Wurmbunt

Wurmbunt
Spatha ca. 175 n. Chr. Ein Darsteller trägt die nachgestellte Ausrüstung eines in Germanien stationierten Legionärs dieser Zeit.

Eine Spatha (Mz. Spathae) bezeichnet ein zweischneidiges, vorwiegend zum Hieb konzipiertes, einhändig geführtes Langschwert mit gerader Klinge. Diese Schwertform existierte etwa vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 12. Jahrhundert n. Chr. Es ist somit eines der längstlebigen Waffenkonzepte der Weltgeschichte. Auch die volkstümlich so genannten "Wikingerschwerter" fallen in diese Gattung, da sie alle oben genannten Bedingungen erfüllen. Die Form des Gefäßes (Griffes) ist dagegen nicht Bestandteil der Spatha-Definition.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Um 100 n. Chr. beschreibt der römische Autor Tacitus das zweischneidige, vorwiegend von der Kavallerie verwendete Schwert der Germanen und nennt es ausdrücklich Spatha. Aus dem Griechischen entlehnt, bezeichnet spathe im Lateinischen ein längliches Gerät zum Umrühren von Arzneien. In Pharmazie und Chemie wird ein solches Gerät heute als Spatel bezeichnet.
Der Name lebt bis heute in romanischen Sprachen als Wort für Schwert fort, z. B. span. espada, ital. spada oder frz. épée. Im albanischem bedeutet Spatha/Spathë in genauer Übersetzung Schwert.

Ursprung und Verbreitung

Ihren Ursprung hat die Spatha als Reiterschwert der Kelten, vermutlich speziell der Noriker, wo es sich aus den kürzeren Hieb- und Stichschwertern (die ebenfalls Vorläufer des römischen Gladius waren) entwickelte. Auf dem Umweg über von Rom angeworbene keltische Reitertruppen gelangte die Spatha in das Arsenal der römischen Legionen und war im 2. Jahrhundert unter Hadrianus bei den nun regulären Reiterverbänden in Gebrauch. Erst in spätrömischer Zeit fand die Spatha dank ihrer überlegenen Eigenschaften auch verstärkt bei Fußtruppen Verbreitung und löste dort den Gladius ab.

Die keltisch-römische Spatha war zwischen 75 cm und 110 cm lang und besaß stets eine etwa 4 cm breite Klinge rhombischen Querschnitts ohne Hohlkehle. Die Schneiden verliefen parallel oder mit sehr geringer Verjüngung und waren oft selektiv gehärtet. Der Ort war meist als Spitze ausgeformt. Das Gefäß bestand stets aus organischen Materialien wie Holz und Bein.

Bereits vor der Zeitenwende hatten auch die Germanen diesen Schwerttyp von den Kelten übernommen und mit der eigenständigen Weiterentwicklung begonnen. Die germanische Spatha verfügte über eine mit meist ca. 5 cm etwas breitere Klinge, war meist zwischen 90 und 100 cm lang und rund 1kg schwer. Die Schneiden waren ebenfalls meist parallel, der Ort hingegen geschärft, aber meist abgerundet. In der weiteren Entwicklung wurde die Spatha zunächst mit mehreren schmalen, spätestens ab der Völkerwanderungszeit mit einer einzigen breiten Hohlkehle auf beiden Seiten der Klinge versehen. Das Gefäß war zunächst ebenfalls aus organischen Materialien gefertigt, ab der Völkerwanderungszeit wurden hier auch zunehmend Metallteile verwendet, vor allem Bronze, Eisen (oft mit Silber tauschiert), gegossenes Silber und sogar Gold.

Alamannische Goldgriffspatha aus Villingendorf.

Bei den Germanen war die Spatha zunächst wie bei den Kelten eine reine Kavalleriewaffe. Dies war nicht zuletzt durch die aufgrund des teuren Stahls immensen Kosten für solche Schwerter begründet, die nur für wohlhabende Krieger, die sich auch den Besitz von Pferden erlauben konnten, erschwinglich waren. Später jedoch sollte sich die Waffe auch für Fußtruppen bewähren. Dennoch war die Spatha nach wie vor den wohlhabenderen Kriegern der Oberschicht vorbehalten, zumal aufwändig gearbeitete Wehrgehänge (stilistisch passend zum Gefäß der Spatha) als Statussymbol unverzichtbar waren. Der Speer blieb hingegen die allgemeine Schwerpunktwaffe aller (freien) Schichten.
Dabei waren Spathae bei aller Verzierung grundsätzlich keine reinen Repräsentationswaffen, sondern durchaus für den Kampf gemacht. Eine Ausnahme zu der Regel mag die in der Handhabung unpraktische Sonderform der Goldgriffspatha darstellen.

