Zeittauschbörse

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In einem Tauschkreis oder Tauschring (auch Tauschzirkel, Zeittauschbörse, Nachbarschaftshilfeverein, LETS, Talentemarkt, Tauschnetz) werden vorrangig Dienstleistungen, gelegentlich auch Waren, ohne Einsatz gesetzlicher Zahlungsmittel zwischen den Teilnehmern getauscht.

Inhaltsverzeichnis

Organisationsformen

LETS: Local Exchange Trading System

Michael Linton zufolge, der das erste LETS um 1983 in Kanada gründete, müssen die folgenden 7 Kriterien erfüllt sein, damit man ein Netzwerk als LETS bezeichnen kann:

  • Es ist ein Non-Profit-System.
  • Bargeld wird weder ein- noch ausgezahlt.
  • Jeder beginnt sein Konto mit einem Null-Saldo.
  • Es gibt keine Kosten oder Einnahmen aus Zinsen.
  • Es besteht kein Zwang etwas zu kaufen oder zu verkaufen.
  • Die lokale Verrechnungseinheit ist wertmäßig an die Landeswährung gekoppelt (nicht zwingend).
  • Innerhalb aller Teilnehmer werden die Kontostände und Umsatzvolumen offengelegt.

Bewertung der Arbeit

  • Zeitbörse: Jede Tätigkeit wird als gleichwertig angesehen und demzufolge stellt die Verrechnungseinheit eher eine Referenz zur Zeit als zur Landeswährung dar. Eine Stunde Baby-Sitting wird also genauso bewertet wie eine Stunde Rechtsberatung.
  • Leistungsbörse: Für "höher" qualifizierte Tätigkeiten wird mehr angerechnet als für "einfache". Allerdings ist die Spanne nicht so groß wie sonst üblich. Es kann sein, dass eine Maximalspanne von z. B. 2:1 festgelegt wird.
  • Freies Aushandeln: Die Tauschpartner handeln den Wert der zu tauschenden Sache oder Tätigkeit frei aus, ohne Vorgaben vom Tauschring.

Am weitesten verbreitet ist eine Praxis, die im wesentlichen der Zeitbörse entspricht. Allerdings ist es auch üblich, darüber hinaus relativ frei zu verhandeln, insbesondere um einzelnen Tauschpartnern, die eher Vertreter des Leistungsprinzips sind, etwas entgegen zu kommen. Sehr strenge Vorgaben im Sinne einer Überreglementierung sind allgemein äußerst unbeliebt. Leistungsbörsen haben bisher größere Chancen, mehr gewerbliche Teilnehmer zu gewinnen.

Tauschringe und alternative Ökonomie

Nach Auffassung der Tauschringbefürworter kann die selbstorganisierte Form des Wirtschaftens in Tauschringen die Bedürfnisse der Teilnehmer oft besser erfüllen als das gewöhnliche geldförmige Wirtschaftssystem. Sowohl Befürworter als auch Kritiker von Tauschringen weisen darauf hin, dass wichtige Lebensbereiche wie Wohnen und Erwerbsarbeit von Tauschringen praktisch nicht erfasst werden und die Ziele alternativen Wirtschaftens nur innerhalb eines ökonomischen und gesellschaftlichen Gesamtkonzeptes zu verwirklichen seien. Ein Diskussionsthema ist in diesem Zusammenhang, inwieweit Tauschwährungen etwa durch Zinsfreiheit und lokale Gebundenheit Vorteile gegenüber gewöhnlichem Geld haben.

Grundlegend für die Verrechnung in Tauschringen mit Zeitwährung ist allein die aufgewendete Zeit der Teilnehmer. Tauschringbefürworter sehen in der Gleichbewertung aller Tätigkeiten einen Vorteil gegenüber dem üblichen geldförmigen Wirtschaften. Kritiker behaupten, dass in Zeittauschkreisen die Eigenschaften einer Marktstruktur von Angebot und Nachfrage weitgehend reproduziert werde, es somit nicht zwangsläufig eine Gleichstellung der Teilnehmer gebe. Kritisiert wird auch, dass die meisten Tauschringe einen Äquivalenztausch organisieren würden, der zum Beispiel vermehrt Hilfsbedürftigen nicht gerecht werde und keine grundlegende Alternative zum kapitalistischen Wirtschaftssystem darstelle (siehe auch Kapitalismuskritik).

