Zentralbibliothek Solothurn

Zentralbibliothek Solothurn
Zentralbibliothek Solothurn

Die Zentralbibliothek Solothurn ist eine Studien- und Bildungsbibliothek in Solothurn (Schweiz). Sie erfüllt die Aufgaben einer Stadt- und Kantonsbibliothek mit allgemein öffentlicher Abteilung sowie einer Musikbibliothek. Ihre Bedeutung reicht besonders durch ihren umfangreichen Altbestand, zu dem zahlreiche Inkunabeln gehören, über die Region hinaus.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Vorgänger

Die Zentralbibliothek (ZBS) entstand 1930 aus der Fusion der damaligen Stadtbibliothek von Solothurn mit der Kantonsbibliothek.

Stadtbibliothek

Die Stadtbibliothek Solothurn wurde 1763 unter dem Einfluss der Aufklärung als Obrigkeitliche Bibliothek gegründet und anfänglich hauptsächlich aus Schenkungen solothurnischer Patrizierfamilien aufgebaut. Dem Zeitgeist entsprechend war diese Bibliothek jedoch noch stark museal ausgerichtet, nur einige Stunden wöchentlich geöffnet, und eine Ausleihe fand nur für die Spenderfamilien statt. Bis 1798 war sie in einem Büchersaal im Rathaus untergebracht, der aufgegeben werden musste, als die Behörden der Helvetischen Republik den Raum benötigten. Die Bücher wurden eingelagert und erst 1807 wieder der Benutzung zugeführt, im Parterre des 1798 aufgehobenen Franziskanerklosters.

Der reaktionäre Geist der Zensurkommission erschwerte jedoch während der Restauration des Patriziats den Bestandesaufbau und die Benutzung weiterhin und in zunehmendem Masse. Freier, allgemeiner Zugang zur Lektüre galt als gefährlich. Unter anderem wurde den Schülern der höheren Lehranstalt mit Ausnahme der obersten Klassen verboten, die Bibliothek zu besuchen. Später wurde eine Zensur aller Neuerwerbungen gefordert, 1817 schliesslich die Bibliothek einem ständigen „geistlichen Inspektor“ unterstellt, dessen Anweisungen der Bibliothekar in seiner Anschaffungspolitik zu folgen hatte. Leo Altermatt schreibt in seinem Aufsatz Bibliothekswesen im Heimatbuch Der Kanton Solothurn (1949) von einem "Sturm der Entrüstung", den diese Entwicklung heraufbeschworen habe; der damalige Bibliothekar Robert Glutz reichte … die Demission ein und verschrieb sich ganz der Geschichtsforschung. (Altermatt)

1838, nach dem liberalen Umsturz, änderte sich die Situation der Bibliothek grundlegend: Nicht nur zog sie in grössere, geeignetere Räumlichkeiten im neuen Gemeindehaus der Stadt Solothurn um, in denen sie bis zur Fusion mit der Kantonsbibliothek verbleiben sollte, sondern vor allem wurde sie durch die Bibliotheksordnung der neuen, liberalen Stadtverwaltung von der Bürger- zu einer öffentlichen und frei benutzbaren Stadtbibliothek. Auf diesen Grundlagen entwickelte sich die städtische Bibliothek weiter, ohne je den Charakter einer Bildungsbibliothek zu verlieren, bis sie 1930 aus praktisch-organisatorischen und finanziellen Erwägungen in der grösseren Einheit der Zentralbibliothek aufging. (Altermatt)

Kantonsbibliothek

Die Kantonsbibliothek Solothurn entstand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, um die Büchersammlungen der nach dem solothurnischen Kulturkampf 1874 aufgehobenen Klöster und Stifte aufzunehmen. Obwohl der Kantonsrat die Einrichtung einer Kantonsbibliothek schon 1875 beschlossen hatte, konnte sie erst 1883 eröffnet werden. Die Bestände wurden im Thronsaal des ehemaligen Ambassadorenhofs aufgestellt, der zu dieser Zeit als Kantonsschulgebäude diente.

Zu den früher selbständigen Bibliotheken, die als Grundstock der Sammlung dienten, gehören:

  • Kapitelbibliothek des St. Ursenstiftes
  • Jesuiten- oder Professorenbibliothek
  • Franziskanerbibliothek
  • Bibliothek des Klosters Mariastein (von der Zentralbibliothek ab 1998 an das 1971 wiederhergestellte Kloster zurückgegeben)

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Bibliothek durch Schenkungen und Käufe um weitere wertvolle Bestände bereichert, darunter die grossen Bibliotheken des Franziskaners Franz Louis Studer und des Bischofs Friedrich Fiala.

