- Ziehen mit Zurücklegen
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Die Binomialverteilung (manchmal nicht ganz korrekt auch Bernoulli-Verteilung genannt) ist eine der wichtigsten diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen.
Sie beschreibt den wahrscheinlichen Ausgang einer Folge von gleichartigen Versuchen, die jeweils nur zwei mögliche Ergebnisse haben, also die Ergebnisse von Bernoulli-Prozessen. Wenn das gewünschte Ergebnis eines Versuches die Wahrscheinlichkeit p besitzt, und die Zahl der Versuche n ist, dann gibt die Binomialverteilung an, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich insgesamt k Erfolge einstellen. Unter diesen Voraussetzungen ist der Versuch ein Bernoulli-Versuch.
Die Binomialverteilung ist zur Beschreibung von Zufallsgrößen der folgenden Art geeignet:
- Die Bestimmung der Anzahl einer bestimmten Eigenschaft in einer Stichprobe aus einer Menge von Elementen, wenn die Reihenfolge beim Entnehmen der Stichprobe aus der Gesamtmenge keine Rolle spielt, und die entnommenen Elemente wieder zurückgelegt werden („Ziehen mit Zurücklegen“). Beispiel: Ein Korb enthält N Bälle, davon sind M schwarz und N − M weiß. Die Wahrscheinlichkeit, einen schwarzen Ball zu ziehen, ist also p = M / N. Es werden einzeln und nacheinander insgesamt n Bälle entnommen, untersucht und wieder zurückgelegt. Dabei werden k Schwarze identifiziert. Insgesamt gibt es Nn Möglichkeiten für die Auswahl der Bälle. In Fällen davon werden k schwarze Bälle ausgewählt, d. h. die Wahrscheinlichkeit, unter n Bällen genau k schwarze zu finden ist
- Der erste Term ist der Binomialkoeffizient. Die Binomialverteilung ist dabei auch auf Probleme ohne Zurücklegen anwendbar. Diese Bedingung existiert in diesem Beispiel, damit die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg sich nicht ändert.
Die Binomialverteilung bzw. der Bernoulliversuch kann mit Hilfe des Galtonbretts veranschaulicht werden. Dabei handelt es sich um eine mechanische Apparatur, in die man eine beliebige Zahl von Kugeln werfen kann. Diese fallen dann zufällig in eines von mehreren Fächern, wobei die Aufteilung der Binomialverteilung entspricht.
Obwohl die Binomialverteilung bereits lange vorher bekannt war, wurde der Begriff zum ersten Mal 1911 in einem Buch von George Udny Yule verwendet.[1]
Inhaltsverzeichnis
Definition der Binomialverteilung
Die diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung
heißt die Binomialverteilung zu den Parametern n (Anzahl der Versuche) und (Trefferwahrscheinlichkeit).
Dabei wird nur den Zahlen eine Wahrscheinlichkeit ungleich Null zugeordnet. Die zur Trefferwahrscheinlichkeit p komplementäre Ausfallwahrscheinlichkeit 1 − p wird häufig als q abgekürzt. Nach dem binomischen Lehrsatz gilt
was eine notwendige Bedingung für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung darstellt.
Eine diskrete Zufallsgröße X heißt binomialverteilt mit den Parametern n und p, wenn sie die Wahrscheinlichkeiten
und damit die Verteilungsfunktion
besitzt.
Eigenschaften der Binomialverteilung
Symmetrie
- Die Binomialverteilung ist im Spezialfall p = 0,5 symmetrisch und ansonsten asymmetrisch.
- Die Binomialverteilung besitzt die Eigenschaft B(k | p,n) = B(n − k | q,n) mit q = 1 − p.
Erwartungswert und Varianz
Die Binomialverteilung besitzt den Erwartungswert np und die Varianz npq mit q = 1 − p.