Deutschland

In Deutschland übliche Verfahren

Üblicherweise erstellen Tauschkreise ein nach Rubriken geordnetes Verzeichnis mit allen Angeboten und Gesuchen der Mitglieder, das regelmäßig aktualisiert wird. Wann, wo und auf welche Weise eine angebotene Tätigkeit ausgeführt wird, vereinbaren die jeweils Beteiligten. In der Organisationsform, die am verbreitetsten ist, werden Leistungen und Gegenleistungen in eigenen Währungen verrechnet. Für jedes Mitglied wird ein fiktives Konto geführt. Nimmt das Mitglied eine Leistung in Anspruch, so verringert sich der Kontostand, wird eine Leistung erbracht, erhöht er sich. Negative Kontostände sind in der Regel zulässig. Die Zentrale der Tauschbank bildet hierbei die zentrale Verrechnungsstelle aller Soll und Haben. Die komplementäre Währung arbeitet gänzlich zinsfrei und ist nicht mit der Arbeit einer Zentralbank zu verwechseln. Die Währungen der Tauschkreise sind kein einfaches Abbild offizieller Landeswährungen, indem Eigenschaften wie Inflation, Verschuldung und Deflation allein durch administrative Beschlüsse reguliert werden. In einer Minderheit dieser Tauschkreise wird durch einen negativen Zins oder eine Gebühr auf Guthaben eine Anregung des Tauschens angestrebt (siehe Umlaufsicherung).

Viele Tauschkreise verwenden Währungen, in denen geleistete Dienste analog zur aufgebrachten Zeit in Einheiten verbucht werden. Einige Tauschringe stellen es den jeweils an einem Tausch Beteiligten frei, ob und nach welchem Maßstab eine Verrechnung in der Tauschwährung geschieht; jedoch wird Verkaufstätigkeit bzw. ein Anbieten von Leistungen gegen Geldzahlung abgelehnt. In Zusammenhang mit der Diskussion über eine Umsonstökonomie werden seit einiger Zeit Nutzergemeinschaften propagiert. In einigen Praxismodellen sind diese ähnlich zu den schon länger bekannten Freiwilligenagenturen organisiert. Sie bilden zusammen mit Formen organisierter Nachbarschaftshilfe eine Gruppe von Tauschkreisen, in denen keine Verrechnung und kein Verbuchen von Leistungen und Gegenleistungen in einer Tauschwährung stattfindet.

Die meisten Tauschkreise sind lokal gebunden. Neben Dienstleistungen wie „Nachhilfe geben“ oder „Babysitten“ werden gelegentlich auch Waren (etwa gebrauchte Kinderkleidung) gegen die Umrechnungseinheit getauscht. In ländlichen Tauschringen kann der Warentausch eine größere Bedeutung bekommen. Nur wenige Tauschkreise beschränken den Tausch ausschließlich auf Dienstleistungen.

Rechtsform

  • GBR: Insofern ein Tauschring sich nicht ausdrücklich und erfolgreich um eine bestimmte Rechtsform bemüht, bilden die Teilnehmer automatisch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Teilnehmer eines solchen Tauschrings haben also die Rechte und Pflichten von Gesellschaftern und praktisch keine Hierarchie.
  • Verein: Auf der Grundlage einer Satzung (die Mindestzahl von 7 Mitgliedern zur Vereinsgündung wird im Falle von Tauschringen immer erfüllt sein) und meist der üblichen Organe wie der des Vorstands kann die Form des Vereins (nicht rechtsfähig, weil nicht eingetragen) den Zweck bei minimalem Aufwand erfüllen.
  • eingetragener Verein: Tauschringe, die Wert darauf legen, auch als juristische Person nach außen handeln zu können, lassen sich als ins Vereinsregister eintragen.

