Holländermühle

Holländermühle
Erdholländer mit Zwiebelhaube und Steert in Flackarp südwestlich Lund (Schonen), Südschweden
Britzer Mühle mit Windrose und bootsförmiger Haube, Berlin
Aufriss der Britzer Mühle in Berlin-Neukölln, einer Galerieholländermühle; Zeichnung: R. Flemming

Die Holländerwindmühle (regional auch Kappenwindmühle, in den Niederlanden allgemein bovenkruier (Obendreher - d. h. mit drehbarer Haube oder Kappe) genannt) ist die modernste Entwicklung der klassischen Windmühle. Dieser Windmühlentyp verdrängte im 16. Jahrhundert, vor allem in den Niederlanden und in Norddeutschland, die vorher gebauten Bockwindmühlen.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Ihre deutsche Bezeichnung verdankt sie holländischen Mühlenbauern, wobei der holländische Ingenieur und Mühlenkonstrukteur Jan Adriaanszoon Leeghwater als Erfinder der drehbaren Kappe genannt wird. Der unterer Teil dieser Mühlen ist meist gemauert oder aus Balken konstruiert (Mühle Alt Schwerin), somit äußerst stabil und übt weniger Bodenpressung aus, weil sie keine Einzelfundamente hat. Der auf dem aus Holz oder Mauerwerk gefertigten „Turm“ aufliegende bewegliche Kopf (Kappe oder Haube) der Mühle mit den an der Flügelwelle angesetzten Flügeln ist über Rollen (früher aus Holz, später aus Stahl) und Krühring (niederdt. Kroyring) drehbar auf dem oberen Turmabschluss gelagert. Eine Schleifkappe kommt ohne Rollen aus und sitzt auf Schleifbohlen, die mit Schmierseife geschmiert werden. So musste nur noch der obere Teil - die Kappe (boots-, zwiebel-, kegelförmig) - in den Wind gedreht werden, mit Außenkrühwerk: Steert (bestehend aus 5 Steuerbalken (vier V-förmigen „Schwertern“ oder „Spreetbalken“ mit mittlerem, eigentlichem Steert) drehen über die aus der Kappe herausragenden Schoren (zwei Querbalken) die Kappe mittels Krühhaspel), angesetzter Windrose oder seltener mit Innenkrühwerk - einer in die Haube eingebauten Drehmechanik, was diese Mühlen wegen der größeren Haube oft gedrungener erscheinen lässt. Der untere, feststehende Teil konnte hingegen als eigentliche Arbeitsplattform (Mahlwerk, Sägewerk, Pumpwerk etc.), zur Lagerung und zum Verladen von Waren benutzt werden, des Weiteren als Wohnung und Verkaufsraum. Hohe Holländermühlen verfügen somit über mehrere Stockwerke oder Böden (Söller, plattdeutsch Soller, ndl. zolder), hier für eine neunstöckige Mühle, angefangen beim

  • Kappenboden (Radstube, nld. kapzolder, engl. dust floor / cap floor) - schützt vor Wettereinflüssen durch die Kappe, darunter der
  • Hebeboden (nld. luizolder, engl. hoist floor / bin floor),
  • Steinboden oder Mahlboden (nld. steenzolder, engl. stone floor),
  • Mehlboden (nld. maalzolder / meelzolder, engl. meal floor),
  • Galerieboden (mit Wohnung/(Ab)sackboden) (nld. baliezolder & woonhuis/zakzolder, engl. gallery floor & living floor/sack floor),
  • Lagerboden (nld. opslagzolder, engl. grain floor),
  • Kornlager (nld. graan opslagzolder, engl. grain store),
  • Wohnboden (nld. woonhuis, engl. bedroom/living floor),
  • Eingangshalle/Keller/Wohnung (nld. invaart/woonhuis, engl. living room/cellar floor).

Die Böden unter der Galerie differieren oft, je nach Mühlenbauart und Bodenzahl, und bilden den Unterbau. Bei Galerieholländermühlen mit Steinunterbau wird oft nur die Zahl der Stockwerke unter der Galerie gezählt, was nicht der tatsächlichen Bodenzahl entspricht.

Das bedeutete neben statischen Pluspunkten gegenüber den architektonisch älteren Bockwindmühlen mehr Platz im Gebäude, um Müllereimaschinen unterzubringen, der Mühlturm konnte höher in den Wind gebaut werden, wodurch der Wirkungsgrad der Maschine „Windmühle“ entsprechend zunahm. Die Kraft wurde bei diesem Typ mittels eines Getriebes aus Kammrad auf der Flügelwelle über den Obenbunkler oder -bunkel auf die senkrecht sich drehenden Welle, die sogenannte Königswelle übertragen. Dieser Antriebsstrang kann im normal laufenden Betrieb nicht getrennt werden, sodass bei drehenden Flügeln die Energie im Gebäude von der drehenden Königswelle abgenommen und auf alle Arten von Maschinen angeschlossen werden kann.

Die Holländerwindmühle verbreitete sich in Nordeuropa sehr stark. Lediglich die hohen Baukosten beeinträchtigten ihre Verbreitung.

