Zweite Heilbronner Synagoge

Zweite Heilbronner Synagoge
Gotische Fenster aus dem 14. Jahrhundert am Kieselmarkt

Die Zweite Heilbronner Synagoge (1357-1490) am Kieselmarkt war das Zentrum der jüdischen Gemeinde in Heilbronn im späten Mittelalter. Am Heilbronner Kieselmarkt bestanden die zweite Synagoge (1357), die rituellen Bäder und ein Friedhof der Heilbronner Juden. Nach dem Stadtverbot für Juden im späten 15. Jahrhundert wurde das Gelände von der Reichsstadt Heilbronn erworben und überbaut.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Synagoge

Die zweite Synagoge stand an der Stelle des Hauses Lohtorstraße 22. Mit ihrem Bau wurde im Monat Adar (Februar/März) des Jahres 1357 durch Mose, Sohn des Eljakim, begonnen. Sie ersetzte die 1349 verbrannte Synagoge Ecke Lohtorstraße/Sülmerstraße. Diese Synagoge wird als „einen ganzen Stock aus Stein“ beschrieben.

Nach dem Stadtverbot für die Heilbronner Juden steht auch die Synagoge zum Verkauf an. Philipp der Ältere, Herr zu Weinsberg, gibt am 19. August 1490 jedoch folgendes zu bedenken:[1]

„Uns langt an, wie i(h)r in vorhaben sten sollt, die jüdische sinagog bei euch mit dero zugehörde verkaufs oder ander enderung abgen zu lassen, das wo dem also, uns ansehe(n) nicht zu geringem nachteil lauffen an unser judenstew(u)r bei euch und anderen stettn in der nider landt vogtei zu Schwaben, darmit wir von römischen keisern und königen löblich begnadet sind etc. Begern davon gar gütlich bitten, ir wollet euch des enthalten [...] dann wes ewer fürnemen des orts abbruch […]“

Der Stadtrat erwidert daraufhin dem Philipp dem Älteren, dass dem Fiskal Martin (Bevollmächtigter des Kaisers) befohlen worden sei die Heilbronner Synagoge zum Verkauf freizugeben. Am 20. September 1490 antwortet der Rat dem Fiskal Martin, in seiner Anfrage bzgl des Kaufs der „Judenschule“, dass sie bereit sei den Preis für den Kauf der „Synagoge und Leichlege“ zu bezahlen und erwirbt von Kaiser Friedrich III. die „Judensynagoge und Judenschule zu Heilbronn samt dem Friedhof“ für 250 Gulden.

Daraufhin kommt am 15. Januar 1491 Widerspruch seitens des „Juden Abraham von Kaltenwesten und Naten von Talheim“:

„Es lange sie an, dass der Rat im Fürnehmen sein, ihr Erb- und vom Rat erkauftes Gut ihnen zu entfremden, obwohl dieses Gut ihnen und der gemeinen judßhait vo schier 200 Jahren hochgefreit und bestätigt worden und obwohl die Stadt Heilbronn jährlich den schuldigen Zins und den bedingten Zoll erhalten habe. Der Rat möchte sie arme Juden bei ihren Rechten und dem alten Herkommen bleiben und sie zu dem Ihren ab und zu wandeln und kommen lassen als verpflichtete Zinsträger.“

Später scheint Jos Unverworren die Synagoge gehört zu haben, denn er zahlt der Stadt 1497 14 Schilling und 4 1/2 Hellerzins aus seinem Haus „das die Judenschul gewest ist“.[2]

