Beibringungsgrundsatz

Beibringungsgrundsatz

Der Verhandlungsgrundsatz (neuerdings auch Beibringungsgrundsatz) ist eine Prozessmaxime, die im Zivilprozess vorherrscht.

Im Zivilprozess obliegt es den Parteien, alle relevanten Tatsachen vorzubringen (daher die leichter verständliche Bezeichnung "Beibringungsgrundsatz"), auf deren Grundlage das Gericht dann eine Entscheidung fällt. Die Bezeichnung "Verhandlungsgrundsatz" erklärt sich damit, dass nur berücksichtigt wird, was die Parteien in der Verhandlung mündlich oder durch Bezugnahme auf Schriftsätze vortragen. Von sich aus kann das Gericht die Tatsachen nicht verlangen. Allerdings hat es eine Hinweispflicht, wenn der Tatsachenvortrag ungenügend ist (§ 139 Zivilprozessordnung (ZPO)). Beweis wird nur erhoben, wenn Tatsachen vorgetragen und vom Gegner bestritten wurden. Auch die Beschaffung der Beweismittel obliegt grundsätzlich den Parteien. Zeugenbeweis kann nur erhoben werden, wenn der Beweisführer die Vernehmung beantragt.

Während das Gericht hinsichtlich des Tatsachenstoffes (des Sachverhalts) an das Vorbringen der Parteien gebunden ist, gilt dies nicht für die Rechtsanwendung. Hier gilt in Deutschland (anders als in verschiedenen anderen Rechtsordnungen, bspw. des romanischen Rechtskreises) der Grundsatz, dass das Gericht das Recht kennen und ohne Bindung an Rechtsausführungen der Parteien richtig anwenden muss (iura novit curia).

Im Strafverfahren gilt statt des Verhandlungsgrundsatzes die Inquisitionsmaxime (auch: Untersuchungsgrundsatz oder Amtsermittlungsgrundsatz). Auch im Zivilprozess gilt in einigen Bereichen, in denen im öffentlichen Interesse eine umfassende Sachaufklärung geboten erscheint, der Untersuchungsgrundsatz, so beispielsweise in Ehe- und Kindschaftssachen (§ 616 Absatz 1, § 640 ZPO).

Historisch ist der Verhandlungsgrundsatz auf die bürgerlich-liberale Werteordnung des beginnenden 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist diese Grundlage des Zivilprozessrechts kontinuierlich zurückgedrängt worden. Mit ihr kam am 27. Oktober 1933 die Wahrheitspflicht der Parteien (§ 138 ZPO) ins Gesetz. Zweck der Regelung ist der Schutz der gegnerischen Partei, sodass falsche Eingeständnisse zu Gunsten der gegnerischen Partei durchaus das Gericht binden.

Teilweise ist aber auch im Zivilprozess die Prüfung von Tatsachen von Amts wegen vorzunehmen. Nämlich dann, wenn über unverzichtbare Prozessvoraussetzungen oder die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen zu entscheiden ist. Diese Prüfung fußt jedoch auf den vorgebrachten Tatsachen der Parteien, sodass es sich hierbei nicht um eine Grundsatzverschiebung zu Gunsten des Untersuchungsgrundsatzes handelt. Bei diesen Einschränkungen handelt es sich jedoch nicht um solche des Beibringungsgrundsatzes sondern des Verfügungsgrundsatzes (Dispositionsmaxime). Wenngleich dieser Unterschied bisweilen (vor allem in der Praxis) verwischt wird.

Literatur

  • Othmar Jauernig: Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand. Mohr Siebeck, 1967

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