Beweis
Den Erwartungswert errechnet man direkt aus der Definition zu
oder alternativ mit der Summenregel für Erwartungswerte, wenn man berücksichtigt, dass die identischen Einzelprozesse der Bernoulli-Verteilung mit genügen, zu
Die Varianz bestimmt sich analog direkt aus dem Verschiebungssatz zu
oder alternativ aus der Summenregel für die Varianz unabhängiger Zufallsvariablen, wenn man berücksichtigt, dass die identischen Einzelprozesse der Bernoulli-Verteilung mit genügen, zu
Die zweite Gleichheit gilt, da die Einzelexperimente unabhängig sind, so dass die Einzelvariablen unkorreliert sind.
Variationskoeffizient
Aus Erwartungswert und Varianz erhält man sofort den Variationskoeffizienten
Schiefe und Wölbung
Die Schiefe ergibt sich zu
Die Wölbung lässt sich ebenfalls geschlossen darstellen als
Maximum
Das Maximum wird für p < 1 bei und für p = 1 bei n angenommen. Falls np + p eine natürliche Zahl ist, ist B(k | p,n) auch bei k = np + p − 1 maximal. Falls der Erwartungswert eine natürliche Zahl ist, ist der Erwartungswert die Maximalstelle.
Beweis
Sei ohne Einschränkung 0 < p < 1. Wir schauen uns den Quotienten an. Es gilt . Nun gilt αk > 1 falls k < np − (1 − p) und αk < 1 falls k > np − (1 − p). Und nur im Falle, dass , ist B(np − (1 − p) | n,p) = B(np + p | n,p). Die Aussage ist bewiesen.
Charakteristische Funktion
Die charakteristische Funktion hat die Form
- φX(s) = ((1 − p) + peis)n = (q + peis)n.
Erzeugende Funktion
Für die erzeugende Funktion erhält man
- gX(s) = (ps + (1 − p))n.
Momenterzeugende Funktion
Die momenterzeugende Funktion der Binomialverteilung lautet
Summe binomialverteilter Zufallsgrößen
Für die Summe Z = X + Y zweier unabhängiger binomialverteilter Zufallsgrößen X und Y mit den Parametern n1, p und n2, p erhält man die Einzelwahrscheinlichkeiten
also wieder eine binomialverteilte Zufallsgröße, jedoch mit den Parametern n1 + n2 und p.
Allgemein gilt: Wenn die m Zufallsvariablen Xi stochastisch unabhängig sind und den Binomialverteilungen B(ni,p) genügen, dann ist auch die Summe binomialverteilt, jedoch mit den Parametern und p.
So ist zum Beispiel
hypergeometrisch verteilt.
Beziehung zu anderen Verteilungen
Beziehung zur Bernoulli-Verteilung
Ein Spezialfall der Binomialverteilung für n = 1 ist die Bernoulli-Verteilung. Die Summe von unabhängigen und identischen Bernoulli-verteilten Zufallsgrößen genügt demnach der Binomialverteilung.
Übergang zur Normalverteilung
Im Grenzfall konvergiert die Binomialverteilung gegen eine Normalverteilung, d. h. die Normalverteilung kann als brauchbare Näherung der Binomialverteilung verwendet werden, wenn der Stichprobenumfang hinreichend groß und der Anteil der gesuchten Ausprägung nicht zu klein sind. (vgl. den Satz von Moivre-Laplace)
Es gilt: μ = np und σ2 = npq. Durch Einsetzung in die Verteilungsfunktion der Normalverteilung folgt:
Eine Faustregel besagt, dass diese Näherung brauchbar ist, sofern np > 4 und nq > 4, oder auch . Je asymmetrischer die Binomialverteilung, umso größer muss n sein, bevor die Normalverteilung eine brauchbare Näherung liefert.
