Windmühle Heckington

Windmühle Heckington
Windmühle Heckington mit acht Flügeln

Die Windmühle Heckington, ursprünglich auch Bahnhofsmühle nach ihrem Standort und seit 1892 bis heute Pocklingtonsche Mühle nach ihrem letzten Eigner John Pocklington benannt (engl. Heckington Windmill, Station Mill, Pocklington's Mill), ist Englands einzig verbliebene Turmgalerieholländerwindmühle mit acht (!) Patentflügeln in Heckington, Lincolnshire, England. Der Ort liegt zwischen Sleaford, zu dem er gehört, und Boston. Die einmalige Windmühle steht direkt am Heckingtoner Bahnhof und ist weltweit mit acht anstelle der vier üblichen Flügeln die einzige verbliebene Holländerturmwindmühle ihrer Art, von denen es in England ursprünglich um die zwölf gab, vier davon allein in Lincolnshire (Tuxfordsche Mühle (Skirbeck, Boston), Windmühle Holbeach (South Holland), Windmühle Market Rasen (West Lindsey), Windmühle Heckington (North Kesteven)). Die höchste dieser achtflügligen Windmühlen war die Leachsche Mühle (Leach's Mill) mit neun Stockwerken in Wisbech, Cambridgeshire.[1]

Segelwindmühlen mit Rundruten und Dreieckssegeln als Segelstangenflügel, wie man sie oft im Mittelmeerraum findet, haben bis zu zwölf / vierzehn "Flügel", sind aber ein anderer Windmühlentyp. Ebenso gibt es achtflügelige Kokerwindmühlen mit paddelähnlichen Kurzflügeln in Finnland.[2].

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Windmühle von Heckington wurde als fünfflüglige[3], schlanke konische Ziegel-Turmwindmühle mit sechs Stockwerken ("Böden": Eingangsboden, Mehlboden, Stein- oder Galerieboden, unterer Kornboden, oberer Kornboden oder Hebeboden (enthielt sowohl den Sackaufzug als auch Schütten für das zu mahlende Korn), Staub- oder Kappboden - engl.: ground floor, meal floor, stone floor, lower bin floor, upper bin floor, dust floor)) und Sutton-Patentflügeln (eine Art Jalousieflügel mit keilförmigem Querschnitt) errichtet. Die Außenwand erhielt gegen das Eindringen von Wasser einen Putz mit einer dichtenden schwarzen Bitumenschicht - eine besonders in Lincolnshire verbreitete Bauweise. Eine weiße Zwiebelhaube mit Steertnachführung, Haspel und Endloskette schloss die Mühle ab. Sie hatte drei Mahlgänge im 3. Stock und Platz für einen vierten. Nach 60 Arbeitsjahren war die Mühle dringend renovierungsbedürftig. In dieser Zeit wurde eine große Windrose anstelle des Steert eingebaut. Nach dem Sturmschaden, der die Mühle großteils ruinierte, erhielt der angeschlagenen Mühlenstumpf 1891-1892 nach Reparatur durch ihren neuen Eigner John Pocklington und einem lokalen Mühlenbauer die schneeweiße Zwiebelhaube (bestehend aus geweißtem, geteertem Segeltuch über Holzrahmen mit Turmkugel) mit dem acht Jalousienflügel tragenden Flügelkreuz (Lincolnshire Kreuz nach John Smeaton mit acht Ruten) und der ebenfalls achtflügligen Windrose von mehr als 3 m Durchmesser der außer Dienst gestellten, 1813 von der Mühlenbauerfamilie Tuxford zu Demonstrationszwecken errichteten Tuxfordschen Windmühle (engl. Tuxford's Mill) in Skirbeck, Boston, Lincolnshire (nicht zu verwechseln mit der vierflügligen, nach dem Marktflecken Tuxford in Nottinghamshire benannten Tuxford Mühle (engl. Tuxford Mill)), dazu ein um zwei weitere Mahlgänge erweitertes Mahlwerk und eine zuschaltbare Kreissäge in einem Nebengebäude zur Herstellung von Sargdeckeln. Die großen inneren Getriebeteile (Königswelle, Kammrad, Obenbunkler) sind aus Stahl beziehungsweise haben Stahlzähne ("Kämme") anstelle hölzerner. Da die Tuxfordmühle, für die die Kappe ursprünglich konstruiert worden war, einen weiteren Turmabschluss hatte, besteht ein größerer Spalt zwischen Mühlenkappenrand und Turmaußenwand. Heute sind vier Mahlgänge einsatzfähig. Die Säge ist nicht mehr vorhanden. Als Besonderheit bei Holländermühlen verfügt diese Mühle über ein die Flügelspitzen verbindendes umlaufendes spannbares Stahlkabel, um ein Verziehen der Flügel vorzubeugen, eine unter Umständen unnötige Baumaßnahme bei diesem Flügeltyp. Die drei Originalmahlgänge (zwei Sandsteinmahlgänge und ein Quarzitmahlgang) auf dem Mahlboden (3. Boden) sind vorhanden und betriebsbereit, dazu der vierte Mahlgang im 2. Stock. Aufgrund der doppelten Segelfläche vergleichbarer vierflügliger Mühlen ist die Heckingtoner Windmühle in der Lage, auch bei geringerem Wind, wenn andere Mühlen stillstehen, ihre vier Mahlgänge anzutreiben.

