Χ-Quadrat-Verteilung

Χ-Quadrat-Verteilung
Dichten der Chi-Quadrat-Verteilung mit verschiedenen Freiheitsgraden n

Die Chi-Quadrat-Verteilung ist eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung über der Menge der positiven reellen Zahlen.

Im Allgemeinen ist mit „Chi-Quadrat-Verteilung“ die zentrale Chi-Quadrat-Verteilung gemeint. Ihr einziger Parameter n kann, muss aber nicht, eine natürliche Zahl sein und heißt ihre Zahl der Freiheitsgrade.

Die Chi-Quadrat-Verteilung berechnet die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Werte der Summe unabhängiger quadrierter standardnormalverteilter Zufallsvariablen, wie sie beispielsweise in der Ermittlung der Varianz einer Stichprobe auftreten können. Sie findet außerdem Anwendung beim Chi-Quadrat-Test.


Inhaltsverzeichnis

Definition

Dichte und Verteilung von mehreren Chi-Quadrat-verteilten Zufallsgrößen

Die Chi-Quadrat-Verteilung mit n Freiheitsgraden ist die Verteilung der Summe

\chi_n^2 = Z_1^2 + \dotsb+ Z_n^2

n unabhängiger quadrierter standardnormalverteilter Zufallsvariablen, d. h.

Z_k\sim \mathcal{N}(0,1) für k = 1, \dots, n.

Dichte

Die Dichte fn der \chi_n^2-Verteilung mit n Freiheitsgraden hat die Form:

f_n(x) =
    \begin{cases}\displaystyle
      \frac{x^{\frac{n}{2}-1}e^{ -\frac{x}{2}}}{2^{\frac{n}{2}}\Gamma(\tfrac{n}{2})} & x>0 \\ 
      0                                                                                        & x\leq 0
    \end{cases}

Dabei steht Γ(r) für die Gammafunktion. Die Werte von \Gamma(\tfrac{n}{2}) kann man auch berechnen mit

\Gamma(\tfrac{1}{2}) = \sqrt\pi \; , \quad \Gamma(1) = 1 \; ,
\Gamma(r+1) = r \cdot \Gamma(r) \; \; \mbox{mit} \; r \in \mathbb{R}^+ .

Verteilungsfunktion

Die Verteilungsfunktion kann man nicht in elementarer Form schreiben, jedoch mit Hilfe der regularisierten unvollständigen Gammafunktion:

F_n(x)= P(\tfrac{n}{2},\tfrac{x}{2}).

Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass \chi_n^2 im Intervall [0, x] liegt.

Beispiel

Man macht n Messungen einer Grösse x, die aus einer normalverteilten Grundgesamtheit stammt. Sei \overline{x} der Mittelwert der n gemessenen Werte und

s=\sum_{k=1}^n(x_k-\overline{x})^2

die Summe der quadrierten Abweichungen vom Mittelwert. Dann lässt sich z.B. das 95%-Konfidenzintervall für die Varianz σ2 angeben:

\frac{s}{\chi_b^2}\leq\sigma^2\leq\frac{s}{\chi_a^2},

wobei \chi_b^2 durch F_{n-1}(\chi_b^2)= 0.975 und \chi_a^2 durch F_{n-1}(\chi_a^2)= 0.025 bestimmt wird. Die Grenzen ergeben sich daraus, dass \frac{s}{\sigma^2} wie \chi_{n-1}^2 verteilt ist.

Eigenschaften

Erwartungswert

Der Erwartungswert der Chi-Quadrat-Verteilung ist

 \operatorname{E}(X) = n.

Unter der Voraussetzung einer standardnormalverteilten Grundgesamtheit sollte also bei richtiger Abschätzung der Varianz der Grundgesamtheit der Wert \chi_n^2 /n in der Nähe von 1 liegen.

Varianz

Die Varianz der Chi-Quadrat-Verteilung ist

\operatorname{Var}(X) = 2n.

Modus

Der Modus der Chi-Quadrat-Verteilung ist n − 2 für n\ge 2.

Schiefe

Die Schiefe der Chi-Quadrat-Verteilung ist

\operatorname{v}(X) = \frac{2 \sqrt{2}}{\sqrt{n}}.

Charakteristische Funktion

Die charakteristische Funktion für X \sim \chi_n^2 hat die Form

\varphi_X(s) = \frac{1}{(1-2 i s)^{n/2}}

Summe χ2-verteilter Zufallsvariablen

Sind X1,X2,...,Xn unabhängige Zufallsvariable, mit X_i\sim\chi^2(\nu_i), so gilt:

\sum_{i=1}^n X_i \sim\chi^2\left(\sum_{i=1}^n \nu_i\right)

Die Chi-Quadrat-Verteilung ist also reproduktiv.

