Zentrum für Arbeit und Grundsicherung

Zentrum für Arbeit und Grundsicherung

Jobcenter (JC) oder auch ARGE (für Arbeitsgemeinschaft) bezeichnet in Deutschland Einrichtungen, in denen regionale Arbeitsagentur und Sozialamt zusammengelegt sind. Diese Zusammenlegung wurde von der Hartz-Kommission vorgeschlagen und von der rot-grünen Bundesregierung im Rahmen des Hartz-Konzepts im Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt umgesetzt. Das Jobcenter ist zuständig für die Anwendung des Sozialgesetzbuches II (SGB II) und damit für die Auszahlung des Arbeitslosengeld II und die Integration der Leistungsberechtigten in Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Es gibt drei Modelle, die Aufgabenerledigung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu organisieren:

  • Kooperativ: Kommunen und Agenturen für Arbeit bilden in der Mehrzahl der Fälle Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), welche dann Jobcenter einrichten. Eine geplante Weiterentwicklung dieses Modells stellt das Konzept der Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) dar, bei dem die Arbeitsgemeinschaft zu einer gemeinsamen Einrichtung (wie einem Zweckverband oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts) verschmilzt
  • Kommunal: Im sogenannten Optionsmodell können testweise 69 Kreise und kreisfreie Städte für zunächst fünf Jahre selbständig ohne die Agenturen für Arbeit das SGB II umsetzen. Auch deren zuständige Einrichtungen werden zum Teil Jobcenter genannt.
  • Additiv: In einigen Fällen (Ende 2007: 21 Landkreise/Kreisfreie Städte[1]) haben sich die Kommunen und die Agenturen nicht auf die Bildung von Jobcentern geeinigt oder eine bestehende Arbeitsgemeinschaft wurde gekündigt. Die Agentur für Arbeit und die Kommune erbringen dann ihre Leistungen nebeneinander (Getrennte Trägerschaft). Findet die getrennte Bearbeitung in einem gemeinsamen Gebäude statt, wird dieses zum Teil ebenfalls als Jobcenter bezeichnet. Das Jobcenter ist hierbei keine Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft, sondern von Kommune und Agentur direkt, die organisatorisch voneinander getrennt sind[2].

Aufgabe und Struktur

Zuständigkeit

Die meisten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (eHb), die davor Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe erhalten haben, bekommen seit Anfang 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Diese Personen wurden zuvor entweder von der Agentur für Arbeit (bei Arbeitslosenhilfebezug) oder vom Sozialamt der jeweiligen Kommune (bei Sozialhilfebezug) betreut, die Arbeitsvermittlung lag alleine in den Händen der Bundesagentur (flankiert durch parallele sogenannte Hilfe zur Arbeit der Kommunen).

Seither sind für Leistungsgewährung und Vermittlung die Jobcenter zuständig. Arbeitslose, die ausschließlich Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung empfangen, also Arbeitslosengeld I (Alg I), werden weiterhin von Vermittlern in der Bundesagentur für Arbeit betreut. Wenn aber auch nur eines der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG) zusätzlich zum Alg I noch Alg II oder ausschließlich Alg II erhält, dann werden alle Mitglieder der BG bei der Arbeitssuche vom Jobcenter betreut. Dies betrifft jedoch nicht die Berufsberatung, die weiterhin alleinige Aufgabe der Agentur für Arbeit ist[3].

Interner Aufbau

In den Jobcentern werden die Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Fallmanagern und Arbeitsvermittlern – Persönlicher Ansprechpartner (PAP) genannt – bei der Arbeitssuche betreut und beraten. In wenigen, vor allem kleineren Jobcentern sind diese auch für die Auszahlung des Alg II zuständig. Im überwiegenden Teil der ARGEn sind jedoch weitere Beschäftigte auf die Leistungsgewährung spezialisiert. Die Zuständigkeit der PAP ist örtlich völlig unterschiedlich geregelt (nach Alphabet, Stadtbezirken, Gemeinden u.a.). Oft werden eigene Organisationseinheiten für besondere Personengruppen (Jugendliche bis 24 Jahre, Menschen mit Behinderung, Selbständige u.a.) gebildet. In den meisten größeren ARGEn sind Eingangszonen vorgeschaltet, wo die Anliegen entgegengenommen und zugeordnet werden. Sonderabteilungen kümmern sich um Anfragen von Arbeitgebern, die Zusammenarbeit mit Bildungsträgern, die Bearbeitung von Widersprüchen sowie interne Verwaltungsaufgaben.