Zentralbibliothek

Nach der 1930 erfolgten Fusion von Stadt- und Kantonsbibliothek bezog die ZBS 1958 ihre heutigen Räumlichkeiten im Westen der Stadt. Der Gebäudekomplex besteht aus einem Ende des 17. Jahrhunderts erbauten Patrizierhaus und einem für die Bibliothek errichteten Neubau. Im patrizischen Sommerhaus (Gibelin-Zetter-Haus) untergebracht sind die 1973 eingerichtete Moderne Musikbibliothek, verschiedene Büros sowie ein Buchmuseum. Im Neubau befinden sich Freihandabteilung, Lesesaal und die Kinder- und Jugendbibliothek.

Freihandabteilung und Moderne Musikbibliothek erfüllen zusammen mit der Kinder- und Jugendbibliothek die Aufgaben einer allgemein-öffentlichen Bibliothek für Stadt und Region Solothurn.

Im Lesesaal der Zentralbibliothek Solothurn fanden von 1992 bis 2008 im Winterhalbjahr die Veranstaltungen der Töpfergesellschaft Solothurn statt, einer Vortragsgesellschaft, die 1857 gegründet worden ist.

Bestand

Der Gesamtbestand der ZBS umfasst rund 800'000 Medieneinheiten. Ihr Hauptauftrag ist die Bewahrung des solothurnischen Kulturerbes, der Solodorensia - dazu gehören Publikationen mit inhaltlichem Bezug auf Stadt oder Kanton Solothurn, Werke solothurnischer Autoren, Illustratoren, Künstler und Musiker, Biographien solothurnischer Persönlichkeiten sowie Publikationen aus solothurnischen Druckereien und Verlagen. Gedruckte oder elektronisch publizierte Solodorensia der Themen Regionalgeschichte, Heimat- und Landeskunde werden in der Bibliographie der Solothurner Geschichtsliteratur erfasst.

Die Kinder- und Jugendbibliothek stellt in ihrem Freihandbestand von etwa 30'000 Medieneinheiten aktuelle Kinder- und Jugendliteratur bereit. Ältere Werke finden sich im Magazin.

Als Studien- und Bildungsbibliothek folgt die Zentralbibliothek Solothurn einer Sammlungspolitik, nach der wichtige, aber nicht mehr aktuelle Werke der Sammelgebiete Geschichte, Germanistik, Musikwissenschaft aus den allgemein-öffentlichen Freihandabteilungen magaziniert werden.

In der von Leo Altermatt begründeten Reihe Veröffentlichungen der Zentralbibliothek Solothurn erscheinen in loser Folge Arbeiten, die sich mit den Sammlungen und dem solothurnischen Kulturerbe im weiteren Sinne befassen.

Altbestand

Der zu einem grossen Teil von den Vorgängerbibliotheken übernommene Altbestand verfügt über knapp 900 Inkunabeln. Bei den Beständen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert bilden Theologie und französische Literatur Schwerpunkte. Die Zentralbibliothek verfügt auch über bedeutende Grafik-, Karten- und Handschriftensammlungen.

Nachlasssammlung

Die Zentralbibliothek sammelt Privatnachlässe kulturell tätiger Personen mit Bezug zum Kanton Solothurn. Dazu gehören die Charles-Sealsfield-Sammlung, eine von einer Solothurnerin aufgebaute kleine Hermann-Hesse-Sammlung, der wissenschaftliche Nachlass des bedeutenden Basler Philosophen Hans Kunz oder der Nachlass der Lyrikerin Olga Brand.

Musiksammlung

Die Historische Musiksammlung beherbergt die künstlerischen Nachlässe solothurnischer Komponisten, zum Beispiel diejenigen von Theodor Diener, Richard Flury oder Ernst Kunz; sie besitzt einzelne Notenhandschriften, etwa ein Manuskript von Arthur Honegger, und verfügt über eine grosse Zahl wertvoller alter Musikdrucke.

Die Moderne Musikbibliothek besitzt einen der grössten öffentlich zugänglichen Tonträgerbestände der Schweiz. Sie bietet rund 43'000 Tonträger an, hauptsächlich CDs, Schallplatten und Tonbandkassetten.

Stadtarchiv Solothurn

Die Zentralbibliothek hat seit 1969 einen Teil der alten Bestände des Stadtarchivs der Einwohnergemeinde Solothurn betreut. Sie wird voraussichtlich ab 2012 die Aufgabe der Vermittlung übernehmen.

Literatur

  • Leo Altermatt: Bibliothekswesen. In: Der Kanton Solothurn. Ein Heimatbuch. Gassmann, Solothurn 1949, S. 127–135.
  • Hans-Rudolf Binz: Die historische Musiksammlung der Zentralbibliothek Solothurn. Ein Überblick. Zentralbibliothek, Solothurn 2005. (Veröffentlichungen der Zentralbibliothek Solothurn, Nr. 27 A).
  • Jahresbericht der Zentralbibliothek Solothurn über das Jahr … Solothurn, 1930 ff

Weblinks

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