Yang-Stil Taijiquan

Yang-Stil Taijiquan

Der Yang-Stil der chinesischen Kampfkunst Taijiquan ist der zweitälteste der fünf "Familienstile". Der Yang-Stil in seinen verschiedenen Ausprägungen ist der weltweit verbreitetste Stil. Der Name bezieht sich auf die Familie Yang oder Yeung, die diesen Stil über Generationen entwickelt hat. Yang-Stil Taijiquan zeichnet sich durch besonders weiche und gleichmäßig fließende Bewegungen aus.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Familie Yang

Der Begründer des Yang-Stils, Yang Luchan (1799-1872), wurde von Chen Changxing im Chen-Stil unterrichtet, der bis dahin nur an Familienmitglieder weitergegeben worden war. Mit ihm wurde das Taijiquan erstmals außerhalb der Familie Chen weitergegeben. Einige seiner Schüler wurden zu den Gründern anderer Familienstile.

Zweite Generation

Yang Luchan hatte zwei Söhne, die bereits als Kinder eine sehr intensive Taijiquan-Ausbildung bei ihrem Vater begannen:

  • Yang Banhou (W.-G. Yang Panhou) (1837-1892) erhielt als berühmter Meister und ältester Sohn Yang Luchans die Position seines Vaters am kaiserlichen Hof.
  • Yang Chienhou (1839-1917) wurde ebenfalls ein berühmter Meister.

Beide Söhne Yang Luchans waren für ihre Fähigkeiten in ganz China berühmt und wurden - genau wie ihr Vater - voll Ehrerbietung „Yang, der nicht kämpft“ genannt. Man sagt, Yang Banhou sei temperamentvoll gewesen, während Yang Chienhou einen ruhigen und sanften Charakter gehabt haben soll. Entsprechend schufen sie verschiedene Formen: schnelle, langsame, mit großen oder kleinen Bewegungen.

Dritte Generation

Yang Banhou hatte keine Söhne, sein Bruder Yang Chienhou hingegen hatte zwei Söhne:

  • Yang Shaohou (1862-1930) trainierte von klein auf mit viel Ausdauer und Hingabe und entwickelte bald große Fertigkeiten. Er lebte später als Asket und hatte keine Kinder.
  • Sein Bruder Yang Chengfu (1883-1936) war als Kind weniger fleißig. Erst als junger Erwachsener begriff er, was er sich hatte entgehen lassen und trainierte Tag und Nacht, um das Verpasste nachzuholen.

Yang Chengfu war es, der den Yang-Stil in seiner heutigen Form standardisiert und durch öffentlichen Unterricht in China verbreitet hat. Er entfernte aus der Form die schnellen Bewegungen. Seine Form ist durch langsame, fließende und sanfte Bewegungen geprägt.

Vierte Generation

Yang Chengfu hatte drei Söhne:

  • Yang Zhenming (1910-1985, chin. 楊守中, auch bekannt als Yang Shouchung) begann mit acht Jahren eine intensive Ausbildung bei seinem Vater und seinem Onkel. Es wird berichtet, dass er täglich 30 mal die Form machen musste, was zwischen sieben und acht Stunden in Anspruch nahm. Mit 14 Jahren hatte er das umfangreiche Übungssystem seiner Familie erlernt. Er begleitete seinen Vater auf seinen Unterrichtsreisen und assistierte ihm. Mit 18 Jahren war er bereits Meister, bekam aber weiter Unterricht von seinem Vater und Onkel bis zu deren Tod. 1949 floh er nach Hongkong, wo er bis zu seinem Lebensende unterrichtete.
  • Yang Zhenji (*1921) ist heute als ältester lebender Sohn Yang Chengfus das offizielle Oberhaupt der Familie.
  • Yang Zhendou (*1926) wurde bis zum Alter von 10 Jahren von seinem Vater unterrichtet. Nach dessen Tod lernte er von Schülern seines Vaters, die außerhalb der Familie standen.

Entwicklungen außerhalb der Familie

Der Tradition der chinesischen Kampfkünste (Wushu) folgend, wurde die Kunst des Taijiquan nur an die männlichen Nachkommen innerhalb der eigenen Familie weitergegeben. Damit sollte verhindert werden, dass eine Kampfkunst mit destrukivem Potential aus dem Einflussbereich der eigenen Familie und damit außer Kontrolle gerät. Zu Lebzeiten Yang Luchans gab es in China über hundert verschiedene Kampfkünste, und es gab unter diesen nur wenige, die nicht strengster Geheimhaltung unterlagen. Yang Luchans Position als Lehrer des Kaisers und der Prinzen (die überdies Mandschus waren) sowie als oberster Ausbilder der kaiserliche Leibgarde stand in Konflikt mit dieser Tradition.

