- Wirtschaftsliberal
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Unter Wirtschaftsliberalismus versteht man die Anwendung liberaler Prinzipien auf den Bereich der Wirtschaft.
Inhaltsverzeichnis
Philosophische Grundlagen
Freiheit des Individuums
Das allgemeine liberale Prinzip lautet: Jeder hat die Freiheit, alles zu tun, was er will, sofern er nicht die Freiheit eines anderen verletzt. John Stuart Mill formulierte es so: "dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten."
Daraus ergeben sich, auf den Bereich der wirtschaftlichen Handlungen bezogen, die Forderungen nach
Privateigentum
Liberale betonen das Recht auf privates Eigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. Naturrechtliche Begründungen dieser Art finden sich in Ansätzen bei Hugo Grotius und Samuel Pufendorf und werden von John Locke ausformuliert: Der Einzelne besitze Eigentum an seinem Körper und folglich auch an der Arbeit seines Körpers. Er sei auch berechtigt, Dinge aus dem Naturzustand zu reißen, wenn er diese bearbeitet hat (beispielsweise den Boden, den jemand das erste Mal bearbeitet). Ist das Objekt aus dem Naturzustand gerissen, könne es dann nur noch durch Schenkung oder Tausch den Eigentümer wechseln. Zwang sei hiermit ausgeschlossen. In der Tradition dieser Begründung argumentieren beispielsweise die US-amerikanischen Gründerväter, Robert Nozick oder Ayn Rand. Weiter wird die Idee des klassischen Liberalismus - explizit ohne naturrechtliche Komponente - von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten.
Theoretische Grundlagen
Freie Marktwirtschaft
Nach liberaler Überzeugung sorgt der Markt, also die Steuerung von Art, Preis und Menge der Sach- und Dienstleistungen über Angebot und Nachfrage, für die effizienteste Allokation der Ressourcen. Adam Smith begründete dies in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen mit der Selbstorganisation des Marktes: das Zusammenwirken der Marktteilnehmer wirke wie "von einer unsichtbaren Hand geleitet",(der Mechanismus der Unsichtbare Hand wurde von Hayek erstmalig durch ein Modell eines heuristischen, evolutionären Erkenntnissystems konkretisiert). Aufgabe der Marktordnung ist es unter der Nutzung des Marktes ein Zusammenfallen des Eigennutzens mit dem Gemeinwohl zu erreichen. Diese Idee ist Ausgangspunkt von konstitutionen- & institutionen-ökonomischen Ansätzen die die Frage nach den geeigneten Regeln bzw. der staatlichen Verfasstheit nachgehen um eine möglichst gute Marktordnung zu erreichen.
Ein freier Wettbewerb stelle dabei das optimale Steuerungsinstrument der Wirtschaft dar. Staatliche Eingriffe wie Subventionen oder Schutzzölle werden als Wettbewerbshemmnisse angesehen und insbesondere sofern keine Internalisierung externaler Effekte dadurch realisiert werden, werden sie kritisch gesehen. Bzgl. technologischem Fortschritts und dem zeitlich befristeten Schutz geistigen Eigentums (Patente, Urheberrecht) wird eine Einschränkung des Wettbewerbs durch liberale Denkansätze mitgetragen. Die Thematik der Erziehungszölle wird demgegenüber von den einzelnen Denkstömungen des Wirtschaftsliberalismus uneinheitlich gesehen.
Freihandel
Der klassische Ökonom David Ricardo versuchte mit seiner Theorie der Komparativen Kostenvorteile die Vorteile des Freihandels aufzuzeigen. Der freie Handel trage zur Förderung von weltweitem Wohlstand bei.