Mühlendaten:

  • Turmhöhe: 18,3 m (60 ft)
  • Kappenhöhe: 23 m (75 ft)
  • Gesamthöhe: 30,48 m (100 ft)
  • Spannweite der Mühlenflügel: 21,4 m (70 ft)
  • Gewicht des achtfachen Flügelkreuzes: 5 t
  • Basisinnenweite: 8,5 m (8 ft)
  • Mahlgänge: z. Zt. 4, max. 5

Geschichte

1830 wurde die Windmühle vom Gainsborougher Mühlenbauer Edward Ingeldew für Michael Hare, dem ersten Müller und Eigner errichtet, der jedoch 1834 starb. Die Mühle wurde daraufhin von den Gebrüdern Sleighton und Joseph Nash geführt, der sie bis zu ihrer Stilllegung nach schwerem Sturmschaden 1890 innehatte. Es findet sich kein Hinweis, ob die Mühle früher auch Haremühle (Hare's Mill) oder Nashmühle (Nash's Mill) hieß. 1891 erwarb Müller John Pocklington die Mühlenruine in Heckington, deren Kappe mit dem fünffachen Flügelkreuz, Windrose und Teile der oberen Mühlenmechanik (Kammrad, Königswelle mit Obenbunkler) durch einen rückwärtigen Sturm völlig zerstört worden waren. Das fünffache Flügelkreuz lief dabei falschherum, da ein Blitz die Windrose zerstörte und die Kappe dadurch unkontrolliert rotierte. Es riss sich mit der gesamten Kappe und Teilen des Mauerrandes vom Mühlenturm los und zerschellte. John Pocklington besaß bereits die komplette Mühlenkappe mit achtfachem Flügelkreuz, Flügelwelle und Mühlenmechanik der damals 78 Jahre alten Windmühle der Mühlenbauerfamilie Tuxford aus dem Bostoner Skirbeck-Viertel von 1813 (engl. Tuxford's Windmill), die er dort für £72 ersteigert hatte. Zum Vergleich: Eine komplette Turmwindmühle kostete um 1820 ca. £1.800 - £2.000. Da er als Kaufbedingung die komplette Mühlenmechanik vom Grundstück der Tuxfordschen Mühle entfernen musste und dringend einen Platz für die erworbenen Teile benötigte, kam ihm der Mühlenstumpf sehr gelegen. Im Frühjahr 1892 war die inzwischen 62 Jahre alte Bahnhofsmühle in Heckington nach knapp einjähriger Aufbauzeit (Restaurierung des beschädigten Mühlenturms, Einbau der Kappe samt Flügelwelle, Flügeln, Windrose und Mechanik) mit Unterstützung des lokalen Mühlenbauers John Hodgson wieder wind- und mahlfähig. Müller John Pocklington, ein außerordentlich geschäftiger Mann, erweiterte die Mühle um zwei zusätzliche Mahlgänge (im 2. und unterster Boden) und um eine Kreissäge in einem an die Mühle angeschlossenen Schuppen. Er verkaufte diverse Mehlsorten, Backartikel, Backwaren und Viehfutter nebst Sägeaufträgen und führte die große Mühle erfolgreich bis zu seinem Tod 1941. Nach ihm hieß die Mühle seit dieser Zeit bis heute auch Pocklingtonsche Mühle (engl. Pocklington's Mill). Das alte Firmenschild ist heute noch angebracht.

1946 wurde der Mahlbetrieb eingestellt, die Jalousielamellen (engl. shutters, in Lincolnshire shades genannt) ausgebaut, der Verfall des imposanten Bauwerks setzte ein. 1953 kaufte die Grafschaftsregierung von Kesteven ("Kesteven County Council") die Mühle, um das einmalige Bauwerk vor dem endgültigen Verfall zu bewahren und als Wahrzeichen zu erhalten. Verschiedene Restaurierungsarbeiten wurden von der Mühlenbauerfirma Richard Thompson & Son aus Alford (England's einzig verbliebene Mühlenbauerdynastie aus dem 19. Jahrhundert) durchgeführt, darunter zunächst der Einbau von vier Flügeln zweier stillgelegter Windmühlen (Old Bolingbroke und Wainfleet St. Mary) aus East Lindsey und einer neuen Windrose. Sie mussten 1972 nach Blitzschlag repariert werden. 1986 kam die Mühle infolge Gebietsreform in den Besitz der Grafschaftsregierung von Lincolnshire ("Lincolnshire County Council"). 192 neue Lamellen (Jalousien, 24 pro Flügel) und vier weitere Flügel nebst Steuerung wurden vom Förderverein "Freunde der Mühle Heckington" ("Friends of Heckington Mill") eingebaut, und nach 40 Jahren erstmalig wieder gemahlen. Nach einer weiteren Renovierung im Jahre 2004 ist die Mühle seitdem wieder in Betrieb und für Besichtigungen offen. Derzeitige Müller seit 2004 sind Martin Hanson und George Pacey.

Quellen

  1. Bild der Leachschen Mühle
  2. Finnische achtflügelige Kokerwindmühle
  3. Bild der Alfordmühle, Lincolnshire; etwa so sah die Windmühle Heckington bis 1890 aus.

Literatur

  • E. Mitford Abrahams: Collection of Photographs of Mills (1927-1938). John Rylands Universitätsbücherei, Manchester
  • Peter C. J. Dolman: Lincolnshire Windmills - A Contemporary Survey. Lincolnshire County Council, Recreations Services - Museums, Lincoln, 1986; ISBN 0-86111-126-5

Weblinks

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