Steuerliche und vereinsrechtliche Aspekte

Der Tausch stellt für Unternehmer stets zu erfassende Rechtsgeschäfte dar: die nach handels- und einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen (Bruttoprinzip, Einzelbewertung, Vollständigkeit) zu erfassen sind und auch für die Umsatzsteuer relevant sind. [1]

Tauschring als steuerbegünstigte Körperschaft

Tauschringe in der Form von Vereinen können grundsätzlich nicht als steuerbegünstigte Körperschaft iSd §§ 51 ff Abgabenordnung anerkannt werden, weil regelmäßig durch die gegenseitige Unterstützung - unabhängig von Alter oder Krankheit - in erster Linie eigenwirtschaftliche Interessen der Mitglieder gefördert werden und damit gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs.1 AO) verstoßen wird.

Sofern der Verein lediglich Zeitkonten seiner Mitglieder verwaltet und Dienstleistungen vermittelt, erfüllt er zudem nicht die Voraussetzung der Unmittelbarkeit (§ 57 Abs.1 S.1 AO).

Beschränkt sich dagegen der Zweck des Vereins nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung auf die Förderung der Jugend- und Altenhilfe sowie die Förderung mildtätiger Zwecke, kann er als steuerbegünstigte Körperschaft anerkannt werden. In diesen Fällen kann die Selbstlosigkeit iSd § 55 Abs.1 S.1 AO unbeschadet des Entgelts für die aktiven Mitglieder erhalten bleiben, da diese Vorschrift nicht voraussetzt, dass der Verein und seine Mitglieder für erbrachte Dienstleistungen im Rahmen der satzungsmäßigen Zwecke auf angemessene materielle Vorteile verzichten. Es reicht aus, wenn die eigene Opferwilligkeit nicht zugunsten eigennütziger Interessen in den Hintergrund gedrängt wird. Um die Voraussetzungen der Unmittelbarkeit (§ 57 Abs.1 AO) zu erfüllen, müssen die aktiven Mitglieder ihre Dienstleistungen als Hilfspersonen des Vereins iSd § 57 Abs.1 S.2 AO ausüben.

Haftung - Versicherungspflicht - Steuerpflicht

Rechtliche Aspekte der Tauschring-Mitglieder, wie Produkthaftung, Versicherungspflicht und Steuerpflicht, ergeben sich auf Basis der Freundschafts- und Nachbarschaftshilfe oder aus der rechtlichen Situation eines Tauschhandels.

Literatur

  • Günter Hoffmann: Tausche Marmelade gegen Steuererklärung : ganz ohne Geld - die Praxis der Tauschringe und Talentbörsen. Piper, München/Zürich 1998, ISBN 3-492-22603-5. 
  • Niklas Pieper: Die rechtliche Struktur bargeldloser Verrechnungssysteme unter besonderer Berücksichtigung von Barter-Clubs und LET-Systemen. Weißensee-Verl., Berlin 2002, ISBN 3-934479-70-7 (Zugl.: Köln, Univ., Diss., 2002). 
  • Eva-Maria Hubert: Tauschringe und Marktwirtschaft : eine ökonomische Analyse lokaler Komplementärökonomien. Duncker und Humblot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11501-5 (Zugl.: Hohenheim, Univ., Diss., 2003). 
  • Norbert Kuhn: Tauschringe : Möglichkeiten und Grenzen einer "geldlosen" Wirtschaft. Inst. für Genossenschaftswesen, Marburg 2002, ISBN 3-926553-29-4. 
  • Claus Offe, Rolf G. Heinze: Organisierte Eigenarbeit : das Modell Kooperationsring. Campus-Verl., Frankfurt/New York 1990, ISBN 3-593-34121-2. 
  • Heidemarie Schwermer: Das Sterntalerexperiment : mein Leben ohne Geld. Riemann, München 2001, ISBN 3-570-50016-0. 

Siehe auch

Weblinks

[1] http://www.urs-beratung.de/Download_PDF/Tausch.pdf


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