- Zufallsbestimmt
-
Beim Zufall handelt es sich um den Übergang aus einer Ausgangssituation, die mehrere Endsituationen ermöglicht, in genau eine dieser Endsituationen, wobei zum einen keine erkennbare Ursache für das Zustandekommen dieser einen Endsituation vorliegt und zum anderen bei wiederholtem Vorliegen derselben Ausgangssituation auch die anderen Endsituationen eintreten können.
Umgangssprachlich wird der Begriff Zufall – oder „reiner“ Zufall – verwendet, wenn ein Ereignis nicht kausal erklärbar ist. Deshalb sind die Phänomene der Quantenphysik ein Bereich, in dem es „reine“ Zufälle gibt. Zum Beispiel ist der Zerfall eines einzelnen Atomkerns eines Radionuklids zeitlich nicht vorhersagbar, sondern lediglich die Mengenabnahme einer größeren Probe der Substanz mittels der Halbwertszeit. Der Begriff Zufall ist schwer gegen die Begriffe Unberechenbarkeit oder Unvorhersagbarkeit (siehe auch Berechenbarkeit beziehungsweise Vorhersagbarkeit) abgrenzbar und wird davon nicht immer unterschieden.
Inhaltsverzeichnis
Wissenschaftliche Einordnung
Eine mehr oder weniger systematische Untersuchung des Phänomens Zufall geschieht
- in der Philosophie (Was ist Zufall?)
- in der Mathematik (Wie lässt sich Zufall quantitativ fassen (Wahrscheinlichkeitsrechnung, Stochastik)? Wie lässt sich Zufall künstlich erzeugen (Zufallszahl und Pseudozufallszahl)?)
- in der Physik (Welche Prozesse sind zufällig, welche determiniert?)
- in der Psychologie (Warum haben Menschen Erwartungen (und welche) über das, was geschehen wird? Warum reagieren sie unterschiedlich, Beispiel Zwillinge)
- in der Soziologie (Wie entwickelt sich die Gesellschaft? Gibt es sozio-historische Gesetze? (siehe auch Geschichtsphilosophie)
Zufallsprozesse in der Welt
Teilbereiche der Philosophie beschäftigen sich mit der Frage, ob unsere Welt im innersten deterministisch (also kausal eindeutig vorherbestimmt) oder zufällig ist. Bei auf den ersten Blick zufällig erscheinenden Ereignissen stellt sich die Frage, ob der Beobachter lediglich zu wenig Informationen hatte, um eine exakte Vorhersage zu treffen, oder ob das beobachtete System in sich zufällig ist.
Bei der ersten Art – den deterministischen Systemen – ist das Ergebnis eines Experiments bei identischen Bedingungen immer gleich. Eine beobachtete Varianz lässt darauf schließen, dass der Beobachter an zumindest einer Stelle ungenau gemessen hat. Heute untersucht die Chaosforschung deterministisch chaotische Systeme; das sind deterministische Systeme, die sich aber aufgrund ihrer großen Komplexität für den Menschen momentan unvorhersagbar verhalten.
Dies beschäftigte auch den Astrophysiker Steven Klein und ließ ihn zu folgender Auffassung kommen :"Es gibt keinen Zufall, lediglich eine Menge unbestimmter Faktoren die wir weder beeinflussen können noch wollen." Als Beispiel bringt er das berühmte `Münzenwerfen`, welches unter anderem von der Oberfläche der Münze, Luftdruck/-temperatur, oder etwa einem Luftzug abhänge. "Natürlich gibt es auch komplexere Beispiele, wie zum Beispiel das Wetter. Die Annahme "das Wetter ist unvorhersehbar" ist aber falsch. Es werden lediglich zu wenig Parameter verwendet." [1]
Die Quantenphysik hat eine neuerliche Diskussion darüber ausgelöst, ob die Welt fundamental deterministischen oder im innersten zufälligen Prinzipien gehorcht. Eine der vorherrschenden Deutungen der Quantentheorie (Kopenhagener Deutung) legt z. B. nahe, dass gleiche Experimente unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist der radioaktive Zerfall. Hier ist zwar bekannt, dass nach dem Verstreichen der Halbwertszeit hinreichend genau die Hälfte der radioaktiven Atome zerfallen sein werden – welche einzelne Atome zerfallen sein werden, lässt sich hingegen nicht vorhersagen.
Es gibt alternative Deutungen der Quantenmechanik, die vorschlagen, dass verborgene Variablen der Grund für die scheinbar zufälligen Phänomene sind. D.h. dass die beobachteten Zufälle eigentlich deterministische Prozesse sind und die Wissenschaft derzeit nur noch nicht in der Lage ist, die zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten zu durchschauen.