Nichtzentrale Chi-Quadrat-Verteilung

Wenn die normalverteilten Zufallsvariablen nicht bezüglich ihres Erwartungswertes μi(i = 1,...,n) zentriert sind (d.h. wenn nicht alle μi = 0 sind), erhält man die nichtzentrale Chi-Quadrat-Verteilung. Sie hat als zweiten Parameter neben n den Nichtzentralitätsparameter λ > 0.

Seien Z_i \sim \mathcal{N}(\mu_i,1),\,i=1,2,\ldots, n, so ist

\sum_{i=1}^n {Z_i}^2\sim \chi^2(n,\lambda) mit \lambda=\sum_{i=1}^n {\mu_i}^2.

Insbesondere folgt aus X\sim\chi^2(n-1) und Z\sim\mathcal{N}(\sqrt{\lambda},1), dass X+Z^2\sim\chi^2(n,\lambda) ist.

Eine zweite Möglichkeit, eine nichtzentrale Chi-Quadrat-Verteilung zu erzeugen, ist als Mischverteilung der zentralen Chi-Quadrat-Verteilung. Dabei ist

\chi^2(n+2\,j)=\chi^2(n,\lambda),

wenn j\sim\mathcal{P}\left(\tfrac{\lambda}{2}\right) aus einer Poisson-Verteilung gezogen wird.

Die Dichtefunktion der nichtzentralen Chi-Quadrat-Verteilung ist

f(x)=\frac{\exp{\left[-\frac{1}{2}(x+\lambda)\right]}}{2^{\frac{n}{2}}}\,
\sum_{j=0}^\infty \frac{x^{\frac{n}{2}+j-1}\lambda^j}{2^{2j}\,\Gamma\left(\frac{n}{2}+j\right)\,j!} für x\ge 0, f(x) = 0 für x < 0.

Darstellung durch modifizierte Bessel-Funktion

Die Dichtefunktion kann alternativ auch mit Hilfe der modifizierten Bessel-Funktion erster Gattung Iq(x) dargestellt werden:

f(x)=\frac{\exp{\left[-\frac{1}{2}(x+\lambda)\right]} x^{\frac{1}{2}(n-1)} \sqrt{\lambda}}{2(\lambda x)^{\frac{n}{4}}}\,
I_{\frac{n}{2}-1}\left(\sqrt{\lambda x}\right) für x\ge 0.

Beziehung zu anderen Verteilungen

Beziehung zur Gammaverteilung

Die Chi-Quadrat-Verteilung ist ein Spezialfall der Gammaverteilung. Ist X\sim \chi^2_n, so gilt

X \sim \Gamma(\tfrac{n}{2},\tfrac{1}{2}).

Beziehung zur Normalverteilung

Quantile einer Normalverteilung und einer Chi-Quadrat-Verteilung
  • Für n \geq 30 ist Y = \sqrt{2X} - \sqrt{2n-1} näherungsweise standardnormalverteilt.
  • Für n > 100 ist die Zufallsvariable X näherungsweise normalverteilt, mit Erwartungswert n und Standardabweichung \sqrt{2n}.

Beziehung zur Exponentialverteilung

Eine Chi-Quadrat-Verteilung mit 2 Freiheitsgraden ist eine Exponentialverteilung \operatorname{Exp}(1/2) mit dem Parameter λ = 1 / 2.

Beziehung zur Erlang-Verteilung

Eine Chi-Quadrat-Verteilung mit 2n Freiheitsgraden ist identisch mit einer Erlang-Verteilung mit n Freiheitsgraden und λ = 1 / 2.

Beziehung zur F-Verteilung

Wenn Y_{1m}\, und Y_{2n}\, unabhängige \chi^{2}\,-verteilte Zufallsvariablen mit den Freiheitsgraden m und n sind, dann ist der Quotient

F_{m,n}=\frac{Y_{1m}/m}{Y_{2n}/n}

eine Zufallsvariable, die der F-Verteilung mit den Freiheitsgraden (m,n) genügt.

Beziehung zur stetigen Gleichverteilung

Für gerade n = 2m kann man die \chi_n^2-Verteilung als m-fache Faltung bilden mit Hilfe der gleichmäßig stetige Dichte U(0,1):

\chi_n^2 = -\frac 12\ln{\left(\prod_{i=1}^m u_i\right)}=-\frac 12\sum_{i=1}^m \ln(u_i),

worin die ui m unabhängige gleichmäßig stetig verteilten Zufallsvariablen sind.

Für ungerade n gilt dagegen

\chi_n^2 = \chi_{n-1}^2 + \left[\mathcal{N}(0,1)\right]^{2}

Literatur

Hartung, Joachim / Elpelt, Bärbel / Klösener, Karl-Heinz: Statistik, 12. Auflage, Oldenbourg 1999, S. 152 ff., ISBN 3486249843.

Weblinks


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