Bierdeckelsteuer

Bierdeckelsteuer

Als Bierdeckelsteuer wird das Steuerkonzept des CDU-Politikers und -Finanzexperten Friedrich Merz bezeichnet, welcher die Berechnung der Einkommensteuerlast nach einem Stufentarif mit drei Steuerstufen vorschlug. Der Name Bierdeckelsteuer für dieses Steuerkonzept rührt von der Annahme, dass das Konzept für den Steuerzahler so einfach und nachvollziehbar sein soll, dass die Einkommensteuer auf einem Bierdeckel berechnet werden kann.

Zwar reicht die Fläche eines Bierdeckels jeweils aus, für jeden Tarif der bundesdeutschen Tarifgeschichte[1] eine Einkommensteuer zu berechnen. Dabei bleiben aber die Berechnungen mit Ausnahmeregelungen unberücksichtigt. Der Vorschlag von Friedrich Merz zielte darum weniger auf eine Vereinfachung des Tarifs selbst ab, als vielmehr auf die Abschaffung von Ausnahmeregelungen, die es dem durchschnittlichen Steuerzahler unmöglich machen, seine Besteuerung selbst zu berechnen. Noch bevor Merz seinen Vorschlag mit Hilfe des Bierdeckels darstellte, schrieb er: „Die Bundesregierung hat in den letzten vier Jahren über 40 Steuergesetze und über 60 Rechtsverordnungen bzw. Richtlinien auf den Weg gebracht. Bei letzteren handelte es sich um zahlreiche Nachbesserungsgesetze und Klarstellungen, ohne die manche Vorschrift nicht umsetzbar bzw. mißverständlich gewesen wäre. ... Unternehmer sehen sich außerstande, den umfassenden Pflichten und Belastungen, die sich für sie aus dieser staatlichen «Regulierungswut» ergeben, zu erfüllen. ... Nach meinem Dafürhalten sind gerade nicht die mehr oder weniger kunstvollen Korrekturen an den Steuersätzen notwendig, um die Zustimmung der Steuerpflichtigen zu einer als gerecht und angemessen empfundenen Steuerlast zurückzugewinnen. Es geht vielmehr um eine konsequente Vereinfachung unseres Steuerrechts.“[2]

Das Konzept wurde im Jahr 2003 vorgestellt und basierte auf vielen Vorschlägen des Einkommensteuergesetzbuchs, welches der Verfassungsrichter Paul Kirchhof im Jahr 2001 dem Finanzausschuss des Bundestages vorgestellt hatte. Der Grundgedanke des Konzepts wurde in das Wahlprogramm der CDU zur Bundestagswahl 2005 aufgenommen.

Bereits im Frühjahr 1996 legte Hermann Otto Solms von der FDP ein vereinfachtes Einkommensteuerkonzept vor, dessen Kennzeichen ein niedriger Stufentarif mit 15 %, 25 % und 35 % verbunden mit der weitgehenden Beseitigung aller Ausnahmetatbestände war. Die wesentlichen Vorschläge dieses Konzeptes sind in die Petersberger Beschlüsse der Steuerreformkommission der CDU/CSU-FDP-Koalition eingeflossen, die zwar im Bundestag 1997 eine Mehrheit gefunden haben, aber von der SPD geführten Bundesratsmehrheit blockiert worden sind. In den Jahren der Opposition nach 1998 hat die FDP insbesondere den Gedanken der Vereinfachung des Einkommensteuerrechtes weiter verfolgt und diesen in ihrem Bundestagswahlprogramm von 1998 aufgenommen.[3]

In der Erkenntnis, dass politische Absichtserklärungen häufig in der Öffentlichkeit nicht die nötige Beachtung finden bzw. keine Glaubwürdigkeit genießen, hat die FDP dann 2003 ihre Vorstellungen in Gesetzestextform im Bundestag eingebracht. Dies wiederholte sie 2006 mit einem angepassten Gesetzestext.[4]

Der Ausdruck Bierdeckelsteuer ist in Österreich spätestens seit 2004 gebräuchlich, als Finanzstaatssekretär Alfred Finz erklärte, dass die Steuerreform 2005 es ermöglichen sollte, die Einkommensteuer auf einem Bierdeckel zu berechnen.

Weder in Deutschland noch in Österreich ist bisher die Umsetzung von Bierdeckelsteuerkonzepten realisiert worden. Das Steuerkonzept von Friedrich Merz würde nach Berechnung des DIW zu dauerhaften Steuermindereinnahmen von etwa 26–27 Mrd € pro Jahr führen.[5]

Einzelnachweise

  1. Bundesministerium für Finanzen: Tarifgeschichte (1958-2005) mit Berechnungsformeln und Übersichten zur Einkommensteuer-Tarifbelastung ab 1958
  2. Friedrich Merz in GmbHRundschau 18/2002
  3. FDP Bundestagswahlprogramm 1998 Wahlprogramm
  4. FDP Gesetzestext DS 16/679
  5. Tabelle 1: Aufkommenswirkungen der Reformvorschläge zur Einkommensteuer gegenüber Rechtsstand 2005 In: DIW Wochenbericht 16/2004 (PDF-Format); siehe auch Pressemitteilung attac.

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