Wirtschaftsliberalismus

Wirtschaftsliberalismus

Wirtschaftsliberalismus ist eine ökonomische Ausprägung des Liberalismus. Basis des Wirtschaftsliberalismus ist das Buch Der Wohlstand der Nationen von Adam Smith, der die Einbettung des wirtschaftlichen Eigennutzes in die gesellschaftliche, sittliche und staatliche Ordnung als notwendig erachtete. Die Utopie des Wirtschaftsliberalismus war eine Wirtschaft, die sich ohne staatliche Einmischung über den Markt selbst steuert.[1] Laut Ewald Nowotny handelt es sich um eine liberale Denkrichtung, in deren Mittelpunkt das Konzept der spontanen Ordnung steht, nach dem die unsichtbare Hand des Marktes die Interessen der Individuen und der Gesellschaft in Einklang bringt. Die spontane Ordnung entsteht durch menschliches Handeln, aber nicht nach menschlicher Planung.[2] Dem Wirtschaftsliberalismus liegt der negative Freiheitsbegriff zugrunde, dass Freiheit die Abwesenheit von staatlicher Einschränkung ist. Damit unterscheidet er sich vom politischen Liberalismus, der Freiheit als Möglichkeit zu einem menschenwürdigen Leben versteht (positiver Freiheitsbegriff).[3]

Inhaltsverzeichnis

Philosophische Grundlagen

John Stuart Mill

Freiheit des Individuums

Das allgemeine liberale Prinzip lautet: Jeder hat die Freiheit, alles zu tun, was er will, sofern er nicht die Freiheit eines anderen verletzt. John Stuart Mill formulierte es so: "dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten."

Daraus ergeben sich, auf den Bereich der wirtschaftlichen Handlungen bezogen, die Forderungen nach

John Locke

Privateigentum

Liberale betonen das Recht auf privates Eigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. Naturrechtliche Begründungen dieser Art finden sich in Ansätzen bei Hugo Grotius und Samuel Pufendorf und werden von John Locke ausformuliert: Der Einzelne besitze Eigentum an seinem Körper und folglich auch an der Arbeit seines Körpers. Er sei auch berechtigt, Dinge aus dem Naturzustand zu reißen, wenn er diese bearbeitet hat (beispielsweise den Boden, den jemand das erste Mal bearbeitet). Ist das Objekt aus dem Naturzustand gerissen, könne es dann nur noch durch Schenkung oder Tausch den Eigentümer wechseln. Zwang sei hiermit ausgeschlossen. In der Tradition dieser Begründung argumentieren beispielsweise die US-amerikanischen Gründerväter, Robert Nozick oder Ayn Rand. Weiter wird die Idee des klassischen Liberalismus - explizit ohne naturrechtliche Komponente - von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten.

Theoretische Grundlagen

Adam Smith

Freie Marktwirtschaft

Nach wirtschaftsliberaler Überzeugung sorgt der Markt, also die Steuerung von Art, Preis und Menge der Sach- und Dienstleistungen über Angebot und Nachfrage, für die effizienteste Allokation der Ressourcen. Bekannt wurde in dem Zusammenhang der Ausdruck der "unsichtbaren Hand" von Adam Smith in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen (Kapitel 4). Mit dem Ausdruck beschrieb er, dass wenn ein Unternehmer aus Eigeninteresse die Produktivität erhöhe, er somit (wie von "unsichtbarer Hand") auch der Gesellschaft helfe, obwohl er nur den Eigennutz anstrebt. Der Mechanismus der "unsichtbaren Hand" wurde von Hayek erstmalig durch ein Modell eines heuristischen, evolutionären Erkenntnissystems konkretisiert. Aufgabe der Marktordnung ist es unter der Nutzung des Marktes ein Zusammenfallen des Eigennutzens mit dem Gemeinwohl zu erreichen. Diese Idee ist Ausgangspunkt von konstitutionen- & institutionen-ökonomischen Ansätzen die die Frage nach den geeigneten Regeln bzw. der staatlichen Verfasstheit nachgehen um eine möglichst gute Marktordnung zu erreichen.

