- Bierdeckel
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Der Bierdeckel (auch Bierteller) dient in der Regel als Unterlage für Biergläser und Bierkrüge. Runde Bierdeckel haben in Deutschland standardmäßig einen Durchmesser von 107 Millimeter, allerdings sind auch quadratische Bierdeckel verbreitet. Sie sind 1,2 mm bis 1,5 mm dick, wiegen zwischen 5 g und 10 g und sind meist aus Pappe.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im 19. Jahrhundert tranken die reicheren Leute das Bier aus Bierseideln mit Deckeln aus Zinn oder Silber. Einfachere Leute benutzten Krüge ohne Deckel. Als Untersetzer dienten damals Filze, die so genannten Bierfilze. Trank man Bier im Freien, dann legte man diese Filze auf den Krug, damit kein Ungeziefer und kein Laub das Bier verunreinigte. Aus dieser Funktion des Abdeckens stammt der Name Bierdeckel. Diese Bierfilze waren meist feucht und begünstigten die Vermehrung von Bakterien, sie waren also recht unhygienisch. Hinzu kam das Problem ihrer Wiederverwendung. Die feuchten Bierfilze wurden von der Bedienung beim Abräumen wieder eingesammelt und in Bierfilzständern, Einsätzen oder dachziegelartig aufgereiht luftgetrocknet.
1880 stanzte die Kartonagenfabrik und Druckerei Friedrich Horn in Buckau bei Magdeburg Bierglasuntersetzer aus Pappe und druckte verschiedene Motive auf. Schließlich erfand Robert Sputh aus Dresden 1892 den Vorläufer des heutigen Bierdeckels, die so genannten Holzfilzplatten oder Faserguß-Untersetzer,[1] bei denen der Papierbrei in runde Formen gefüllt und getrocknet wurde. Diese Holzfilzplatten hatten bereits einen Durchmesser von 107 Millimeter und waren 5 Millimeter dick.
Runde Bierdeckel mit einem Durchmesser von 110 mm und einer Dicke zwischen 4 und 8 mm stieß ein so genannter Bierteller-Automat aus. Diese Maschine verarbeitete eine breiige Pappmasse und war zwischen 1930 und 1960 in Deutschland verbreitet, setzte sich aber letztlich nicht durch.
1903 begann Casimir Otto Katz im damals großherzoglich-badischen Murgtal, die bis heute gebräuchlichen Bierdeckel aus heimischen Fichtenholz in Holzschliffpappe industriell herzustellen. Sie werden aus frischem Fichtenholz hergestellt. Dessen lange Fasern sind sehr saugfähig. Aus den Baumstämmen wird ein Brei hergestellt, dem man dann Wasser entzieht. Im Jahre 2003 wurden pro Tag 10 Millionen Stück bzw. pro Jahr 1,4 Milliarden Stück hergestellt, was etwa 40 % des weltweiten Bedarfs darstellte. Die baden-württembergische Katz Group liefert heute jährlich 3,5 Milliarden Bierdeckel in die ganze Welt und hält damit einen Weltmarktanteil von 75 %. Alleine 2 Milliarden Bierdeckel (über 50 % des Umsatzes) werden in die USA geliefert, hier liegt der Marktanteil bei über 90 %. Sie beliefert weltweit etwa 45 Länder, musste jedoch im April 2009 wegen des rückläufigen Bierkonsums Insolvenz anmelden.[2] [3] Die Koehler Paper Group rettete das Familienunternehmen im Oktober 2009 durch Übernahme in ihren Konzern vor der Insolvenz. Beim heutigen Nachfolger KATZ GmbH & Co. KG in Weisenbach, der aus den im Jahre 1986 liquidierten Gernsbacher Katz Werke AG herausgelöst wurde, wurden in der angegliederten Druckerei die Bierglasuntersetzer im 6-Farben-Offsetdruck bedruckt.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz stellte 2003 unter dem Schlagwort „Bierdeckelsteuer“ sein Konzept zur Steuerreform vor. Die Steuererklärung sollte demnach so verkürzt werden, dass sie auf einem Bierdeckel passt.