Im Verlauf der Völkerwanderung wurde die Spatha schließlich von quasi allen in Europa kämpfenden Völkern übernommen, einschließlich z. B. der Hunnen und Sarmaten.

Lag der Schwerpunkt der Waffenindustrie während der Römerzeit noch im Noricum, verlagerte sich dieser später ins von den Franken beherrschte Rheinland. Dort entstanden über Jahrhunderte aktive und bekannte Manufakturen wie „Ulfberht“, deren Klingen auch im Ausland begehrt waren (und sogar gefälscht wurden) [1]. Nach Skandinavien hatte sich ein schwunghafter Exporthandel entwickelt, bis die fränkischen Herrscher aufgrund der zunehmenden Raubzüge der Wikinger ein Exportverbot aussprachen. Vollständig unterbunden wurde der Handel dadurch jedoch nicht. Ein großer Teil der sogenannten "Wikingerschwerter" stammt aus dem Rheinland, während in Skandinavien selbst zu dieser Zeit kaum Waffen hoher Qualität produziert wurden.

Wurmbunte Klingen

Bestanden die Spathae in den ersten Jahrhunderten durchweg aus Raffinierstahl, begannen die germanischen Völker im Laufe der Spätantike auch mit der Entwicklung aufwändig damaszierter Klingen und perfektionierten diese Techniken, wie auch in gleichem Maße die Gefäße zunehmend kunstvoller gestaltet wurden, bis schließlich in der Merowingerzeit der handwerkliche Zenit erreicht war.
Der Aufbau solcherart laminierter und damaszierter Klingen war höchst variabel. Typischerweise wurden auf ein dünnes (Eisen-)Blech beidseitig mehrere tordierte Stahlbänder aufgeschweißt, die ihrerseits wiederum aus bis zu 21 miteinander verschweißten Stahlblechen abwechselnd harter und weicher Güte (hoher bzw. niedriger Kohlenstoffgehalt) bestanden. An dieses Korpus wurden wiederum Schneiden aus hoch kohlenstoffhaltigem Raffinierstahl angesetzt und oftmals auch noch selektiv gehärtet (man geht von Schneidenhärten über 60HRC aus). Die Komplexität einer solchen Klinge sucht ihresgleichen. Sinn und Zweck dieser Laminierung war die Verbindung von größtmöglicher Härte und Flexibilität. Die Damaszierung hatte keineswegs vorwiegend ästhetische Gründe, vielmehr wurden die fertigen Klingen so spiegelblank poliert, dass das Damastmuster nur bei genauem Hinsehen sichtbar war.

Ein beeindruckendes Dokument für die Qualität dieser Schwerter stellt ein Brief des Ostgotenkönigs Theoderich dar, in dem er sich - wohl um das Jahr 500 - für eine Geschenksendung der Vandalen bei diesen bedankt:

Zusammen mit schwarzen Stämmen der Mooreiche und einheimischen blonden Knaben hat Eure Brüderlichkeit Schwerter für uns ausgewählt, die sogar im Stande sind, Rüstungen zu durchschneiden, und die ich mehr noch wegen ihres Eisens als wegen des Goldes auf ihnen preise. So glänzend ist ihre polierte Klarheit, dass sie mit genauer Deutlichkeit die Gesichter derjenigen widerspiegeln, die auf sie schauen. So gleichmäßig verlaufen ihre Schneiden zur Spitze, dass man annehmen möchte, sie seien nicht mit Feilen hergestellt, sondern im Schmelzofen geformt. Das Mittelstück ihrer Klingen, geschickt ausgehöhlt, erscheint wie mit kleinem Wurmwerk gekräuselt, und hier spielen so mannigfaltige Schatten, dass man glauben möchte, das glänzende Metall sei mit vielen Farben verwoben. Dieses Metall ist auf Eurem Schleifstein geschliffen und mit Eurem glänzenden Pulver so kräftig poliert, bis sein stählerner Glanz ein Spiegel der Männer wird. Dieses Pulver wird Euch unter den natürlichen Schätzen eures Landes gewährt, so dass sein Besitz Euch einzigartigen Ruhm bringen möge. Solche Schwerter möchte man in ihrer Schönheit für das Werk Vulkans halten, von dem gesagt wird, dass er mit solcher Geschicklichkeit sein Handwerk veredelt habe, dass alles, was von seinen Händen gestaltet wurde, nicht mit menschlicher, sondern mit göttlicher Kraft gefertigt zu sein schien.

Der Begriff "wurmbunt", der heute im Zusammenhang mit damaszierten Spathae verwendet wird, geht auf diesen Brief zurück.