Das nach Jean Baptiste Say benannte Saysche Theorem besagt, dass sich ohne staatlichen Eingriff stets ein Marktgleichgewicht einstellt und bildet eine Theoriegrundlage des Wirtschaftsliberalismus für das Verhalten auf dem Markt. Ein freier Wettbewerb stelle deswegen das optimale Steuerungsinstrument der Wirtschaft dar. Staatliche Eingriffe wie Subventionen oder Schutzzölle werden als Wettbewerbshemmnisse angesehen und insbesondere sofern keine Internalisierung externaler Effekte dadurch realisiert werden, werden sie kritisch gesehen. Bzgl. technologischem Fortschritts und dem zeitlich befristeten Schutz geistigen Eigentums (Patente, Urheberrecht) wird eine Einschränkung des Wettbewerbs durch liberale Denkansätze mitgetragen. Die Thematik der Erziehungszölle wird demgegenüber von den einzelnen Denkstömungen des Wirtschaftsliberalismus uneinheitlich gesehen.

David Ricardo

Freihandel

Adam Smith entwickelte im 18. Jhd. die Theorie der Absoluten Kostenvorteile, wonach bei unterschiedlichen Produktivitäten die Länder vom Handel untereinander profitieren. Historisch wandte sich Smith mit dieser Ansicht gegen den Merkantilismus, in dem staatliche Außenhandelssteuerung dazu diente die Politik absolutistisch regierter Staaten zu stützen. Der klassische Ökonom David Ricardo versuchte mit seiner Theorie der Komparativen Kostenvorteile die Vorteile des Freihandels für alle Länder aufzuzeigen. Der freie Handel trage zur Förderung von weltweitem Wohlstand bei.

Wirtschaftsliberale befürworten für die Wohlfahrtsmaximierung einer Gesellschaft die arbeitsteilige Wirtschaft (Globalisierung) im Sinne des Abbaus von tarifären (Schutzzölle) und nicht-tarifären Handelshemmnissen bzw. generell dem Abbau von Kosten der Marktbenutzung (direkte & indirekte Steuern, Abgabenlast, Gebühren, Rechtsunsicherheit, ineffiziente, sechs ausufernde Regulierungen). Die Subventionierung bestimmter privilegierter Wirtschaftszweige durch den Staat hingegen führen nach liberaler Vorstellung automatisch zu einer Diskriminierung der nicht privilegierten Wirtschaftszweige, die durch zusätzliche Steuer und Abgabenlast die Privilegierung zu finanzieren haben. Die Protektionierung führt zu Allokationsverzerrungen die unmittelbar zu Netto-Wohlfahrtsverlusten führen, insbesondere im Zusammenspiel zwischen Industrienationen und Entwicklungsländer wird durch Protektionismus Armut und Perspektivlosigkeit in den wirtschaftlich schwächeren Ländern zementiert. So hätten es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer, gegenüber der hochsubventionierten europäischen Agrarwirtschaft zu konkurrieren, s. Agrardumping. Liberale werfen den Industriestaaten vor, ihre politische Macht zu Lasten der Entwicklungsländer zu missbrauchen, indem in den Marktsegmenten der Abbau aller Handelsschranken durchgesetzt wird, in denen die Entwicklungsländer nicht wettbewerbsfähig zu den Industrieländern sind während in allen Bereichen in denen die Entwicklungsländer sich zu den Industrieländern im Wettbewerb befinden und überlegen sind, massivste Handelshemmnisse auf- und ausgebaut werden. Anhänger des Liberalismus fordern, im Sinne eines fairen und gesamtwohlfahrtsförderlichen Welthandel, sämtliche Handelsschranken zu anderen Ländern abzubauen und die selektive Privilegierung einiger Produkte durch Subventionen einzuschränken. Damit könnten Entwicklungsländer besser am Wohlfahrtsgewinn durch Spezialisierung und Handel profitieren.

Privatwirtschaft

Nach wirtschaftsliberaler Auffassung ist es nicht Aufgabe des Staates, unternehmerisch tätig zu werden. Der Vorrang von Privateigentum und privatwirtschaftlichen Regelungsformen gegenüber staatlichem Einfluss wird mitunter aus einer bestimmten Sichtweise auf die ökonomische Theorie der Verfügungsrechte abgeleitet. Demnach steige der volkswirtschaftliche Wohlstand, je mehr Eigentum sich in privater Hand befindet. Bei sozialistischen Regelungsformen komme es hingegen zwangsläufig zur sogenannten Tragik der Allmende.