Alle Beschäftigten in den Jobcentern der ARGEn sind formal entweder Beschäftigte der Agentur für Arbeit oder einer Kommune, die zur dortigen Arbeit abgeordnet wurden. Im weiter entwickelten Modell der ZAG (siehe oben) sollen die Beschäftigten direkt beim Träger des Jobcenters angestellt sein. Diese hätte damit im Gegensatz zu den aktuellen ARGEn Arbeitgeber- bzw. Dienstherreneigenschaft.

Sonderfall Optionskommunen

In Optionskommunen führen die Jobcenter zumeist andere Bezeichnungen und setzen auch eine andere Software zur Berechnung der Leistungen und Verwaltung der Arbeitsvermittlung ein. Auch ist die Organisation der Eingangszonen gelegentlich anders geregelt. Die Zuständigkeit dieser Stellen besteht jedoch analog zu den Jobcentern der Arbeitsgemeinschaften.

Sonderfall Getrennte Trägerschaft

Bei getrennter Trägerschaft sind die kommunalen Stellen, die ihren Teil der Aufgaben wahrnehmen, gelegentlich mit den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit in einem als Jobcenter bezeichneten Gebäude untergebracht. Hierbei handelt es sich jedoch formal um zwei komplett voneinander unabhängige Behörden innerhalb des Jobcenter-Gebäudes. Aufgrund der Verfassungswidrigkeit (s.u.) der Arbeitsgemeinschaften gibt es Bestrebungen, das Modell der zwei Behörden unter einem Dach als Zukunftsmodell unter dem Namen „Kooperatives Jobcenter“ zu forcieren, was politisch jedoch umstritten ist.[4].

Auch für die Betroffenen bringt dies Nachteile, diese müssen zwei Anträge stellen (auf Leistungen zum Lebensunterhalt - Alg II - Bund und Kosten der Unterkunft - Kommune), sie erhalten zwei Bescheide, müssen Rechtsmittel gegen zwei Behörden einlegen, wenn sie die Entscheidungen anfechten wollen.

Bedenken und Kritik

Recht

Nachdem elf Landkreise Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten, entschied das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2007, dass die Bildung der Arbeitsgemeinschaften teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Dem Gesetzgeber wurde eine Drei-Jahres-Frist bis Ende 2010 gesetzt, um die Verwaltung neu zu gliedern.[5] Kommunale Jobcenter von Optionskommunen und Jobcenter mit getrennter Trägerschaft sind davon jedoch nicht betroffen.

Zuvor hatte bereits ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages darüber informiert, dass eine „Ausführung von Bundesgesetzen durch gemeinsame Einrichtungen von bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts und Verwaltungseinrichtungen der Länder“ nicht vorgesehen ist. Artikel 83 des Grundgesetzes regelt die Ausführung der Bundesgesetze: „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt.“ Führt der Bund die Gesetze durch, kann dies durch „bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes (Art. 87 GG), wie beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit, erfolgen.

Das Verfassungsgericht kam infolgedessen zu dem Urteil, dass § 44b SGB II […] mit Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 83 des Grundgesetzes unvereinbar [ist]“, weil „die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden und Gemeindeverbände […] beeinträchtigt [wird], wenn der Gesetzgeber ohne hinreichend rechtfertigenden Grund die gleichzeitige Aufgabenwahrnehmung durch verschiedene Verwaltungsbehörden verbindlich anordnet.“[5]

Organisation

Bereits von Beginn an war die Organisationsform der ARGEn heftig umstritten. So warnte die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits in der Vorbereitungszeit vor unklaren Zuständigkeiten. Tatsächlich ist – anders als geplant – eine dritte Leistung und Behörde entstanden, anstatt die Doppelzuständigkeit zusammen zu fassen. Die unzweckmäßige rechtliche Konstruktion der ARGEn ist das Resultat eines politischen Kompromisses zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit dem CDU-dominierten Bundesrat, die sich nicht auf eine eindeutige Zuständigkeit, d.h. weitere Verwaltung der bedürftigen Arbeitslosen durch die als bürokratisch diskreditierte BA oder vollständiger Übergang an die Kommunen einigen konnten.