Übergang zur Poisson-Verteilung
Eine asymptotisch asymmetrische Binomialverteilung, deren Erwartungswert np für große und kleine gegen eine von n unabhängige Konstante λ konvergiert, kann man durch die Poisson-Verteilung annähern. Der Wert λ ist dann für alle in der Grenzwertbildung betrachteten Binomialverteilungen wie auch für die resultierende Poissonverteilung der Erwartungswert. Diese Annäherung wird auch als Poissonscher Grenzwertsatz oder als das Gesetz seltener Ereignisse bezeichnet.
Eine Faustregel besagt, dass diese Näherung brauchbar ist, sofern und n > 1500p, gleichbedeutend mit und .
Die Poisson-Verteilung ist also die Grenzverteilung der Binomialverteilung für große n und kleine p.
Beziehung zur negativen Binomialverteilung
Die negative Binomialverteilung hingegen beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Anzahl der Versuche, die erforderlich sind, um in einem Bernoulli-Prozess eine vorgegebene Anzahl von Erfolgen zu erzielen. Die Zahl der Misserfolge bis zum erstmaligen Eintritt eines Erfolgs wird durch die geometrische Verteilung beschrieben.
Beziehung zur Hypergeometrischen Verteilung
Bei der Binomialverteilung werden die ausgewählten Stichproben wieder zur Auswahlmenge zurückgeführt, können also zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausgewählt werden. Werden im Gegensatz dazu die Stichproben nicht zur Grundgesamtheit zurückgegeben, dann kommt die Hypergeometrische Verteilung zur Anwendung. Beide gehen bei großem Umfang N der Grundgesamtheit und geringem Umfang n der Stichproben ineinander über. Als Daumenwert gilt, dass für die Binomialverteilung der mathematisch anspruchsvolleren Hypergeometrischen Verteilung vorgezogen werden kann, da sie nur unwesentlich voneinander abweichende Ergebnisse liefern.
Beziehung zur Multinomial-Verteilung
Die Binomialverteilung ist ein Spezialfall sowohl der Multinomialverteilung als auch der Panjer-Verteilung.
Beispiele
Symmetrische Binomialverteilung (p gleich 1/2)
Dieses Bild zeigt die Binomialverteilung für p = 0,5 und verschiedene Werte von n als Funktion von k:
Diese Funktion ist spiegelsymmetrisch um den Wert k = n / 2:
- B(k | 0,5,n) = B(n − k | 0,5,n),
wie die folgende Auftragung zeigt:
Die Breite der Verteilung wächst proportional zur Standardabweichung . Der Funktionswert bei k = n / 2, also das Maximum der Kurve, sinkt proportional zu σ. Dementsprechend kann man Binomialverteilungen mit unterschiedlichem n aufeinander skalieren, indem man die Abszisse k − n / 2 durch σ teilt und die Ordinate mit σ multipliziert:
Das folgende Bild zeigt noch einmal reskalierte Binomialverteilungen, nun für andere Werte von n und in einer Auftragung, die besser verdeutlicht, dass sämtliche Funktionswerte mit steigendem n gegen eine gemeinsame Kurve konvergieren. Indem man die Stirling-Formel auf die Binomialkoeffizienten anwendet, erkennt man, dass diese Kurve (im Bild schwarz durchgezogen) eine Gaußsche Glockenkurve ist:
- .
Dies ist die Wahrscheinlichkeitsdichte zur Standard-Normalverteilung . Im zentralen Grenzwertsatz wird dieser Befund so verallgemeinert, dass auch Folgen anderer diskreter Wahrscheinlichkeitsverteilungen gegen die Normalverteilung konvergieren.
Und hier die gleichen Daten in einer halblogarithmischen Auftragung, die sehr zu empfehlen ist, wenn man überprüfen möchte, ob auch seltene Ereignisse, die um mehrere Standardabweichungen vom Erwartungswert abweichen, einer Binomial- oder Normalverteilung folgen:
Ziehen von Kugeln
In einem Behälter befinden sich 80 Kugeln, davon sind 16 gelb. Es wird 5-mal eine Kugel entnommen und anschließend wieder zurückgelegt. Wegen des Zurücklegens ist die Wahrscheinlichkeit, eine gelbe Kugel zu ziehen, bei allen Entnahmen gleich groß: 16/80 = 1/5 = 0,2. Die Verteilung B(k|0,2; 5) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass genau k der entnommenen Kugeln gelb sind.