Es wird gesagt, dass er und seine Nachkommen zwar Formen und Anwendungen mit ihren Schülern trainierten, aber viele Geheimnisse zurückhielten: Sie gaben die nur unter großer Mühe erlernbaren inneren Bewegungsprinzipien nicht weiter. Nur sehr wenige Schüler von Meistern der Yang-Familie erlangten den Status eines Meisterschülers, der garantierte, dass sie den Stil so lernten, wie er auch in der Familie weitergegeben wurde.

Anstöße zur Gründung anderer Familien-Stile

  • Yang Luchan bildete Wu Yuxiang (W.-G. Wu Yuhsiang) (1813-1880) aus, der später zum Begründer des Wu/Hao-Stils wurde.
  • Wu Quanyou (W.-G. Wu Ch'uan-yü) (1834-1902), ein Kavallerieoffizier der kaiserlichen Hofgarde, lernte zunächst bei Yang Luchan in dessen Position als oberster Ausbilder der kaiserlichen Leibgarde und wurde schließlich von Yang Banhou als Meisterschüler ausgebildet. Wu Quanyou gründete später den Wu-Stil.

Verbreitung des Yang-Stils außerhalb der Familie

Mit den Schülern von Yang Chengfu begann die Verbreitung des Yang-Stil Taijiquan:

  • Meisterschüler Chen Wei-Ming veröffentlichte einige Bücher über das Yang-Stil Taijiquan.
  • Der in der westlichen Welt bekannteste und zugleich umstrittenste Schüler von Yang Chengfu ist vermutlich Zheng Manqing (chin. 鄭曼青, W.-G. Cheng Man-ch'ing, 1901-1975). Dieser entwickelte eine kurze, vereinfachte Form und emigrierte über Taiwan in die USA. Wenngleich die von Zheng Manqing vorgenommenen Veränderungen von den meisten anderen Schulen kontrovers diskutiert und von der Yang-Familie nicht anerkannt werden, gilt Zheng Manqing als der erste, der Taijiquan in der westlichen Welt verbreitet hat.
  • Yang Chengfus ältester Sohn und Meisterschüler Yang Zhenming (Yang Shouchung) hatte keine Söhne, daher entschloss er sich dazu, in seiner Schule in Hong-Kong die Familiengeheimnisse systematisch weiterzugeben, um sie für zukünftige Generationen zu erhalten. Yang Zhenmings Töchter betreiben noch heute in Hongkong eine Schule für Taijiquan. Seine Meisterschüler haben verschiedene Organisationen gegründet, um den Stil in der Welt zu verbreiten:
  • Ip Tai Tak unterrichtete Yang-Stil Taijiquan ebenfalls in Hong-Kong, wo er 2004 starb. Sein 1. Meisterschüler ("Disciple") ist John Ding, der damit auch Linienhalter des Yang-Stils ist. Zur Verbreitung des traditionellen Yang-Stils gründete er die JDIATCC, die John Ding International Academy of Tai Chi Chuan. Ip's Snakestyle, der familieninterne und ehemals geheime Yang-Stil, wird nicht nur von John Ding, sondern auch von Robert Boyd, Ip Tai Taks 2. Meisterschüler ("Disciple") weitergegeben. Hierzu gründete er das Bao Tak Fai Tai Chi Institute und verbreitet den familieninternen Snakestyle im Westen.
  • Chu Gin-soon gründete 1969 in Boston, USA mit Erlaubnis von Yang Zhenming den Gin Soon Tai Chi Club, um das Yang-Stil Taijiquan in Nordamerika zu verbreiten.
  • Chu King-Hung gründete in den 1970er Jahren gemeinsam mit Yang Zhenming die International Tai Chi Chuan Association, um den Yang-Stil in Europa zu verbreiten.
  • Yang Chengfus dritter Sohn Yang Zhendou gründete ebenfalls eine Organisation, die International Yang Familiy Tai Chi Chuan Association, um den Yang-Stil in der Welt zu verbreiten.

Waffen

Die im Yang-Stil gebräuchlichen Waffen sind

  • das Schwert (dem Element Wasser zugeordnet)
  • der Säbel (dem Element Feuer zugeordnet)
  • der Langstock oder Speer (dem Element Holz bzw. Metall zugeordnet)

Yang Luchan war berühmt für seinen meisterlichen Umgang mit dem Langstock.

Partnerübungen

  • Tuishou (engl. pushing hands, „schiebende“ oder „hörende Hände“). Davon gibt es verschiedene Variationen: einhändig, beidhändig, mit und ohne Schritte, small circle
  • Dalü („Großes Ziehen“), Dalü-Form (komplexere Abfolge als Dalü)
  • „Kampfformen“ (der Form sowie der Waffenformen): spezielles Formtraining mit Kontakt, wie etwa das Sanshou (San-sau, "Stil der freien Hände") im Stil von Erle Montaigue

Weblinks


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