- Wunder von Cordoba
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Als Córdoba 1978 (in Österreich nur Córdoba oder auch Wunder von Córdoba, in Deutschland Schmach von Córdoba) wird das Fußballländerspiel bezeichnet, das am 21. Juni 1978 im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Córdoba, Argentinien, ausgetragen wurde. Im letzten Spiel der Zwischenrunde unterlag die deutsche Fußballnationalmannschaft als amtierender Weltmeister der österreichischen Nationalmannschaft mit 2:3. Beide Mannschaften schieden aus dem Turnier aus.
Inhaltsverzeichnis
Voraussetzungen
Bei der Fußball-WM 1978 wurde zunächst in vier Vorrundengruppen mit jeweils vier Nationalmannschaften gespielt, in der jeder gegen jeden spielte. Die beiden jeweiligen Gruppenbesten zogen in die zweite Finalrunde ein, in der erneut Gruppenspiele bestritten wurden. Es gab nun noch zwei Gruppen mit wiederum jeweils vier Mannschaften. Die beiden Gruppensieger bestritten das Finale, die Gruppenzweiten das Spiel um den dritten Platz.
Die deutsche Mannschaft stand in der zweiten Finalrunde nach einem 0:0 gegen Italien und einem 2:2 gegen die Niederlande vor dem letzten Spiel gegen Österreich mit 2:2 Punkten und ebenso ausgelichenem Torverhältnis auf Platz drei. Österreich hatte zweimal verloren, gegen die Niederlande mit 1:5 und gegen Italien 0:1, es bestand somit keinerlei Chance auf ein Weiterkommen mehr.
Italien und die Niederlande mit je 3:1 Punkten spielten somit de facto um den Einzug ins Endspiel. Bei einem Unentschieden dieser Mannschaften hätte Deutschland jedoch mit einem deutlichen Sieg (fünf Tore Differenz, um das gute Torverhältnis der Niederländer zu übertreffen) gegen Österreich noch den Gruppensieg erringen können. Wenn kein Unentschieden zustande käme, hätte Deutschland immerhin noch gute Chancen, wie schon 1934, 1958 und 1970 um den dritten Platz spielen zu können. Ein deutscher Sieg hätte dies auf jeden Fall ermöglicht, und selbst ein drittes Unentschieden hätte reichen können.
Stimmungen im Vorfeld
Für die österreichische Mannschaft ging es nur noch "um die Ehre", selbst im Falle eines deutlichen Sieges gegen Deutschland wäre man nur Gruppendritter. Ein Sieg über Weltmeister Deutschland hätte somit für die österreichische Mannschaft vor allem eine psychologische Wirkung in Bezug auf die Rivalität der Nachbarländer. Es wäre auch eine späte Revanche für die 1:6-Niederlage im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 und der erste Fußballländerspielsieg gegen Deutschland seit über 40 Jahren, denn in vielen Statistiken findet sich als letzter Sieg, den Österreich zuvor gegen Deutschland erreichen konnte, das 5:0 bei einem Freundschaftsspiel am 13. September 1931. Tatsächlich fand aber am 3. April 1938 nach dem Anschluss während des Nationalsozialismus das sogenannte „Anschlussspiel“ „Ostmark“ gegen „Altreich“ statt, bei dem die vor der Auflösung stehende Mannschaft der Österreicher 2:0 siegte.
Für den damaligen deutschen Bundestrainer Helmut Schön stand fest, dass dieses Spiel sein letztes sein würde. Bereits im Vorfeld bescheinigte er seiner titelverteidigenden Mannschaft, „kein WM-Format“ zu haben, und kündigte an, nach der WM zurücktreten zu wollen.
In den deutschen Medien gab es wenig Zweifel an einem Erfolg der DFB-Auswahl, diskutiert wurde lediglich, ob auch der für einen Finaleinzug notwendige Kantersieg möglich sei. Selbst der eigentlich als Berater der Österreicher nach Argentinien mitgereiste Trainer Max Merkel vertrat die Ansicht, bei einem schnellen deutschen Führungstor könne „alles passieren“. Auch mehrere deutsche Spieler prophezeiten in Zeitungsinterviews einen klaren Sieg, was den Kampfgeist der Österreicher zusätzlich anfachte. Auch der Aspekt der Schadenfreude lässt sich nicht von der Hand weisen - anstatt dem ebenfalls deutschsprachigen Nachbarn und Weltmeister in einer Art Freundschaftsspiel einen Weiterkommen zu gönnen bzw. zu ermöglichen, so trat eher eine Einstellung zu Tage, die durch das Fußballerzitat von Rolf Rüssmann beschrieben wird: "Wenn wir nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt."