Liberale befürworten für die Wohlfahrtsmaximierung einer Gesellschaft die arbeitsteilige Wirtschaft (Globalisierung) im Sinne des Abbaus von tarifären (Schutzzölle) und nicht-tarifären Handelshemmnissen bzw. generell dem Abbau von Kosten der Marktbenutzung (direkte & indirekte Steuern, Abgabenlast, Gebühren, Rechtsunsicherheit, ineffiziente, sechs ausufernde Regulierungen). Die Subventionierung bestimmter privilegierter Wirtschaftszweige durch den Staat hingegen führen nach liberaler Vorstellung automatisch zu einer Diskriminierung der nicht privilegierten Wirtschaftszweige, die durch zusätzliche Steuer und Abgabenlast die Privilegierung zu finanzieren haben. Die Protektionierung führt zu Allokationsverzehrungen die unmittelbar zu Netto-Wohlfahrtsverlusten führen, insbesondere im Zusammenspiel zwischen Industrienationen und Entwicklungsländer wird durch Protektionismus Armut und Perspektivlosigkeit in den wirtschaftlich schwächeren Ländern zementiert. So hätten es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer, gegenüber der hochsubventionierten europäischen Agrarwirtschaft zu konkurrieren, s. Agrardumping. Liberale werfen den Industriestaaten vor, ihre politische Macht zu Lasten der Entwicklungsländer zu missbrauchen, indem in den Marktsegmenten der Abbau aller Handelsschranken durchgesetzt wird, in denen die Entwicklungsländer nicht wettbewerbsfähig zu den Industrieländern sind während in allen Bereichen in denen die Entwicklungsländer sich zu den Industrieländern im Wettbewerb befinden und überlegen sind, massivste Handelshemmnisse auf- und ausgebaut werden. Anhänger des Liberalismus fordern, im Sinne eines fairen und gesamtwohlfahrtsförderlichen Welthandel, sämtliche Handelsschranken zu anderen Ländern abzubauen und die selektive Privilegierung einiger Produkte durch Subventionen einzuschränken. Damit könnten Entwicklungsländer besser am Wohlfahrtsgewinn durch Spezialisierung und Handel profitieren.
Privatwirtschaft
Nach liberaler Auffassung ist es nicht Aufgabe des Staates, unternehmerisch tätig zu werden. Der Vorrang von Privateigentum und privatwirtschaftlichen Regelungsformen (Vorrang des Privaten) gegenüber staatlichem Einfluss wird mitunter aus einer bestimmten Sichtweise auf die ökonomische Theorie der Verfügungsrechte abgeleitet. Demnach steige der volkswirtschaftliche Wohlstand, je mehr Eigentum sich in privater Hand befindet. Bei sozialistischen Regelungsformen komme es hingegen zwangsläufig zur sogenannten Tragik der Allmende. Nach Liberaler Auffassung dient der Staat den eine Gesellschaft bildenden Individuen. Staatliches Handeln soll sich auch aufgrund der Zwangsfinanzierung des Staates auf die Bereiche begrenzen die Nicht oder nur erheblich schlechter durch die Individuen unter Wahrung des freien Willens (Vertragsfreiheit) geregelt werden können. In diesem Zusammenhang sei auf das Konzept der Subsidarität verwiesen, welches der kleinsten zur Lösung befähigten Gruppe von Individuen die Lösungskompetenz zuspricht. In diesem Sinne fordert der Liberalismus eine klare Abgrenzung der Aufgaben und Kompetenzen von Individuum und Staat. Staatliche Allmachtsfantasien werden vom Liberalismus abgelehnt und als eine der zentralen Bedrohungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung begriffen.
Normativer Individualismus
→ Hauptartikel Normativer Individualismus
Quelle für wirtschaftspolitische Entscheidungen ist die individuelle Präferenz der Wirtschaftssubjekte. Aufgrund von Aggregationsproblemen (intersubjektive Nichtaggregierbarkeit --> Arrow-Paradoxon) individueller Präferenzen wird daher Kritik an staatlichen Wirtschaftsprogrammen geübt, wenn dieses das Pareto Prinzip verletzen, d.h. Individuen diskriminierend Nutzeneinbussen auferlegt werden. Dieses Prinzip ähnelt dem Prinzip der Volkssouveränität in der liberalen politischen Theorie.
Wirtschaftspolitische Positionen
Preisniveaustabilität
Monetaristische Geldmengenpolitik soll ein stabiles Preisniveau durch eine stabile Währung (makroökonomische Stabilität) und durch einen ausgeglichenen Staatshaushalt garantieren. Sie geht davon aus, dass der private Sektor von stabilen Rahmenbedingungen, insbesondere zwischen nominal & real Werten profitiert. Durch stabile Rahmenbedingungen lässt sich das Risiko bei Planungen und in die zukunftgerichteter Verträge reduzieren. Bei der Annahme von risikoaversem Verhalten, bedeutet dies, dass durch eine Stabilitätspolitik der Wohlstand gemehrt werden kann. Historisch zu beobachtende Instabilitäten waren häufig maßgeblich durch eine diskontinuierliche staatlichen Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik begünstigt und verstärkt worden. Aus einer regelgebundenen und transparenten Geld-, Zins- und Haushaltspolitik folge eine Straffung der Verwaltung, die Schaffung teilautonomer Einheiten und die Möglichkeit einer Auslagerung bestimmter Aufgaben auf geeignetere organisationale Einheiten im Sinne eines schlanken Managements.
