Wladimir Tarassow

Wladimir Tarassow
Wladimir Tarassow

Wladimir Petrowitsch Tarassow, auch Vladimir Tarasov (russisch Владимир Петрович Тарасов; * 29. Juni 1947 in Archangelsk) ist ein russischer Schlagzeuger des Avantgarde Jazz, Komponist sowie Bildender Künstler. Er zählte als Mitglied des ersten Ganelin Trio zu den markantesten Vertretern der russischen und litauischen Jazzszene der 1970er und 1980er Jahre.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Tarassow wurde in der nordrussischen Hafenstadt Archangelsk geboren und arbeitete als Musiker in verschiedenen russischen Städten, bevor er nach Vilnius kam, wo er mit dem Pianisten Wjatscheslaw Ganelin erstmals in der Mitte der sechziger Jahre zusammentraf und in einem Orchester arbeitete. Nach vorübergehenden Aufenthalten zog er 1971 endgültig in die litauische Hauptstadt, um die Zusammenarbeit mit Ganelin zu intensivieren; nach 1971 mündete sie durch den Eintritt des Saxophonisten Wladimir Tschekassin in der Gründung des Ganelin Trios, das - mit der Gruppe Archangelsk von Wladimir Resizkis und Sergei Kurjochins Band Pop Mechanics- zu den Aufsehen erregendsten Avantgarde-Jazz-Formationen der späten Sowjet-Ära zählen sollte. Die Zusammenarbeit im Ganelin Trio, die bis 1987 andauern sollte, als Ganelin nach Israel emigrierte, ist auf zahlreichen Alben des Londoner Labels Leo Records dokumentiert. Mit Ganelin nahm er 1982 auch ein Duo-Album ("Pous a2") auf; 1984 entstand das Soloalbum ""Atto". Im Frühjahr 1986 unternahm der Schlagzeuger gemeinsam mit Hannes Zerbe und Bernd Konrad eine Tournee durch die DDR.

Wladimir Tarassow spielte zunächst lange Jahre im Staatlichen Sinfonieorchester der Republik Litauen als Schlagzeuger; das war sein Brotberuf. Im Ganelin Trio spielten sie etwa drei bis vier Mal im Monat.[1]. Als Mitglied einer sowjetischen Delegation besuchte er Ghana und spielte mit dortigen Musikern. Er wirkte auch bei Aufnahmen von Alfred Harth, Andrew Cyrille, Keshavan Maslak sowie Wolfgang Muthspiels Album mit osteuropäischen Musikern ("Indirect View of Beauty", 1992) mit. Im Trio mit Lauren Newton und Patrick Scheyder spielte er das Livealbum Artesian Spirits - live in Borjomi ein. Gemeinsam mit Wladimir Volkow begleitete er die Sängerin Sainkho Namtchylak (Aura, 1999). 2005 arbeitete er gemeinsam mit Anthony Braxton und György Szabados (Triotone).

Tarassow komponierte auch Musik für Orchester sowie Film- und Theatermusiken, wie für das Staatstheater Stuttgart 1995, das Majestic Theater in der Brooklyn Academy of Music, New York 1995; das Josef Nadj Centre Choreographique National Orleans, Orleans 1998 und 2004 sowie für das Theatre Vidy-Lausanne, Meierhold Zentrum in Moskau 2003. Bert Noglik zufolge strahlt er auf der Bühne „eher etwas von der Überlegenheit eines Philosophen aus“.

Seit 1991 arbeitet Tarassow auch als Bildender Künstler im Bereich visual arts und wirkte dabei mit Künstlern wie Ilya Kabakov, Sarah Flohr und anderen zusammen. In Einzel- und Gruppenausstellungen waren seine Arbeiten u.a in der Kunsthalle Düsseldorf 1991; der Biennale in Venedig 1993; dem Museum of Contemporary Art, Chicago 1993; dem Centre Georges Pompidou, Paris 1995 sowie in der Tretjakow-Galerie in Moskau und dem Eremitage-Museum in St. Petersburg 2004 zu sehen.

