Überlinger Münster

Überlinger Münster
Münster St. Nikolaus zu Überlingen.
Der Innenraum des Münsters, Blick in Richtung Hochaltar
Grundriss des Münsters
Madonna auf der Mondsichel, 1510 (Gregor Erhart zugeschrieben)
Schutzmantelmadonna von 1563

Das Münster St. Nikolaus ist die Stadtpfarrkirche von Überlingen am Bodensee. Die fünfschiffige Basilika wurde zwischen 1350 und 1576 im Stil der Spätgotik errichtet. Zur Ausstattung des größten spätgotischen Kirchenbaus am Bodensee gehört ein Schnitzaltar von Jörg Zürn, ein Meisterwerk des deutschen Manierismus (1613–1616). Das Münster überragt die historische Altstadt von Überlingen vor allem durch den hohen Nordturm. Der halbkreisförmige Platz nördlich der Kirche war vor 1530 ein Friedhof. Südlich der Kirche steht das spätgotische Rathaus der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Die Stadt Überlingen besaß wahrscheinlich schon um das Jahr 1000 eine Saalkirche. Im 12. Jahrhundert wurde sie durch eine längere und dreischiffige Säulenbasilika ersetzt. Beide Bauten waren wahrscheinlich im Stil der Romanik gehalten.

Um 1350 begann Baumeister Eberhard Rab mit der Errichtung eines neuen Chorraums in gotischem Stil. Der wesentliche Grund für die Erweiterung war wohl die Erhebung zur Pfarrkirche; zuvor war dies St. Michael (Aufkirch) außerhalb der Stadt gewesen. Für den Neubau wurde Abbruchmaterial verwendet, das aus im Jahr 1349 eingezogenen Besitzungen von Überlinger Juden stammte. Das Langhaus wurde ebenfalls neu errichtet und am 16. April 1408 durch Weihbischof Hermann von Konstanz geweiht. Zur gleichen Zeit entstanden auch die beiden Türme. Der Bau des Südturms wurde 1420 unterbrochen und nie vollendet, der Nordturm erhielt 1576 seine endgültige Form.

Da der Reichtum der Stadt im 14. Jahrhundert wuchs, begann man 1424 mit einem erneuten Neubau des Langhauses. Die benachbarte Reichsabtei Salem hatte soeben das Salemer Münster vollendet; nun begann Überlingen – teilweise unter den gleichen Baumeistern – mit dem Umbau der Stadtkirche zur dreischiffigen Hallenkirche, die kurz darauf sogar zu einer fünfschiffigen Hallenkirche umgebaut werden sollte. Um 1470 wurde die Kirche noch einmal größer, als die Räume zwischen den Strebepfeilern zu Seitenkapellen ausgebaut wurden. Die letzte Erweiterung zur heutigen Form war der Umbau zur Basilika nach 1512, wobei das Ulmer Münster als Vorbild diente. Dabei wurde das Mittelschiff nach oben erweitert und durch Obergaden ergänzt sowie mit Netzrippengewölben überwölbt. 1563 war die heutige Gestalt des Kirchenbaus vollendet.

Ausstattung

Altäre

Der Hochaltar von St. Nikolaus

Das überregional bedeutsamste Kunstwerk des Münsters ist der geschnitzte Hochaltar, den der Überlinger Holzschnitzer Jörg Zürn und seine Mitarbeiter von 1613 bis 1616 schufen. Er besteht aus unbemaltem Lindenholz und ist mit 23 lebensgroßen sowie über 50 kleinen Figuren, teilweise in szenischen Darstellungen, dekoriert. Zentral ist die Geburt Christi dargestellt, daneben Heilige und Apostel, darunter Jakobus der Ältere für die Pilger auf dem Jakobsweg sowie Rochus und Sebastian, die die Stadt vor der Pest beschützen sollten. Unterhalb dieser Szene ist die Verkündigung dargestellt, oberhalb die Krönung der Jungfrau Maria. Auf der vierten Ebene, unterhalb des abschließenden Kruzifixes, thront eine Figur des Bischofs Nikolaus von Myra, dem Patron der Kirche.