Ablehnung von Prozesspolitik
Es wird gefordert, dass auch in rezessiven Phasen der Wirtschaft eine stabilitätsorientierte Politik stattfinden solle. Antizyklische geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen werden kritisch gesehen. Insbesondere wird auf die massivsten Schwierigkeiten antizyklischer Konzepte verwiesen. Insbesondere die Schwerfälligkeit staatlichen Handelns, die meist zu pro statt antizyklischen Maßnahmen führe wird genannt und zweitens auf die politische Unfähigkeit der Staaten in Boomphasen wachstumsdämpfende Entscheidungen durchzuführen wird verwiesen. Ein weiterer Aspekt der insbesondere von den Ordo-libaralen Denkansätzen thematisiert wird, beschäftigt sich damit, dass häufig der Staat selber durch sein Versagen als Marktordnungsmacht und durch vom Staat selbst verursachte Schocks, Verursacher und Verstärker der Zyklik ist somit der Natur der Sache nach als antizyklischer Akteur ungeeignet bzw. überfordert ist.
Auf Grund der Erfahrungen nach dem 2ten Weltkrieg werden Konjunkturprogramme als Strohfeuer gesehen, die langfristig durch Schuldenberge (Zins und Tilgung) und Steuererhöhungen eine Volkswirtschaft stark belasten und eher schaden als nutzen würden. Weitere Kritikpunkte des Liberalismus an Konjunkturprogrammen beziehen sich auf die Umsetzung derselben und auf die Thematik der Verlagerung der Kosten auf die nachfolgenden Generationen.
Soweit staatliche Eingriffe notwendig sind um die Funktionsfähigkeit eines Marktes zu gewährleisten sind diese Maßnahmen sofern sie inhaltlich adäquat sind durchaus durch den Wirtschaftsliberalimus gedeckt. Hierbei handelt es sich tendenziell aber in der Regel nicht um antizyklisches Handeln im Sinne der Konjunkturtheorien sondern um Maßnahmen zur Überwindung von strukturellen Defiziten, die zeitlich im Zusammenhang mit einer Krise angegangen werden und deren Existenz durch die Krise ins Bewusstsein gerückt wurde.
Wettbewerb
Monopole und Kartelle werden vom Liberalismus als Bedrohung des Markt gesehen. Es ist Aufgabe der Marktordnung diesen entgegen zu wirken. Auf lange Sicht wird von Liberalen angenommen, dass durch Innovation und Erkenntnisgewinn Machtkonzentrationen und Verzerrungen des Marktes sich abbauen lassen d. h. dass die Selbstregulierungsmechanismen des Marktes wirken. Als Beispiel sei das Automobil als Konkurrenz zur monopolistischen Bahn genannt.
Der Liberalismus kritisiert Machtkonzentration in Wirtschaft (Kartellbildung) und Staat (z. B. Totalitarismus) und wendet sich gegen gruppenegoistische (→ Politische Rente) Machtentfaltung von Lobbyisten (z. B. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände).
Deregulierung
Liberale fordern eine Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft im Sinne einer Reduzierung der Gesetze und Verordnungen, soweit sie als übertrieben bürokratisch und unnotwendig angesehen werden, weil dadurch einzelwirtschaftliche Handlungen verhindert würden. Der Liberalismus betrachtet die Folgen von Regulierungen und kritisiert negative Folgen durch die Regulierungen auf die Rechte der Individuen und auf die Wohlfahrt. Als Folge dieser Betrachtung fordert der Libaralismus geeignete, verständliche, eindeutige und klare Regulierungen und ein kritisches Hinterfragen ob ein Regulierungsbedarf tatsächlich besteht. Regulierungen werden vom Liberalismus als notwendig für das Funktionieren der Wirtschaft betrachtet zugleich werden Überregulierung, Bürokratismus und fehlerhafte Regulierungen als eine der Hauptquellen für die eingeschränkte Funktionsfähigkeit von Märkten gesehen. Als Beispiel seien die Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt angeführt.
