches Programm auf, dessen Grundaussage ist, dass durch die persönliche Frömmigkeit und Fürbitte des Kaisers die Pest sowie die Osmanen (Zweite Wiener Türkenbelagerung 1683), welche beide als Strafe Gottes für ein sündenhaftes Leben bewertet wurden, abgewendet bzw. besiegt werden konnten. Die Säule stellt somit auch ein (Sieges-)Denkmal für Leopold I. dar. Im Programm äußert sich die Dreifaltigkeit mehrfach in der Zahl Drei, nämlich vertikal in drei Stufen[1]:

  1. Im den Menschen vorbehaltenen Sockel, in dessen obersten Drittel Leopold I. als Fürbitter zu Gott betet,
  2. im den Engeln als Vermittler zwischen Gott und den Menschen gehörigen Bereich, sowie
  3. in der obersten, der heiligen Dreifaltigkeit vorbehaltenen Stufe.

Zudem findet auch eine Dreiteilung im Grundriß statt, welche einen Zusammenhang zwischen sakralem Programm und den drei Teilreichen der Habsburgermonarchie herstellt:

  1. Der westliche Flügel ist Gottvater gewidmet und trägt einen Doppeladler, das Wappen des Heiliges Römisches Reiches, sowie die Wappen der innerösterreichischen Länder Steiermark, Kärnten und Krain. Zwischen westlichem und östlichem Flügel befinden sich die Wappen Österreichs ob der Enns und Österreichs unter der Enns, der Kernländer der Monarchie.
  2. Der östliche Flügel ist dem Gottessohn zugeordnet und trägt die Wappen Ungarns, Kroatiens, Dalmatiens und Bosniens (ursprünglich Slawoniens).
  3. Der dem Heiligen Geist gehörige nördliche Flügel ist mit den Wappen Böhmens, Schlesiens und Mährens verziert.

Inschriftübersetzungen

  1. Dir dem König der unsterblichen Zeit im Wesen und in der Person, dem Gott: dem Grenzenlosen, Ewigen und unendlich Großen, dessen Rechte alles möglich macht, dessen Weisheit nichts verborgen bleibt, dessen Größe das ganze Universum erfüllt, dessen Barmherzigkeit über allem Handeln ist.
  2. Dir, sage ich, der heiligsten und einzigen Dreifaltigkeit: Ich Leopold, dein demütiger Diener, ich danke dir, ich mache dieses Große zum Schutz gegen das Ungünstigste. Im Jahr 1679 durch deine gesegneten Grüße von dieser Stadt und dem Land Österreich, der unheilvollen Seuche Pest: und in Ewigkeit werde ich dir Dank schulden, ich weihe dir ein ewig sich einbrennendes Denkmal.
  3. Nimm gütigst an, Gott, die Gelübde deines Dieners, der dich demütig anbetet: Und mich, meine Gattin, meine Kinder und mein Haus: die Völker und meine Heere: die Königreiche und Provinzen: Lenke mit immerwährendem Schutz deiner Barmherzigkeit, bewache, verteidige! So habe ich gelobt im Jahre 1679 des Herrn, unseres Erlösers Jesu Christi.

Literatur

  • Gerolf Coudenhove: Die Wiener Pestsäule. Versuch einer Deutung. Herold-Verlag, Wien 1958
  • Reingard Witzmann: Die Pestsäule am Graben in Wien. Verein für Geschichte der Stadt Wien 2005

Einzelnachweise

  1. Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 2 (= Herwig Wolfram, Österreichische Geschichte 1522–1699) (Wien 2003). S. 189ff

Weblinks

 Commons: Wiener Pestsäule – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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