- Winterthurer Ereignisse
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Der Begriff Winterthurer Ereignisse bezeichnet eine Reihe von Farb-, Brand- und Sprengstoffanschlägen sowie die nachfolgende Verhaftungswelle innerhalb der Jugendszene in der Schweizer Stadt Winterthur im Jahr 1984.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Am 7. August 1984 erreicht die Anschlagsserie mit dem Sprengstoffanschlag auf das Haus von Bundesrat Rudolf Friedrich ihren Höhepunkt; es entstand Sachschaden, Personen wurden keine verletzt. In der Folge wurden am 20. November 1984 in einer gross angelegten Polizeiaktion 25 Jugendlichen in 3 Wohngemeinschaften verhaftet.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 1984 erhängte sich Gabi S., die Freundin des Hauptverdächtigen Alex Weber, in ihrer Zelle. Kurz darauf wurden die meisten anderen Verhafteten aus der Untersuchungshaft entlassen. Sie installierten eine Mahnwache in der Winterthurer Marktgasse beim Justitiabrunnen. Am 27. Dezember 1984 erfolgte ein Jaucheanschlag von Unbekannten auf die Mahnwache, die daraufhin abgebrochen wurde.
Der Kunstmaler Alex Weber wurde im Juni 1986 vom Zürcher Obergericht zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Zürcher Kassationsgericht hob dieses Urteil jedoch später wegen Willkür wieder auf, so dass Weber am 23. Juli 1987 aus der Haft entlassen wurde. In einer neuen Hauptverhandlung vor dem Obergericht wurde Weber für drei Sprengstoffanschläge verantwortlich gemacht, der Anschlag auf das Haus von Bundesrat Friedrich konnte ihm hingegen nicht nachgewiesen werden. Der zweite Hauptverdächtige Res Sommer war zu dieser Zeit noch immer in Haft.
Am 19. August 1989 wurde Alex Weber am Rande einer gewalttätigen Demonstration in Zürich erneut verhaftet und wegen Aufruf zur Gewalt zu vierzehn Tagen unbedingt verurteilt.
Bewertung
Die Heftigkeit der Polizeimassnahmen war unter anderem dadurch begründet, dass die Behörden ähnliche Jugendunruhen wie in den frühen 1980er Jahren in der Stadt Zürich (Opernhauskrawalle) befürchteten. Die Verhaftungswelle war insofern erfolgreich, als dadurch die radikale Jugendszene in Winterthur praktisch zerschlagen wurde. Juristisch gesehen erhärteten sich die Verdachtsmomente gegen die meisten Verhafteten jedoch nicht. Während meist rechte Kreise das harte Durchgreifen der Behörden begrüssten, kritisierten tendenziell linke Kreise die Verhaftungen als unverhältnismässig oder gar ungesetzlich (Vorwurf der Beugehaft), insbesondere nach dem Selbstmord von Gabi S. in der Untersuchungshaft. Fragen warfen insbesondere ein anonymer Brief an Gabi S. sowie der Suizid eines Ermittlungsbeamten kurz nach deren Tod auf.
Aufarbeitung
Die kritische Aufarbeitung der Winterthurer Ereignisse erfolgte insbesondere durch den Journalisten Erich Schmid, seit 1980 Reporter und Gerichtsberichterstatter des Tages-Anzeigers. Schmid publizierte 1986 das Buch Verhör und Tod in Winterthur. Das Buch lieferte die Vorlage für den gleichnamigen Dokumentarfilm von Richard Dindo (2001).
Literatur
- Schmid, Erich: Verhör und Tod in Winterthur, 250 Seiten, 3. Auflagen, Limmat Verlag, 1986/87 überarbeitete und erweiterte Auflage 2002
- Dyttrich, Bettina: Winterthurer Ereignisse im Kreuzfeuer Verhör und Tod in Winterthur: Ein Buch wird verfilmt. WochenZeitung WoZ Nr. 14/2002, S. 17-18.
- Möckli, Thomas: Ein Stück unverarbeitete Winterthurer Geschichte: Winterthurer Ereignisse: 20. November 1984. In: Winterthur Jahrbuch. Winterthur. 50 (2003). S. 52-59.
Filme
- Verhör und Tod in Winterthur, Dokumentation nach dem gleichnamigen Titel des Buches von Erich Schmid, Schweiz, 2002, Regie: Richard Dindo.
Weblinks
- Jossi, Christian. Junge Rebellen, Razzien und Sprengstoff. Der Landbote, 30. Dezember 1999, S. 13. (PDF-Datei; 223 kB)
- Dejung, Christof. Schwein für Schwein - Päng. WochenZeitung WoZ Nr. 47/2004.
- Dejung, Christof. Der Sprung in die Wand. WochenZeitung WoZ Nr. 48/2004.
- Dejung, Christof. Die Zeit nach dem Tauchsieder. WochenZeitung WoZ Nr. 49/2004.
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