Mikwe

Verschiedene Mikwaot (hebr. מקװאות) sind nachweisbar erstens an der Stelle des Hauses Kieselmarkt 1, zu dem eine unterirdische Verbindung zur zweiten Mikwa (hebr. מקוה) der zweiten Synagoge in der Lohtorstraße 22 bestand, und drittens in dem früheren Eckhaus Lammgasse/Lohtorstraße 33. Da sich die Mikwa nahe dem ersten jüdischen Friedhof unmittelbar am Rathaus, am Kieselmarkt befand, könnte es sich dabei zuerst um einen Totenwaschraum gehandelt haben, der nach Stilllegung des Friedhofes 1415 in ein rituelles Bad umgewandelt wurde. 1518 wird die Mikwa als „Judenbad in der Nähe des Lederhauses“ erwähnt.[3] Später soll sie als Färbhaus gedient haben. Die unterirdischen Verbindungswege zu den Mikwot sind nach 1944 entdeckt und kurz vor 1956 mit Trümmern der Stadt aufgefüllt worden.[4]

Mittelalterliche Judenfriedhöfe in Heilbronn

Grabstein vom 22. Januar 1408 des Samuel Bar Majr (hebr. שמואל בַר־מאירִ)

An der ehemaligen Judengasse (heute Lohtorstraße) befand sich am Kieselmarkt ein Judenfriedhof, (hebr. בית עלמין „Beth Olamin“, Haus der Ewigkeiten).

Vor 1000

Im Keller der zweiten Synagoge in der Lohtorstraße 22 wurden auch unterirdische Grabanlagen aus dieser Zeit, so genannte Ossuarien, gefunden. Unterirdische Grabanlagen war durchaus üblich. So benutzten die Sephardim zur Zeit der Staufer in Unteritalien und Sizilien Katakomben, wo die Toten ihre „Totenwelt“ hatten. Ähnlich bei den Ptolemäern in Alexandria.

Das erklärt die Tatsache, dass jüdische Grabsteine in Deutschland vor dem Jahre 1000 nicht zu finden waren. Nach mediterraner Sitte fand die Beisetzung der Toten in Katakomben in Nischen oder Ossuarien (Knochenkisten) statt. Die Nischen werden nach der Beisetzung mit einem Grabstein vermauert, auf dem der Name des Beigesetzten steht. Ein Beleg für die unterirdische Beisetzung wurde 1944 nach dem großen Luftangriff auf Heilbronn gefunden: Im unterirdischen Gewölbe der 1357 darüber erbauten zweiten Synagoge, (später Gasthaus zur Fischerstube) befand sich ein 21 × 50 cm großer Sandsteinquader mit der Inschrift Nathan haParnass (hebr. נתן הפרנס) d.h. Nathan der (Gemeinde-)Vorsteher.[5] Die Form der Schrift stammt vermutlich aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Mangels Ehrenbezeugungen oder Segenswünsche, die seit dem 11. Jahrhundert üblich waren, kann der Grabstein des Ossuars von Nathan haParnass auf die Zeit vor 1100 datiert werden.[6] Der Grabstein des Nathan haParnass befindet sich im Museum in Heilbronn.

Nach 1000

Der Begriff Kieselmarkt stammt vermutlich von den Kieseln.[7] Da die Toten eines jüd. Friedhofes nicht mit gärenden, säuernden oder sonstigen Nebenprodukten der Zersetzung verunreinigt werden sollen, verzichtet man auf Blumenschmuck, stattdessen werden kleine Steine oder Kieselsteine auf die Grabplatten gelegt. Ein Beleg für den jüdischen Friedhof am Rathaus („Kieselmarkt“) ist ein geretteter Grabstein für Samuel (schmu'el = Gott hat erhört) Bar (Sohn) Majr (hebr. שמואל בַר־מאירִ), der auf dem jüdischen Friedhof am Kieselmarkt am 22. Januar 1408 begraben wurde. Der an das Rathaus angrenzende jüdische Friedhof wurde 1490 gemeinsam mit der Judenschule angekauft und mit reichsstädtischen Gebäuden überbaut. Der Grabstein des Samuel Bar Mejr befindet sich im Lapidarium (Milchhof) zu Heilbronn.