B(k|0,2; 5) k Wahrscheinlichkeit in % 0 32,768 1 40,96 2 20,48 3 5,12 4 0,64 5 0,032 ∑ 100 Erw.Wert 1 Varianz 0.8 Anzahl Personen mit Geburtstag am Wochenende
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in diesem Jahr an einem Wochenende Geburtstag hat, beträgt 2/7. In einem Raum halten sich 10 Personen auf. Die Verteilung B(k|2/7; 10) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass genau k der Anwesenden in diesem Jahr an einem Wochenende Geburtstag haben.
B(k|2/7; 10) k Wahrscheinlichkeit in % (gerundet) 0 3,46 1 13,83 2 24,89 3 26,55 4 18,59 5 8,92 6 2,97 7 0,68 8 0,10 9 0,01 10 0,00036 ∑ 100 Erw.Wert 2,86 Varianz 2,04 Gemeinsamer Geburtstag im Jahr
253 Personen sind zusammen gekommen. Die Verteilung B(k|1/365; 253) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass genau k Anwesende an einem zufällig gewählten Tag Geburtstag haben.
B(k|1/365; 253) k Wahrscheinlichkeit in % (gerundet) 0 49,95 1 34,72 2 12,02 3 2,76 4 0,47 Die Wahrscheinlichkeit, dass "irgendjemand" dieser 253 Personen, d.h. 1 oder mehrere Personen, an diesem Tag Geburtstag haben, beträgt somit 1 - B(0|1/365; 253) = 50.05%. Die Schwelle der Anzahl von Personen, ab der die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens 1 dieser Personen an einem zufällig gewählten Tag Geburtstag hat, größer als 50% wird, beträgt 253 Personen (siehe Geburtstagsparadoxon).
Die direkte Berechnung der Binomialverteilung kann aufgrund der großen Fakultäten schwierig sein. Eine Näherung über die Poisson-Verteilung ist zulässig (n>50, p<0,05). Mit dem Parameter λ = np = 253/365 ergeben sich folgende Werte:
P253/365(k) k Wahrscheinlichkeit in % (gerundet) 0 50 1 34,66 2 12,01 3 2,78 4 0,48 Konfidenzintervall für eine Wahrscheinlichkeit
In einer Meinungsumfrage unter n Personen geben k Personen an, die Partei A zu wählen. Bestimme ein 95% -Konfindenzintervall.
Eine Lösung des Problems ohne Rückgriff auf die Normalverteilung findet sich im Artikel Konfidenzintervall einer unbekannten Wahrscheinlichkeit.
Auslastungsmodell
Mittels folgender Formel lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass k von n Personen eine Tätigkeit, die durchschnittlich m Minuten pro Stunde dauert, gleichzeitig ausführen.
Zufallszahlen
Zufallszahlen zur Binomialverteilung werden üblicherweise mit Hilfe der Inversionsmethode erzeugt.
Einzelnachweise
- ↑ George Udny Yule: An Introduction to the Theory of Statistics. Griffin, London 1911, S. 287
Weblinks
- Bernoulli-Versuche und Binomialverteilung
- Tabellen zur Binomialverteilung für einfache und kumulierte Wahrscheinlichkeiten
- Binomial- und Normalverteilung – Online-Lehrgang mit dynamischen Arbeitsblättern (Java-Plugin benötigt)
- Interaktive Animation – Universität Konstanz (Java-Plugin benötigt)
- Interaktive Animation (Flash-Plugin benötigt)
- Earliest Known Uses of Some of the Words of Probability & Statistics - Kees Verduin.
Diskrete univariate VerteilungenDiskrete univariate Verteilungen für endliche Mengen:
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