Mit den Arbeitsagenturen und Sozialämtern treffen zwei verschiedene Verwaltungskulturen aufeinander: Während die Bundesagentur für Arbeit eine hierarchisch gegliederte (und zudem die größte) Bundesbehörde mit Anweisungscharakter ist, sind die Kommunen politisch selbständige Einheiten und innerhalb ihres Aufgabengebietes dem Bund gegenüber nicht direkt weisungsgebunden. Zudem werden die Bürgermeister – anders als die Leiter der Agenturen für Arbeit – gewählt. In der Praxis gab es durch die unterschiedlichen Auffassungen auch in zahlreichen Landkreisen Streitigkeiten innerhalb der Arbeitsgemeinschaften, die in Einzelfällen bis zur Auflösung einer solchen gingen. Durch zwei verschiedene Arbeitgeber (Agentur/Kommune) gibt es in der Arbeitsgemeinschaft des Weiteren unterschiedliche Loyalitäten.

Das Ziel, die Verwaltung effektiver zu machen, wurde großteils nicht erreicht. Im Juni 2006 stellte der Ombudsrat für das SGB II in seinem Abschlussbericht fest, dass das rechtliche Konstrukt „ARGE“ in seiner aktuellen Form nicht administrierbar sei.

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes sollen alle 370 Jobcenter künftig als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) organisiert werden. [6] Aufgrund von Streitigkeiten in der Regierungskoalition bleibt es jedoch offen, ob die ZAGs als Nachfolger der ARGEn überhaupt realisiert werden[7]. Nach Schaffung der gesetzlichen Grundlagen und Grundgesetzänderung für diese Mischverwaltung des Bundes und der Kommunen sollen die ARGEn ab 1. Januar 2011 „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG) heißen. Hier würden auch alle Beschäftigten nicht mehr für getrennte Dienstherren/Arbeitgeber, sondern für die ZAG arbeiten.

Finanzierung

Ein häufiger Streitpunkt zwischen den Trägern der Jobcenter in Form einer Arbeitsgemeinschaft ist die Aufteilung der Verwaltungskosten zwischen der Kommune und der Agentur für Arbeit. Wie massiv solche Auseinandersetzungen sein können, zeigten vereinzelte Kündigungen von Arbeitsgemeinschaften im Jahr 2007, die nur aus diesem Grund erfolgten.[8]

Ablehnung des Namens/Kritik an der Ablehnung des Namens

Häufig wird kritisiert, dass der neue Name „Jobcenter“ ein Anglizismus ist und somit die Anglisierung der Sprache auch von offizieller Seite vorangetrieben werde. Andere hingegen begrüßen den Begriff als Abbau von Sprachbarrieren zwischen den Nationen.

Einzelnachweise

  1. http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000200/html/sgb2/bmas/zuordnungen_200707.pdf
  2. http://www.haufe.de/SID141.QOGaHUfL03s/sozialversicherung/newsDetails?newsID=1204531610.47&d_start:int=1&topic=Leistungsrecht&topicView=Leistungsrecht&
  3. § 29 Abs. 1 SGB III
  4. http://www.haufe.de/SID141.QOGaHUfL03s/sozialversicherung/newsDetails?newsID=1204531610.47&d_start:int=1&topic=Leistungsrecht&topicView=Leistungsrecht&
  5. a b Bundesverfassungsgericht: Leitsatz zum Urteil des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04 – 2 BvR 2434/04
  6. http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/448715
  7. http://www.tagesschau.de/inland/jobcenter114.html
  8. http://www.arbeitsagentur.de/nn_29234/Dienststellen/RD-BY/RD-BY/Presse/Presseinfo-2007/PI-07-008-Kommunaler-Finanzierungsanteil.html

Weblinks


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