Normativer Individualismus

Hauptartikel Normativer Individualismus

Richtungen

Wichtige Strömungen und Schulen des wirtschaftlichen Liberalismus:

Auch der Begriff Soziale Marktwirtschaft ist, wie Ordo- und Neoliberalismus, einzuordnen in das Bestreben einer Erneuerung des Wirtschaftsliberalismus, entsprechend der Erfahrungen der Vergangenheit. Gemäß Reinhard Blum gebührt Alfred Müller-Armack das Verdienst, „der Wortkombination Soziale Marktwirtschaft als Leitbild einen neuen Wirtschaftsliberalismus zum Durchbruch verholfen zu haben“. [4] Müller-Armack entwarf nach 1945 die Idee der Sozialen Marktwirtschaft als einen in soziale Bindungen eingebetteten Wirtschaftsliberalismus.[5]

Neoliberale Kritik am „Versagen des Wirtschaftsliberalismus“

Alexander Rüstow führte in seinem Werk Das Versagen der Wirtschaftsliberalismus als religionsgeschichtliches Problem (1945) den weltanschaulichen Hintergrund des klassischen Liberalismus und insbesondere die Vorstellung von der unsichtbaren Hand auf eine psodeureligiöse „stoische Theologie des allgemeinen Harmonieglaubens“ zurück. Diese Überzeugung habe die Grundhaltung des laissez-faire hervorgerufen, nach der im Vertrauen auf eine mit der Schöpfung gesetzte prästabilisierte Harmonie die Welt ihrem freien Lauf überlassen werden sollte. Dieses Dogma hielt Rüstow für den entscheidenden Grund, warum der Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts auch angesichts offenkundiger Fehlentwicklungen nicht bereit war, Gegenmaßnahmen einzuleiten.[6] Nach Ansicht von Hans Willgerodt ging es Rüstow nicht darum, den Wirtschaftsliberalismus zu ersetzen, sondern „ihn von Monopolismus, Megalomanie, Gruppenanarchie und Proletarisierung zu befreien“. Rüstow hätte dabei allerdings Smiths Ansichten überspitzt dargestellt und sich nur auf dessen Äußerungen bezogen, in denen dieser eine Selbststeuerung über den Markt für sinnvoll erachtet, nicht jedoch auf dessen zahllose Hinweise auf Unvollkommenheiten des Marktes.[7] Neben Rüstow kritisierten auch Wilhelm Röpke und Walter Eucken die „ökonomistische Verengung“ des Wirtschaftsliberalismus (im Sinne von libertären Minimalstaatskonzeptionen). [8] Rüstow bemühte sich seit 1931 um den Aufbau eines Sammelbeckens für alle, die eine „irgendwie wirtschaftsliberale Einstellung vertreten“. Während der Zeit des Nationalsozialismus gelang es Eucken, der sich selbst als „wirtschaftspolitisch Liberalen“ bezeichnete, in Freiburg ein Zentrum wirtschaftsliberalen Denkens zu erhalten. [9]

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Wirtschaftsliberalismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Willi Albers: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft. Band 9 . Vandenhoeck & Ruprecht, 1982, ISBN 3525102607, S. 150
  2. Ewald Nowotny, Globalisierung und Liberalismus - Zurück in 19. Jahrhundert? in: Von der Theorie zur Wirtschaftspolitik - ein österreichischer Weg, Festschrift zum 65. Geburtstag von Erich W. Streissler, Lucius&Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 1998, ISBN 3-8282-0084-2, Seite 210
  3. Ewald Nowotny, Globalisierung und Liberalismus - Zurück in 19. Jahrhundert? in: Von der Theorie zur Wirtschaftspolitik - ein österreichischer Weg, Festschrift zum 65. Geburtstag von Erich W. Streissler, Lucius&Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 1998, ISBN 3-8282-0084-2, Seite 208
  4. Albers S.154
  5. Hannes Leidinger, Kapitalismus, UTB, Stuttgart, 1. Auflage, 2008, ISBN 978-3825230197, Seite 108
  6. Jähnichen Traugott, Wirtschaftsethik, W Kollhammer GmbH, Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-17-018291-2, Seite 131
  7. Hans Willgerodt: Der Neoliberalismus - Entstehung, Kampfbegriff und Meinungsstreit. in Ordo: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Band 57, Lucius & Lucius DE, 2006, ISBN 3828203272, S.71
  8. Andreas Renner: Die zwei Neoliberalismen, in: Ingo Pies, Martin Leschke, Walter Euckens Ordnungspolitik, Mohr Siebeck, 2002, ISBN 3-16-147919-X, S. 176
  9. Lüder Gerken: Walter Eucken und sein Werk: Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft. Band 41 von Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Mohr Siebeck, 2000, ISBN 3161475038, s.76

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