Zystinurie

Zystinurie
Klassifikation nach ICD-10
E72.0 Störungen des Aminosäuretransportes
Zystinurie
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Cystinurie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung des Menschen, bei der es zu einer erhöhten Ausscheidung der Aminosäure Cystin, sowie den strukturverwandten Aminosäuren Arginin, Lysin und Ornithin über den Urin kommt. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt und gehört neben dem Hartnup-Syndrom zu den Aminosäuretransportstörungen. Im Falle der Cystinurie liegt der Defekt in einer homozygot oder heterozygot vorliegenden Mutation des rBAT-Gens auf Chromosom 2 (auch SLC3A1, 2pter-q32.3[1]), das für die schwere Untereinheit des Cystintransporters codiert (Molekülmasse 90kDa)[2]. Betroffenen Personen fehlt dieses transmembranöse Transportprotein in den Epithelzellen des Dünndarms und des proximalen Nierentubulus, das Cystin (die extrazelluläre, oxidierte Form des Cysteins) und die oben genannten Aminosäuren aus dem Primärharn reabsorbiert. Konsekutiv ist die Ausscheidung, insbesondere des Cystins, auf das 20-30fache der Norm erhöht, während die Konzentration im Blut unverändert bleibt.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Die Cystinurie ist mit einer Prävalenz von ca. 1:20.000 eine relativ seltene Erkrankung.

Klinik

Cystin weist als einzige der dibasischen Aminosäuren eine schlechte Lösbarkeit bei normalem Urin-pH auf. Ab einer Konzentration von ≥300mg/l kommt es zu einer Ausfällung mit Bildung hexagonaler Kristalle im Urin bzw. von Cystinsteinen in den ableitenden Harnwegen (etwa 1% aller Harnsteine). 50% aller Patienten mit Cystinurie entwickeln Harnsteine, von diesen wiederum zeigen 75% ein bilaterales Vorkommen. Symptome der Nephrolithiasis, respektive Urolithiasis, sind kolikartige Schmerzen im Bereich des Nierenlagers bei Steinabgang, die in die Leistengegend ausstrahlen können. Eine Hämaturie kann begleitend auftreten, komplizierend kann ein Harnwegsinfekt entstehen.

Diagnostik

Wegweisend für die Cystinurie ist das charakteristische Aminosäuremuster im Urin. Definitive Klarheit verschafft eine molekulargenetische Untersuchung. Vielfach wird die Diagnose aber erst im Nachgang der Erstmanifestation eines Steinleidens gestellt, da die Erkrankung vorher asymptomatisch verläuft. Zur Diagnostik der Urolithiasus gehören, neben der typischen Anamnese und Klinik, der Urinstatus, die Sonographie und das Urogramm.

Therapie

Die Akuttherapie richtet sich im Falle kleinerer oligosymptomatischer Steine auf den Versuch einer medikamentösen Lyse mit D-Penicillamin oder α-Mercaptopropionylglycin bei gesteigerter Flüssigkeitszufuhr, Diurese und Harnalkalisierung. Andernfalls kommt, abhängig von der Größe des Steins, das gesamte urologisch-interventionelle bzw. -operative Spektrum zum Einsatz (ESWL = Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie, PNL = perkutane Nephrolitholapaxie u.a.).
Die eigentliche Therapie richtet sich schwerpunktmäßig auf die Prävention eines chronisch-rezidivierenden Steinleidens, um Komplikationen wie z. B. chronische Harnwegsinfekte, Niereninsuffizienz etc. zu vermeiden. Die Basis bildet hierbei eine konstant hohe Flüssigkeitszufuhr, bei einem zu erzielenden Urinvolumen von ≥3l/Tag. Um die nächtliche Aggregation von Cystinkristallen zu vermeiden, sollte auch zur und während der Nacht Flüssigkeit zugeführt werden. Da Cystin bei einem pH-Wert von 7,5-8,0 gut wasserlöslich ist, sollte eine Harnalkalisierung mit diesem Zielbereich, z. B. mit Natriumbicarbonat oral, angestrebt werden. D-Penicillamin und α-Mercaptopropionylglycin können auch in der Prophylaxe verwendet werden, da sie mit Cystin besser lösliche Disulfide bilden. Hierbei ist α-Mercaptopropionylglycin aufgrund der größeren therapeutischen Breite der Vorzug zu geben. Eine cystin- und methioninarme Diät kann ergänzend sinnvoll sein[3].

Einzelnachweise

  1. HUGO Gene Nomenclature Committee, [1]
  2. E. Fernández, M. Carrascal, F. Rousaud, J. Abián, A. Zorzano, M. Palacín, J. Chillarón: rBAT-b(0,+)AT heterodimer is the main apical reabsorption system for cystine in the kidney. Am J Physiol Renal Physiol. 2002 Sep;283(3):F540-8. PMID 12167606
  3. K. Ahmed, P. Dasgupta, M.S. Khan: Cystine calculi: challenging group of stones. Postgrad. Med. J. 2006;82;799-801. PMID 17148700
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