Im Folgenden wurden die Schwerter noch bis um das Jahr 1000 herum damasziert; ab diesem Zeitpunkt konnte dann durch verbesserte Methoden Raffinierstahl ausreichender Qualität in größeren Mengen hergestellt werden. Die Waffen wurden gewissermaßen entfeinert und konnten dafür in größerer Stückzahl zu geringeren Kosten, aber dennoch in brauchbarer Qualität hergestellt werden. Parallel dazu wurden nun auch die Gefäße wesentlich schlichter und somit billiger ausgeführt. Die Kunst der wurmbunten Damaszierung ging ab dem 11. Jh. vollständig verloren und konnte erst mit Hilfe der modernen Archäologie, z. B. anhand des Schwertes von Sutton Hoo, rekonstruiert werden.

Geometrie und Evolution

Auffallend sind die Griffe, die durchweg extrem kurz und in den Augen des Laien kaum handhabbar erscheinen. Tatsächlich unterscheidet sich jedoch die Handhabung der Spatha von der anderer Schwerter, indem die Hand den Griff schräg fasst, wobei der Handballen auf dem Knauf aufliegt.
Über die Jahrhunderte hinweg veränderte sich die Geometrie der germanischen Spatha kaum. Nach wie vor blieb es bei parallelen Schlagkanten und einer Gesamtlänge von 90-100 cm, wovon ca. 10 cm auf das Gehilz entfallen, und einem Gewicht von 900-1000g (nur wenige einzelne Exemplare wogen deutlich über 1kg). Dank des niedrigen Gewichtes und einer zum Ort hin gleichmäßig dünner werdenden Klinge waren solche Spathae seit jeher sehr agil und führig.
Erst ab etwa dem 9. Jahrhundert wurden vorsichtige Veränderungen vorgenommen, insbesondere in Form von sich gleichmäßig verjüngenden Klingen, die dann an der Basis bis zu 6 cm breit waren, aber nach wie vor als reine Hiebschwerter ausgelegt waren. Die physischen Eigenschaften und damit die Handhabung änderte sich dabei nicht nennenswert.

Das Ende der Spatha-Ära

Von der Antike bis zur Merowingerzeit hatten die germanischen Krieger vorwiegend ungepanzert gekämpft, nur durch einen Schild und evtl. einen Helm geschützt und sich ansonsten auf die eigene Schnelligkeit verlassend. Ab der Karolingerzeit setzte sich wiederum - wohl in Anlehnung an die spätrömische Militärdoktrin - das Panzerhemd durch, welches ausreichenden Schutz gegen die meisten zeitgenössischen Waffen bot, jedoch, wie der Theoderichbrief zeigt, von Spathae durchschnitten werden konnte. Dieses Manko nahm man hin, da Spathae nach wie vor, ebenso wie Panzerhemden, teuer und den gehobenen Schichten vorbehalten waren.
Ab dem 12. Jahrhundert jedoch war die bereits lange bekannte Armbrust im Zuge der Kreuzzüge verbessert worden und entwickelte nun eine derartige Durchschlagskraft und Zielgenauigkeit, dass selbst ungeübte Schützen mit einem einzigen Schuss einen gepanzerten Berufskrieger fällen konnten. Dieser Zustand war für den Ritteradel unerträglich und erzwang eine Verbesserung des Körperschutzes. Die neuen, schwereren Rüstungen wurden dabei auch für die Spatha undurchdringlich. In der Folgezeit wurden daher aus der Spatha verschiedene neue Schwerttypen für Hieb und Stich entwickelt in dem Bemühen, die neuartigen Rüstungen damit zu überwinden. Davon abgesehen, ließ die schwere Rüstung auch den effektiven Umgang mit der so sehr auf Geschwindigkeit optimierten Spatha kaum noch zu.

Insgesamt hatte sich die Spatha jedoch etwa 1400 Jahre lang bewährt, was in der historischen Waffentechnik im Allgemeinen bemerkenswert und für Schwerter im Besonderen weltweit einzigartig ist.

Referenzen

  1. Spiegel Online: "Markenpiraterie im Mittelalter - Wikinger fielen auf billige Schwert-Kopien herein" am Beispiel Ulfberht

Literatur

  • Wilfried Menghin: Das Schwert im Frühen Mittelalter. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983 ISBN 3-8062-0362-8
  • Ian Peirce: Swords of the Viking Age. The Boydell Press, Woodbridge 2002
  • Jens Essig: Die Spatha, historische Betrachtung eines Erfolgsmodells. München 2006 (Vortragsskriptum)
  • Ewart Oakeshott: Records of the Medieval Sword. The Boydell Press, Woodbridge 1991
  • Manfred Sachse: Damaszener Stahl. Stahleisen, Düsseldorf 1993 ISBN 3-514-00520-6

Siehe auch:

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