Steuern
Gefordert werden in der Regel Steuersätze die dem Steuerzahler signifikant mehr als die Hälfte seines Einkommens nach allen direkten und indirekten Zwangsabgaben (Steuern sowie Abgaben und Lohnnebenkosten) belässt, dies bedeutet in vielen westeuropäischen Staaten die Forderung nach Senkung der Zwangsabgaben für die höchsbelasteten Personenkreise, und ein einfaches Steuersystem z. B.Proportionaltarifs oder Stufentarifs anstelle eines Systems vielfältiger Einzelbestimmungen. Indirekte Steuern werden gegenüber direkten Steuern wegen der geringeren allokationsverzerrenden Wirkung vorgezogen. Steuern auf die Substanz und Vermögen werden als Doppelbesteuerung ebenso abgelehnt wie Bagatellsteuern, bei denen die Einnahmen oft kaum höher sind als der Aufwand zu ihrer Erhebung. Insgesamt wird die Senkung von Unternehmenssteuern befürwortet, zumal damit oft sogar eine Erhöhung der staatlichen Steuereinnahmen einher ginge.
Sozialpolitik
Im Bereich der Sozialsysteme befürworten Liberale eine Synthese von privatwirtschaftlich organisierte Lösungen und staatlicher Unterstützung, anstelle der als bürokratisch angesehenen staatlichen Systeme. Als Beispiel für solcher Ansätze kann man die gesetzliche KfZ-Haftpflicht oder die Riester-Rente betrachten. Damit soll eine effizientere Verwaltung der Mittel des Bürgers erreicht werden. Das Umlageverfahren wird kritisiert, da es auf keiner soliden Basis stehe. Statt dessen wird eine private Pflichtvorsorge im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens befürwortet.
Milton Friedman hat eine negative Einkommensteuer vorgeschlagen. Danach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen, dessen Einkommen unter einem festzulegenden Minimum liegt, die Differenz ohne weitere Prüfungen überweisen. Im Konzept des Bürgergeldes werden alle steuerfinanzierten sozialen Hilfen des Staates zusammengefasst. Damit soll garantiert werden, dass jeder Bürger über ein Existenzminimum verfügt, ohne beim Staat als Bittsteller auftreten zu müssen.
Arbeit
Das Tarifrecht soll zu Gunsten betrieblicher Vereinbarungen mit Öffnungsklauseln gelockert werden. Flächentarifverträge werden nach liberaler Auffassung der individuellen Situation der Unternehmen nicht gerecht.
Das Arbeitsrecht soll entbürokratisiert werden. Im Zentrum der Kritik der Liberalen stehen dabei besonders die hohen Kosten für die Unternehmen durch den Kündigungsschutz, da er die Unternehmen von der Schaffung von Arbeitsplätzen abhalte, sowie das Arbeitszeitgesetz und die betriebliche Mitbestimmung.
Richtungen
Wichtige Strömungen und Schulen des wirtschaftlichen Liberalismus:
- Klassischer Liberalismus
- Manchesterliberalismus
- Neoliberalismus
- Ordoliberalismus
- Österreichische Schule mit Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek
- Libertarismus
- Chicagoer Schule mit Milton Friedman
Literatur
- Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen
- Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit, Eichborn, Frankfurt/M. 2002, ISBN 3-8218-3960-0
- Friedrich Hayek: Die Verfassung der Freiheit, Mohr, Tübingen, 1991, ISBN 3-16-145844-3
- Friedrich Hayek: Der Weg zur Knechtschaft, Olzog, München 2003, ISBN 3-7892-8118-2
- Christoph Keese: Rettet den Kapitalismus, Hoffmann & Campe, Hamburg 2004, ISBN 3-455-09423-6
- Margarita Mathiopoulos: Die geschlossene Gesellschaft und ihre Freunde, Hoffmann & Campe, Hamburg 1997, ISBN 3-455-11071-1
- Ludwig von Mises: Liberalismus, 1927, ISBN 3883454281
- Ludwig von Mises: Die Bürokratie, 1944, ISBN 3-8966-5316-4
- Claus Noppeney: Zwischen Chicago-Schule und Ordoliberalismus, Haupt, Bern 1998, ISBN 3-258-05836-9
- Johan Norberg: Das Kapitalistische Manifest, Eichborn, Frankfurt/M. 2003, ISBN 3-8218-3994-5
- Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand, Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-41003-1
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