Typen von Holländermühlen

Galerieholländer in Nordenham-Moorsee mit einer doppelten Windrose
  1. Erdholländer: ebenerdig gebaute Holländermühle, die Flügelenden nahe dem Erdboden. Auch Grundsegler (ndl. grondzeiler) genannt.
  2. Wallholländer (Bergholländer): anstelle einer Galerie (siehe 4.) wurde die Mühle auf einem künstlichen Erdwall errichtet. Das brachte das Flügelrad höher in den Wind, die Flügel waren vom künstlichen Erdwall erreichbar, z. B. die Mühle in Straupitz. In den Niederlanden bergmolen oder auch grondzeiler genannt.
  3. Durchfahrt-Holländer (Keller-Holländer): Abart des Wallholländers. Man kann mit Fuhrwerk oder Traktor auf der einen Seite in den Mühlensockel hinein und an der anderen Seite wieder hinaus fahren. Mitten in der Durchfahrt, quasi im Mühlenkeller, wird dann die Mehl- oder Getreidesäcke mit dem mühleneigenen Hebezug auf- und abgeladen.
  4. Galerieholländer: durch die erheblich größeren Bauhöhen mancher Holländerwindmühlen war es nicht mehr möglich, die Flügel oder den Steert zu erreichen. Beides musste zur ordnungsgemäßen Bedienung der Windmühle möglich sein. Man erfand deshalb eine Art umlaufenden Balkon oder Galerie, von der Flügel wie Steert und Bremse bedient werden konnten. Diese Typen werden als „Galerieholländer(mühlen)“ (ndl. stellingmolen) bezeichnet.
  5. Turmholländer: konisch aus Backsteinen und/oder Bruchsteinen gemauert, sowohl rund als auch mehrkantig (Zyklopen); in den Niederlanden nie torenmolen (Turmmühle) genannt, das sind dort gedrungene Windmühlen mit meist zylindrischem oder leicht konischem Mühlenturm (nur vier dort erhalten), sondern als stenen grondzeiler (Steingrundsegler), stenen bergmolen (steinerne Bergmühle), stenen stellingmolen (steinerne Galeriemühle) u. a. bezeichnet.
  6. Mischformen: Ein Turmholländer kann als Kellerholländer (Durchfahrtholländer), Galerieholländer oder als Wallholländer ausgeführt sein. Ebenso gibt es Galerieholländer mit einer Durchfahrt. Eine eindeutige Typisierung ist deshalb mitunter recht schwierig und hängt stark von dem bevorzugten Aspekt des Betrachters ab. Eine Sonderform ist der oft als „Dachholländer“ bezeichnet Mühlentyp einer auf ein bestehendes Gebäude aufgesetzten Holländermühle. Ist das Gebäude eine Wassermühle, handelt es sich um eine „Windwassermühle“.

Beispiele

  • Carolinensieler Mühle, Galerieholländer (1742), 5-stöckig, 8-kantig, am 23. Juni 1993 wurden neue Flügel montiert.
  • Galeriemühle „Hager Mühle“ (1888), 5-stöckig, 8-kantig (30,2 m Kappenhöhe) auf 6-stöckigem, achteckigem Ziegelunterbau, Hage, höchste Windmühle Deutschlands
  • Steingaleriemühle „Amanda“ (1888), 5-stöckig, 8-kantig als Korn- und Sägemühle (30 m Kappenhöhe) auf 4-stöckigem, quadratischem Ziegelunterbau, Kappeln
  • Steingaleriemühle „Kalkarer Mühle“ (1772), 8-stöckig, rund aus Ziegeln als Lohmühle (27,6 m Kappenhöhe) gemauert, Kalkar, höchste Windmühle am Niederrhein, seit 1999 nach Renovierung mahlfähige Kornmühle
  • Steingaleriemühle „De Nolet“ (2006), 10-stöckig, rund aus Ziegeln als Energieerzeuger (43 m Kappenhöhe) gemauert, Schiedam, Niederlande; höchste Windmühle der Welt
  • Steinwallholländer „Straupitz“ (1850), 5-stöckig, rund als Dreifachwindmühle (Korn-, Öl- und Sägemühle), Straupitz; einzige in Europa
  • Steinturmwindmühle „Steprather Mühle“ (ca. 1470) als Kornmühle, Walbeck (Geldern); Deutschlands älteste funktionstüchtige Windmühle (15. Jahrhundert)
  • Galerieholländer „Wittmund“ (1741), 4-stöckig, 8-kantig aus Holz / einstöckiger Steinunterbau als Korn- und Peldemühle, Wittmund; älteste Galerieholländermühle Deutschlands, jetzt Heimatmuseum „Peldemühle Wittmund“.
  • Galerieholländer „Vareler Windmühle“ (1848), 4-stöckig, 8-kantig aus Holz (28,8 m Kappenhöhe), Varel, auf 5-stöckigem achtkantigem Klinkersockel; zweitgrößte Windmühle Deutschlands mit neun Böden und dem größten erhaltenen Mühlstein Deutschlands. Jetzt als „Vareler Heimatmuseum“ genutzt.
  • Steingalerieholländermühle „Heckington“ (Heckington tower mill, 1830/1892), 6-stöckig, rund aus Ziegeln erbaut (23 m Kappenhöhe, bitumeniert), Heckington, Lincolnshire, England, mit acht (!) 10,7 m langen Jalousienflügeln.

Bildergalerie

Siehe auch

Weblinks


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