Weitere Bezeichnungen
- Bierteller
- Bierfilz (in Altbayern, Oberfranken und Bayerisch-Schwaben, in Franken ist bis heute vom "Bierfilzla" die Rede)
- Bierfuiz, Bierfuizl (in Bayern übliche Bezeichnung)
- Bierplattl (selten in Österreich)
- Getränkeuntersetzer
- BGU = Bierglasuntersetzer
- Coaster
- Werbeuntersetzer
Funktionen des Bierdeckels
Hauptzweck
Hauptzweck des Bierdeckels ist es, das Kondenswasser (welches sich durch die warme Umgebungsluft an der Außenseite des kalten Bierglases bildet und nach unten läuft) aufzusaugen, möglichst bevor (oder wenn) es vom Glas (wenn es zum Trinken angehoben und geneigt wird) tropft.
Urkundencharakter
Vermerkt der Gastwirt auf einem Bierdeckel handschriftlich die Menge und Art der an den Gast ausgeschenkten Getränke und gelieferten Speisen, um diese Aufzeichnungen später zur Grundlage seiner Abrechnung zu machen, stellt er damit eine Urkunde im Sinne des materiellen Strafrechts nach § 267 Abs. 1 StGB her.[4] Das gilt auch für Bierdeckel, auf denen der Getränkekonsum mit Bleistiftstrichen notiert wird (siehe Kerbholz). Die anderen Funktionen des Bierdeckels werden durch seine Urkundenfunktion in den Hintergrund gedrängt. Er erfüllt alle Anforderungen des Urkundenbegriffs, insbesondere verkörpert er in Beweis eignender Form eine schriftliche Erklärung und lässt den ausstellenden Gastwirt aus den äußeren Umständen erkennen. Als Urkunde übt er nunmehr eine Beweisfunktion aus, die der einer Rechnung gleichkommt.[5] Allerdings ist der Bierdeckel als Rechnung weder Voraussetzung für die Entstehung noch für die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs des Gastwirts. Der Vertrag über die Lieferung von Speisen und Getränken ist bereits vorher mündlich geschlossen worden, sodass bereits mit Vertragsschluss feststeht, welche Zahlungspflichten bestehen oder entstehen werden. Einer Rechnung bedarf es für die Entstehung der Leistungspflichten daher nicht; der Bierdeckel gilt wegen der – meist von vorneherein nicht feststehenden - Liefermengen als Nachweis der sukzessiv bestellten Speisen und Getränke. Abredewidrige Veränderungen durch den Gast hieran sind dementsprechend als Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB), ein Verschwindenlassen oder Vernichten des Bierdeckels als Urkundenunterdrückung strafbar (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Weitere Nutzungsmöglichkeiten
- Durch seinen Aufdruck dient er als Werbeträger.
- Verbreiten von Sinn- oder Merksprüchen oder Zitaten (neben der Werbung).
- Notieren des Getränkekonsums am Gasthaustisch durch die Bedienung, etwa durch Striche (siehe Kerbholz)
- Anschreiben lassen (im Rheinland: „einen Deckel machen“): Durch Aufbewahren eines „unbezahlten“ Bierdeckels, mit Strichen oder einem Geldbetrag beschriftet, gewähren manche Wirte ihren Stammgästen einen Zahlungsaufschub
- In den rheinischen Brauhäusern in Düsseldorf, Köln, usw. signalisiert der auf das Glas gelegte Bierdeckel dem Köbes, dass der Gast kein weiteres Bier mehr trinken möchte.
- Bierdeckel werden auch gerne als Postkarten zweckentfremdet – 45 Cent als Frankatur genügen.
Siehe auch
Weblinks
Commons: Bierdeckel – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWiktionary: Bierdeckel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenAnmerkungen
- ↑ Patent 68499 für das Herstellungsverfahren vom 25. Oktober 1892
- ↑ Welt Online vom 18. April 2009, Der Bierdeckel steht vor dem Ende
- ↑ Des Zechers treuer Pappkamerad, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Mai 2009, Seite 19.
- ↑ Juristische Fakultät der Humboldt-Uni Berlin, S. 16 ff. Bierdeckel als Urkunde, Sommersemester 2010
- ↑ Michael Heghmanns, Strafrecht für alle Semester – Besonderer Teil Band 2, 2009, S. 405.
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