Beschwichtigungssignal

Beschwichtigungssignal

Das Beschwichtigungssignal oder engl. Calming Signal ist ein Fachbegriff aus der Kynologie, der Kunde vom Hund. Beschwichtigungssignale sind Bestandteile der Kommunikation unter Hunden, die auf Konfliktlösung ausgerichtet sind. In der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung wurden solche Signale auch als „Demutsgebärden“ bezeichnet.

Die Erforschung des Verhaltens von Wölfen hatte ergeben, dass Wölfe im Verlauf ihrer Stammesgeschichte diverse Verhaltensweisen entwickelt haben, um Konflikte untereinander zu lösen und Spannungen im Rudel abzubauen. Körperliche Auseinandersetzungen können auf diese Weise vermieden werden, was besonders wichtig für das Fortbestehen eines Rudels in freier Natur ist. 1980 führte die norwegische Hundeexpertin Turid Rugaas eine ähnliche Untersuchung bei Hunden verschiedenen Alters durch. Sie kam zu dem Schluss, dass auch Hunde Beschwichtigungssignale als Mittel der Konfliktlösung nutzen.

Inhaltsverzeichnis

Calming Signals

Eine Vielzahl dieser „Calming Signals“ wurde identifiziert. Die Fähigkeit Konflikte mit Beschwichtigungssignalen abzubauen ist genetisch festgelegt und wird nicht erlernt. Alle Hunderassen sind befähigt diese anzuwenden und zu verstehen. Je nach Hund gibt es jedoch Signale, die nach Möglichkeiten des Hundes bevorzugt oder vermieden werden. Ein Hund zum Beispiel, dessen Augen durch lange Haare verdeckt sind, wird das Beschwichtigungssignal „Augen zusammenkneifen“ nicht erfolgreich nutzen können.

Hunde senden Beschwichtigungssignale aus, wenn sie über irgend etwas irritiert oder beunruhigt sind oder als Antwort auf ein Beschwichtigungssignal eines anderen Hundes. Ziel ist es, Stress oder Spannung abzubauen sowie die Eskalation eines Konfliktes zu verhindern.

Ein Beispiel für „Züngeln“
Augen zusammenkneifen

Einige Beispiele für Beschwichtigungssignale sind:

  • Gähnen
  • den Kopf abwenden
  • sich abwenden (ganzer Körper)
  • Züngeln, also sich über die Nase lecken
  • auf dem Boden schnüffeln (ohne erkennbaren Grund)
  • Pfote heben
  • sich kratzen
  • Augen zusammenkneifen
  • erstarren/ einfrieren
  • langsame Bewegungen
  • Vorderkörper tiefstellen (sich strecken)
  • sich hinsetzen oder hinlegen

Alle diese Signale sind nicht nur Beschwichtigungssignale, schließlich gähnen Hunde auch aus Müdigkeit, lecken sich die Nase nach der Nahrungsaufnahme oder kratzen sich bei Juckreiz. Es handelt sich hier um sogenannte doppelt belegte Signale, die situationsabhängig unterschiedliche Konsequenzen zeitigen können. Achtet der Hundehalter bewusst auf diese Signale, lassen sich Rückschlüsse auf den momentanen Gemütszustand des Hundes ziehen.

Kritik

Zahlreiche Wissenschaftler und Hundeexperten weisen darauf hin, dass die Interpretation der beschriebenen Verhaltensweisen als Beschwichtigungssignale nicht immer richtig ist und gefährliche Konsequenzen haben kann. Weidt/Berlowitz deuten viele dieser Verhaltensweisen als Signale innerer Konflikte und bezeichnen sie als Konfliktreaktionen.[1] Neuere Untersuchungen zu Beschwichtigungssignalen wurden im Rahmen des Tuscany Dog Projects (Leitung Karin und Günther Bloch und Stefan Kirchhoff) durchgeführt und von Mira Meyer in ihrer Diplomarbeit dargestellt. Im Ergebnis „distanzieren sich alle Vertreter der Hunde-Farm "Eifel" hiermit offiziell vom dem in Deutschland grassierenden Beschwichtigungswahn, der fatale Folgen für die Mensch-Hund Beziehung haben kann.“[2]

Einzelnachweise

  1. Heinz Weidt, Dina Berlowitz: Das Wesen des Hundes. Augustus-Verlag Augsburg, 2001, ISBN 3804372945
  2. Seite „Forschung Italienprojekt“ im Internetauftritt der Hunde-Farm Eifel

Literatur

  • Turid Rugaas: Calming Signals - Die Beschwichtigungssignale der Hunde, Animal Learn Verlag, 2001, ISBN 3936188017
  • Mira Meyer: Die Beschwichtigungssignale der Hunde, Untersuchung ausgewählter Signale in einer frei lebenden Hundegruppe, Diplomarbeit 2006

Weblinks


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