Ausgewählte diskographische Hinweise

  • Ganelin Trio: Catalogue: Live in East Germany (Leo1979 - LR 102)
  • Ganelin Trio: Ancora da Capo (Leo 1980 - LR 108)

Einzelnachweise

  1. Nach B. Noglik Jazzwerkstatt

Literatur

  • Richard Cook & Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz on CD, 6th Edition, London, Penguin, 2002 ISBN 0-14-017949-6.
  • Bert Noglik: Wjatscheslaw Ganelin/Wladimir Tschekassin/Wladimir Tarassow. In: Derselbe, Jazzwerkstatt international, Berlin (DDR) 1981, S. 29-46
  • Bert Noglik: Vladimir Tarasov. Artikel in Martin Kunzler: Jazzlexikon. Reinbek, Rowohlt, 1988
  • Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley: „Jazz Rough Guide“, Stuttgart, Metzler 2004 ISBN 3-476-01892-X (2. Auflage).
  • S. Frederick Starr: Red and Hot. Jazz in Rußland 1917-1990. Wien, Hannibal Verlag, 1990
  • S. Frederick Starr: Jazz in der UdSSR. In: That's Jazz - Der Sound des 20. Jahrhunderts (Ausstellungskatalog), Darmstadt, 1988

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wladimir Petrowitsch Tarassow — Wladimir Tarassow Wladimir Petrowitsch Tarassow, auch Vladimir Tarasov (russisch Владимир Петрович Тарасов; * 29. Juni 1947 in Archangelsk) ist ein russischer Schlagzeuger des Avantgarde Jazz, Komponist sowi …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Resizki — Wladimir Petrowitsch Resizki oder auch Vladimir Rezitsky (russisch Владимир Петрович Резицкий; * 1944 in Archangelsk; † 24. Mai 2001 ebenda) war ein russischer Altsaxophonist, Bandleader und Komponist des Avantgarde Jazz. Er zählte mit seiner… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Rezitsky — Wladimir Petrowitsch Resizki oder auch Vladimir Rezitsky (russisch Владимир Петрович Резицкий; * 1944 in Archangelsk; † 24. Mai 2001 ebenda) war ein russischer Altsaxophonist, Bandleader und Komponist des Avantgarde Jazz. Er zählte mit seiner… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Tschekassin — Wladimir Nikolajewitsch Tschekassin, auch Vladimir Chekasin (russisch Владимир Николаевич Чекасин; * 24. Februar 1947 in Swerdlowsk) ist ein russischer Saxophonist, Bandleader und Komponist des Avantgarde Jazz. Er zählte als Mitglied des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Petrowitsch Resizki — oder auch Vladimir Rezitsky (russisch Владимир Петрович Резицкий; * 1944 in Archangelsk; † 24. Mai 2001 ebenda) war ein russischer Altsaxophonist, Bandleader und Komponist des Avantgarde Jazz. Er zählte mit seiner Gruppe Archangelsk zu den… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Nikolajewitsch Tschekassin — Wladimir Nikolajewitsch Tschekassin, auch Vladimir Chekasin (russisch Владимир Николаевич Чекасин; * 24. Februar 1947 in Swerdlowsk) ist ein russischer Saxophonist, Bandleader und Komponist des Avantgarde Jazz. Er zählte als Mitglied des… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Melanin — Wladimir Michailowitsch Melanin (russisch Владимир Михайлович Меланьин; * 1. Dezember 1933; † 10. August 1994) war ein russischer Biathlet. 1964 wurde der für die Sowjetunion startende Melanin bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck… …   Deutsch Wikipedia

  • Tarassow — oder Tarasov ist der Familienname folgender Personen: Anatoli Wladimirowitsch Tarassow (1918–1995), sowjetischer Eishockeyspieler Dmitri Jewgenjewitsch Tarassow (* 1979), russischer Eishockeyspieler Gennadi Pawlowitsch Tarassow (* 1947), Diplomat …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Michailowitsch Melanin — (russisch Владимир Михайлович Меланьин; * 1. Dezember 1933; † 10. August 1994) war ein russischer Biathlet. 1964 wurde der für die Sowjetunion startende Melanin bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck Olympiasieger über die 20… …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Kischkun — (* 5. November 1951 in Leningrad, heute Sankt Petersburg) ist ein ehemaliger russischer Leichtathlet, der für die Sowjetunion antrat. Bei einer Körpergröße von 1,87 m betrug sein Wettkampfgewicht 77 kg. 1974, 1975 und 1977 gewann Kischkun den… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”