Spiel
Rummenigge erzielte in der 19. Minute den erwünschten frühen Führungstreffer für Deutschland. Im zeitgleich stattfindenden Spiel in Buenos Aires stand es bis zur 75. Minute 1:1, während Deutschland bis zur 59. Minute mit 1:0 zwar in Führung lag, dennoch weit von dem für einen Gruppensieg notwendigen Kantersieg entfernt war. Binnen weniger Minuten fiel man durch Eigentor von Vogts sowie einen Treffer von Krankl jedoch mit 1:2 zurück. Hölzenbein konnte in der 72. nochmal den 2:2-Gleichstand herstellen, ehe Arie Haan den niederländischen Siegtreffer zum 2:1 im Parallelspiel erzielte. Ein weiterer niederländischer Treffer hätte Italien nun zugunsten der DFB-Elf den Einzug in das kleine Finale gekostet; da diese jedoch durch das 3:2 der Österreicher von Krankl ihr Spiel verlor, hätte auch ein höherer Sieg der Niederlande nichts am zweiten Gruppenplatz Italiens geändert.
Gruppenbester und Finalist war somit die Mannschaft aus den Niederlanden, Zweiter und kleiner Finalist Italien. Deutschland wurde Dritter aufgrund des weniger schlechten Torverhältnisses als Österreich, schied aber ebenso aus wie der Gruppenletzte Österreich.
Nachwirkungen
Da das Ausscheiden vorab fest stand, hatten die Österreicher schon den Heimflug nach Europa gebucht, die deutsche Mannschaft flog kurzentschlossen im selben Flugzeug mit. Das Spiel selbst hinterließ im persönlichen Verhältnis der beteiligten Spieler – abgesehen von kleineren Sticheleien – keine Animositäten.
In Deutschland wurde auf die unerwartete Niederlage („Schmach“) mit einer Mischung aus Unglauben, Enttäuschung und Entsetzen reagiert, und nicht zuletzt mit Verbitterung über die Nachbarn, die sich nur als Spielverderber profilieren konnten.
In Österreich galt der Sieg bald als einer der größten mannschaftssportlichen Erfolge der letzten Jahrzehnte („Wunder“), vergleichbar höchstens mit den kaum vergleichbaren da individuellen Triumphen der Skifahrer Toni Sailer und Franz Klammer. Die beteiligten österreichischen Nationalspieler werden in Österreich als „Helden von Córdoba“ bezeichnet - obwohl man eine Woche zuvor ebenfalls in Córdoba gegen den alten und neuen Vizeweltmeister Niederlande wenig heldenhaft mit 1:5 verloren hatte.
Nachspiel 1982
Vier Jahre später trafen die Mannschaften in der WM-Qualifikation 1981/82 erneut aufeinander, und während der Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien selber, am Ende der Vorrunde. Deutschland hatte das Auftaktspiel gegen Algerien verloren, aber dennoch hatten beide Teams noch die Chance, weiterzukommen, da das einen Tag vorher angesetzte Spiel der Algerier gegen die sieglosen Chilenen schon beendet war. Schon nach 11 Minuten war mit dem 1:0 für Deutschland ein Spielstand erreicht, der beiden das Weiterkommen ermöglichte. Keine Elf zeigte fortan Interesse, das eigene Ausscheiden zu riskieren, nur um den direkten Gegner aus dem Turnier zu werfen. Im „Nichtangriffspakt von Gijón“ spielten beide Teams von diesem Zeitpunkt an ohne jegliche Angriffslust ein rein defensives Spiel, das für die unbeteiligte algerische Mannschaft trotz zweier Siege das WM-Aus bedeutete.
Edi Finger: „I wer’ narrisch“
Für die Nachwelt erhalten blieb dieses Fußballspiel insbesondere aufgrund der spektakulären Radio-Übertragung des Österreichischen Rundfunks durch ihren Reporter Edi Finger sen.
- „Und jetzt kann Sara sich noch einen aussichtslos scheinenden Ball einholen, Pass nach links herüber, es gibt Beifall für ihn, da kommt Krankl, vorbei diesmal an seinem (…) Bewacher, ist im Strafraum – Schuss … Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer' narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals; der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch – wir busseln uns ab. 3:2 für Österreich durch ein großartiges Tor unseres Krankl. Er hat olles überspielt, meine Damen und Herren. Und warten S' noch a bisserl, warten S' no a bisserl; dann können wir uns vielleicht ein Vierterl genehmigen. Also das, das musst miterlebt haben. Jetz bin i aufgstanden, alle Südamerikaner mit ihren Toros(?). I glaub jetzt hammas gschlagn! Angriff aber der Deutschen, aufpassen, wieder Kopfabwehr. Das Leder kommt hinüber nach links zu Pezzey - Pezzey, aber Burschen jetzt follts net um hinten, bleibts aufrecht stehn. Noch zwei Minuten, das Leder wieder bei Österreich, noch wolln ma nichts verschreien. Jetzt kommt die Flanke in unsern Strafraum und da Kreuz hot scho wieder abgewehrt!