Nach 1415

Im November 1415 stellten die Heilbronner Juden beim Rat eine Anfrage bzgl. eines neuen jüd. Friedhofs. Jüdische Gräber dürfen nämlich nicht wiederbelegt werden, so kam es dass der Friedhof am Kieselmarkt wegen Vollbelegung nicht mehr benutzt werden durfte. Der Rat gab den Heilbronner Juden einen „judenkirchhoff uff unserm wasen by den garten“ vor dem Brückentor auf der anderen Neckarseite. Der „judenkirchhoff“ findet in den Urkundenbüchern 1426, 1478 und 1480 Erwähnung. 1486 wird ein städt. Grundstück als beim „Judenkirchhof gelegen“ bezeichnet. 1855 konnte bei Arbeiten für den Hafen ein Grabstein aus dem Jahre 1420 des „Judenkirchhofs“ geborgen werden und wurde daraufhin auf den jüdischen Friedhof nach Sontheim verbracht.

In der Nähe des zweiten Judenfriedhofs befanden sich auch die „Hexensäulen“. Nach jüdischer Tradition gibt es keine Wiederauferstehung nach der Verbrennung. Deshalb bedeuteten die „Judenbrände“, d.h. die Verbrennungen von Juden, insbesondere von Jüdinnen an den „Hexensäulen“ in unmittelbarer Nähe zu ihrem Friedhof ein besonderes Unglück für die Betroffenen.

Literatur

  • Eugen Knupfer (Bearb.): Urkundenbuch der Stadt Heilbronn. Kohlhammer, Stuttgart 1904 (Württembergische Geschichtsquellen. N. F. 5)
  • Wilhelm Steinhilber: Das Gesundheitswesen im alten Heilbronn 1281–1871. Herausgegeben aus Anlass der Stiftung des Kathrinenhospitals in Heilbronn (23. April 1306), Heilbronn, 1956.
  • Dumitrache, Marianne und Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Bd. 8.: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8
  • Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn mit Böckingen, Neckargartach, Sontheim. Die alte Stadt in Wort und Bild. Bd. 1: Fotos von 1860 bis 1944., Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn 1966

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Knupfer Heilbronner Urkundenbuch, "Kaiser Friedrich bevollmächtigt seinen Rat, den kaiserlichen Kammerprokurator und Fiskal Heinrich Martin an den Rat und befiehlt, dass sich der Rat ihm,[…]gehorsam erzeige - Linz 1490, Mai 22" Nr. 1572 Seite 471 (Zeile 5).
  2. Knupfer Heilbronner Urkundenbuch, "Kaiser Friedrich bevollmächtigt seinen Rat, den kaiserlichen Kammerprokurator und Fiskal Heinrich Martin an den Rat und befiehlt, dass sich der Rat ihm,[…]gehorsam erzeige - Linz 1490, Mai 22" Nr. 1572 Seite 472 (Zeile 19).
  3. Dumitrache Archäologischer Stadtkataster Heilbronn Nr. 92 Mikweh II/Synagoge II, abgegangen, Lohtorstraße/Ecke Rathausgasse, Zufahrt Tiefgarage, ehem. Lothorstraße 22, Seite 116.
  4. Steinhilber: Das Gesundheitswesen im alten Heilbronn 1281-1871. Die Judenfriedhöfe, Seite 357.
  5. http://www.mahnung-gegen-rechts.de/pages/staedte/Heilbronn/pages/menschenverachtend.htm
  6. Steinhilber: Das Gesundheitswesen im alten Heilbronn 1281–1871. Die Judenfriedhöfe, Seite 356.
  7. Andere Quellen nennen den Platz im 17. Jahrhundert auch Kesselmarkt, jedoch ist der Name Kieselmarkt seit 1627 nachgewiesen. Die Kiesel können auch Ersatz für eine fehlende Pflasterung des Ortes gewesen sein. (Quelle: Adressbuch der Stadt Heilbronn 1975).
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