In den Seitenkapellen des Langhauses stehen 13 weitere Altäre, die aus der Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert stammen. Die Altaraufbauten sind zum Teil mit prächtigen Schnitzereien dekoriert. Darunter fällt besonders der Rosenkranzaltar im südlichen Seitenschiff ins Auge, den David Zürn 1631 schnitzte. Eine Holzfigur der Muttergottes ist hier umgeben von 15 szenischen Rundreliefs, die Motive aus dem Rosenkranz-Gebet darstellen. Der Marienaltar, von Westen her der vierte im südlichen Seitenschiff, ist nach dem Hochaltar das bedeutendste Kunstwerk im Münster; es handelt sich um das erste Werk des Holzschnitzers Jörg Zürn in Überlingen (1607-1610).

Malereien und Skulpturen

An den Pfeilern des Mittelschiffs sind auf kleinen Konsolen überlebensgroße Holzfiguren der zwölf Apostel und des Erlösers postiert, die aus dem Jahr 1552 stammen.

Die Wand über dem Chorbogen ist mit einem riesigen Fresko bemalt, das das Jüngste Gericht darstellt. Jakob Carl Stauder malte es im Jahr 1722. Es ist vom Laienraum aus gut sichtbar und sollte für die Gläubigen eine ständige Mahnung sein.

In der südwestlichen Vorhalle des Münsters findet sich ein Fresko von Marx Weiß (1563), das eine Schutzmantelmadonna darstellt. Von einem weiteren Fresko von 1493 sind an der Nordseite des Münsters noch Spuren erhalten; es stellte den Tod der Maria und das Jüngste Gericht dar und diente als Schmuck eines Familiengrabes.

Ölberg

Südlich der Kirche steht der so genannte Ölberg, ein halboffener Pavillon, der eine monumentale Christus-Statue beherbergt. Er wurde 1469 von Elbeth Küfferin, einer Überlinger Witwe, gestiftet. Mit der Ausführung des Bauwerks wurde 1493 begonnen. Acht Stützen tragen ein Sterngewölbe. Das Oktogon wurde möglicherweise früher durch ein durchbrochenes Dach bedeckt.

Glocken

Das Geläut, aus acht Glocken bestehend, wurde seit 1741 in seiner Form nicht mehr verändert. Die große Osanna-Glocke zählt zu den eindrucksvollsten Klanginstrumenten aus ihrer Zeit und erklingt nur an Hochfesten. Alle Glocken stammen aus fünf verschiedenen Jahrhunderten und bilden somit das historisch bedeutendste Glockenensemble Baden-Hohenzollerns. Das Totenglöckchen ist die älteste Zuckerhutglocke im Raum Baden-Hohenzollern. Die Glockenstühle stammen aus dem Mittelalter.[1]

Nr. Name
(Funktion)
Gussjahr Gießer,
Gussort
Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(16tel)
Turm
1 Osanna 1444 Ulrich Snabelburg,
St. Gallen
1960 6800 ais0 −4 Osanna- oder
Südturm
2 Spitälerin 1585 Hans Frey,
Kempten
1570 2800 d1 −4 Münster- oder
Nordturm
3 Metzlerin 1741 Peter Ernst,
Lindau
1420 2200 dis1 −5 Münster- oder
Nordturm
4 Chor- und Schülerglocke 1609 Joh. H. Lamprecht,
Schaffhausen
1120 1100 fis1 −7 Münster- oder
Nordturm
5 Lumpenglocke und
Spätwacht
1577 Hans Frey,
Kempten
840 400 h1 +1 Münster- oder
Nordturm
6 Dreiviertel- oder
Evangelistenglocke
~15. Jahrhundert unbekannt 660 200 eis2 +3 Münster- oder
Nordturm
7 Totenglöckchen
(Zuckerhut)
~1200 unbekannt 560 90 c3 −4 Münster- oder
Nordturm
8 Messglöckchen 1714 J. B. Ernst (III),
Lindau
420 50 cis3 −6 Münster- oder
Nordturm

Einzelnachweise

  1. Kurt Kramer u. a.: Die deutschen Glockenlandschaften. Baden-Hohenzollern. Deutscher Kunstverlag, München, S. 80–81.

Literatur

  • Ulrich Knapp: „Architektur und Skulptur in Überlingen bis zum Ausgang des Mittelalters“, in: Michael Brunner; Marion Harder-Merkelbach (Hrsg.): 1100 Jahre Kunst und Architektur in Überlingen (850-1950). Petersberg: Imhof 2005. ISBN 3-86568-032-1

Weblinks

47.7672222222229.16055555555567Koordinaten: 47° 46′ 2″ N, 9° 9′ 38″ O


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