- Die Deutschen ham alles nach vorn beordert. Eine Möglichkeit der Deutschen! Und!? Daneeeeben! Also der Abraaaamczik – obbusseln möcht' i den Abramczik dafür. Jetzt hat er uns g'hooolfn. 'llein vor dem Tor stehend. Der braaave Abramczik hot daneben gschossn. Der Orme wird si' ärgern. Noch 30 Sekunden. 3:2 für Österreich. Nach 47 Jahren meine Damen und Herren liegt eine österreichische Nationalmannschaft, aber wos für ane, eine Weltklassemannschaft, die da heute spielt, gegen die Bundesrepublik mit 3:2 in Führung. Und jetzt trau i mi scho gar net mehr hinschauen. Aussigschossen ins Out. Schiedsrichter Klein aus Israel, ein ganz hervorragender Schiedsrichter, er hat es nicht leicht heut ghabt, aber hat bis jetzt klass gepfiffen. 45. Minute, noch einmal Deutschland am Ball und Prohaska haut den Ball ins Out.
- Und jetzt ist auuus! Ende! Schluss! Vorbei! Aus! Deutschland geschlagen, meine Damen und Herren, nach 47 Jahren kann Österreich zum ersten Mal wieder Deutschland besiegen!“
Spieldaten
Österreich BR Deutschland 3. Spieltag (Zweite Runde)
Mittwoch, 21. Juni 1978, 17:45 Uhr MEZ, Córdoba (Argentinien)
Schiedsrichter: Abraham Klein (Israel) – Assistenten: Antonio José da Silva Garrido (Portugal), Alojz Jarguz (Polen)
Friedrich Koncilia – Robert Sara , Bruno Pezzey, Erich Obermayer, Heinrich Strasser – Josef Hickersberger, Eduard Krieger, Herbert Prohaska, Wilhelm Kreuz – Hans Krankl, Walter Schachner (71. Franz Oberacher)
Trainer: Helmut SenekowitschSepp Maier – Berti Vogts , Rolf Rüssmann, Bernard Dietz, Manfred Kaltz – Rainer Bonhof, Erich Beer (46. Hansi Müller), Karl-Heinz Rummenigge, Rüdiger Abramczik – Bernd Hölzenbein, Dieter Müller (61. Klaus Fischer)
Trainer: Helmut Schön
1:1 Berti Vogts (59., Eigentor)
2:1 Hans Krankl (66.)
3:2 Hans Krankl (88.)0:1 Karl-Heinz Rummenigge (19.)
2:2 Bernd Hölzenbein (68.)Herbert Prohaska, Robert Sara Rüdiger Abramczik Darstellung in der Kunst
Am 16. Mai 2008, genau einen Monat vor dem EM-Gruppenspiel Österreich-Deutschland, inszenierte der Performancekünstler Massimo Furlan im Gerhard-Hanappi-Stadion im Wiener Stadtteil Hütteldorf das Wunder von Cordoba. Bei dieser 90-minütigen Performance im Rahmen der Wiener Festwochen ahmte er vor 3.000 Zuschauern die Laufwege und Gesten Hans Krankls während des Spiels von 1978 nach, begleitet vom Original-Reportageton.[1]
Literatur und Hörspiele
- Michael Wassermair, Lukas Wieselberg: 3:2 Österreich–Deutschland. 20 Jahre Córdoba. Döcker, Wien 1998, ISBN 3-85115-260-3
- Ror Wolf: Cordoba Juni 13:45 Uhr. Regie: Ror Wolf; Produktion: Hessischer Rundfunk, 1979. (wh. am 7. Juni 2008 in Ö1)[2]
Weblinks
- Cordoba 1978 – Österreichische Fanseite
- Österreich: Deutschland!: Zwei Ausschnitte aus der berühmten Reportage von Edi Finger.
Quellen
- ↑ Jochen Hieber: Cordoba-Inszenierung. Und wieder wurden sie narrisch. In: faz.net, 19. Mai 2008.
- ↑ Ö1 – Die Hörspiel-Galerie: Cordoba Juni 13:45 Uhr.
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