Daneben gibt es eine Theorie, die besagt, dass zufällige Quanteneffekte nur auf mikroskopischer Ebene eine Rolle spielen und diese Effekte nicht in den Makrokosmos durchdringen. Größere Objekte blieben somit von Quanteneffekten zunehmend unberührt und verhalten sich deterministisch.
Zufall und freier Wille
Zwischen den Begriffen Zufall und freier Wille existiert ein enger Zusammenhang. Es kann argumentiert werden, dass eine freie Entscheidung, zumindest teilweise, durch andere Einflüsse (innerer und äußerer Art) nicht beeinflusst ist. Sie ist also nicht determiniert. Dies lässt sich indes gerade auch als Definition von Zufall ansehen: Nach der Auffassung kann es in einem Universum ohne Zufall keinen freien Willen geben, da jede Entscheidung bei Kenntnis aller Einflussgrößen vorhergesagt werden könnte. Aber wenn unsere Entscheidungen zufällig zustande kommen, ist das erst recht nicht, was wir uns unter freiem Willen vorstellen.
Immanuel Kant schlägt dafür in der Kritik der reinen Vernunft folgenden Ausweg vor: Der Widerspruch zwischen Determinismus und Unbestimmtheit des Willens („Antinomie“ der Willensfreiheit) entsteht nur, wo Erscheinungen (der Erfahrungswelt) mit dem „Ding an sich“ gleichgesetzt werden. „Denn, sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, so ist Freiheit nicht zu retten. (…) Wenn dagegen Erscheinungen für nichts mehr gelten, als sie in der Tat sind, nämlich nicht für Dinge an sich, sondern bloße Vorstellungen, die nach empirischen Gesetzen zusammenhängen, so müssen sie selbst noch Gründe haben, die nicht Erscheinungen sind.“ (B 564f, Kritik der reinen Vernunft). Willensfreiheit bedeutet danach „das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen“ (B 561, Kritik der reinen Vernunft).
Zufall im Recht
Zufall ist im deutschen Zivilrecht die weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit einer Person beruhende Ursache von Ereignissen. Grundsätzlich trägt jeder, der durch Zufall einen Schaden erleidet, diesen Schaden selbst; jedoch haften z. B. der Schuldner im Verzug und der Dieb. Letzter haftet nach dem römischen Rechtssatz "Fur semper in mora", weil er immer im Verzug ist (nämlich im Verzug der Rückgabe). Dies hat zur Folge, dass der Dieb immer für den zufälligen Untergang der Sache haftet, selbst wenn der Untergang der Sache für ihn weder vermeidbar noch vorhersehbar war.
Einzelnachweise
- ↑ (Lexikon der Paranomalie III, Kapitel 20, S. 596, Zeile 5ff.)
Siehe auch
- Randomisation
- Risiko
- Kontingenz
- Schicksal
- Serendipity
- Synchronizität (im Sinne C. G. Jungs)
- Zufallsexperiment
- Zufallssequenz
Literatur
Zeitgenössische Werke
- Karl Bosch: Statistik für Nichtstatistiker. Zufall oder Wahrscheinlichkeit. Oldenbourg Verlag, München 2007, ISBN 978-3-486-58219-2.
- Allan Combs, Mark Holland: Die Magie des Zufalls Synchronizität, eine neue Wissenschaft ("Synchronicity"). Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-19177-6.
- Manfred Eigen, Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. Piper Verlag, München 1996, ISBN 3-492-20410-4.
- Gerd Gigerenzer u.a.: Das Reich des Zufalls. Wissen zwischen Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten und Unschärfen (The empire of chance). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999, ISBN 3-8274-0101-1 (Buch über die Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung).
- Stefan Klein: Alles Zufall. Die Kraft, die unser Leben bestimmt. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005, ISBN 3-498-03519-3.
- Klaus Mainzer: Der kreative Zufall. Wie das Neue in die Welt kommt. Beck, München 2007 ISBN 3-406-55428-8
Klassische Werke
- Aristoteles: Physika. Akademischer Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-05-000695-1.
- Jakob Bernoulli: Wahrscheinlichkeitsrechnung, Ars conjectandi (Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften; Bd. 107). Edition Deutsch, Thun 2002, ISBN 3-8171-3107-0 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1713).
- Pierre Simon Laplace: Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit (Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften; Bd. 233). Edition Deutsch, Thun 1998, ISBN 3-8171-3233-6 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1814).
Weblinks
Wikimedia Foundation.