Bodmereibrief

Bodmereibrief

Die Bodmerei (Verbodmung, franz. Contrat à la grosse, engl. Bottomry, abzuleiten von Bome, gleichbedeutend mit Kiel, oder von „Boden“, d. h. dem Schiffsboden, als dem Hauptbestandteil des Schiffs) ist ein historischer Begriff im Seehandelsrecht. Es war der Darlehensvertrag, mit dem der Gläubiger bei einer Seereise gegen Zusicherung einer Prämie und gegen Verpfändung des Schiffs, der Ladung, der Fracht oder sämtlicher oder mehrerer dieser Objekte durch den Kapitän (oder den Superkargo) die Seegefahr übernahm. Es ist dies ein (für den Seehandel spezifischer) Sonderfall dessen, dass Nichteigentümer fremde Vermögensgegenstände rechtsgültig verpfänden dürfen.

Mit dem etwaigen Untergang der Pfandobjekte erlosch auch die Forderung des Gläubigers (Bodmeristen, Bodmereigebers) an Kapital und Prämie.

Inhaltsverzeichnis

Einzelheiten

Geschichte

Bei teilweisem Untergang des Pfandobjekts minderte sich die Forderung des Bodmeristen an den Schuldner (Bodmereinehmer) bis zum Wertbetrag des noch Vorhandenen, wie das Rechtssprichwort sagt: Es haftet alles, was der Boden zu Lande bringt. Die Bodmerei steht mit dem Foenus nauticum, dem Seedarlehen der Römer, in historischem Zusammenhang, bei welchem höhere Zinsen als die sonst gesetzlich erlaubten zulässig waren.

Hieraus entwickelte sich dann im Mittelalter die so genannte Großaventurei, auch Respondentia genannt, ein besonders in Frankreich und England üblicher Seedarlehnsvertrag, welcher zur Anschaffung von Waren, die über See verschickt werden sollten, abgeschlossen und bei welchem dem Gläubiger eine Prämie zugebilligt sowie ein Pfandrecht an den zu versendenden Gütern gegen Übernahme der Seegefahr eingeräumt wurde.

Aus der Großaventurei aber entwickelte sich die Bodmerei überhaupt, für welche im allgemeinen die Regel galt, daß derjenige verbodmen konnte, welcher zu der Verpfändung des betreffenden Gegenstandes befugt war, also in hinsichtlich des Schiffs der Reeder, hinsichtlich der Ladung der Befrachter. Auch dem Schiffer war die Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung unter gewissen Voraussetzungen während der Reise erlaubt.

Notbodmerei im deutschen Handelsrecht

Dieser letztere Fall wird eigentliche Bodmerei, auch Notbodmerei genannt, indem man dann alle übrigen Fälle unter der Bezeichnung der uneigentlichen Bodmerei zusammenfasste. Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB, Buch V, Tit. 7) handelte nur von der eigentlichen Bodmerei, indem es im § 680 erklärte: „Bodmerei im Sinn dieses Gesetzbuches ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer (Schiffskapitän) als solchem kraft der in diesem Gesetzbuch ihm erteilten Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach Ankunft des Schiffs an dem Ort sich halten kann, wo die Reise enden soll, für welche das Geschäft eingegangen ist (Bodmereireise)“.

Solche Bodmerei konnte aber nach dem Handelsgesetzbuch nur in einem Notfall, wenn das Schiff sich außerhalb des Heimathafens befand, zum Zweck der Ausführung der Reise aufgenommen werden, und zwar konnte der Schiffer regelmäßig sowohl das Schiff als auch die Fracht allein verbodmen, die Ladung aber nur zusammen mit dem Schiff und der Fracht; die Ladung allein konnte nur dann verbodmet werden, wenn dies während der Reise ein alleiniges Interesse der Ladungsbeteiligten zum Zweck der Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung erheischte.

Das Vorhandensein eines Notfalles wurde übrigens, solange nicht das Gegenteil nachgewiesen war, dann als gegeben erachtet, wenn die Notwendigkeit der Eingehung des Geschäfts von dem Landeskonsul oder, in Ermangelung dessen, von dem Gericht oder der sonst zuständigen Behörde des Ortes der Ausstellung oder, sofern es auch an einer solchen fehlte, von den Schiffsoffizieren urkundlich bezeugt war.

Der Bodmereivertrag selbst musste nach dem deutschen Handelsgesetzbuch schriftlich errichtet werden. Die betreffende Urkunde, rechtlich als „gekorenes Inhaberpapier“ ausgestaltet, welche auf Verlangen des Bodmeristen in mehreren Exemplaren sowie auf Order ausgestellt werden musste und im letztern Fall durch Indossamente an andre weiter gegeben werden konnte, hieß Bodmereibrief oder Bielbrief (ital. Cambio marittimo), dessen einzelne Bestandteile, deren Aufnahme von dem Bodmeristen verlangt werden konnte, im Artikel 684 des Handelsgesetzbuches speziell angegeben waren.

Die Bodmereischuld war, sofern nicht in dem Bodmereibrief selbst eine andre Bestimmung getroffen war, in dem Bestimmungshafen der Bodmereireise und am achten Tag nach der Ankunft des Schiffs in diesem Hafen zu zahlen. Von dem Zahlungstag an liefen von der ganzen Bodmereischuld einschließlich der Prämie Zinsen zu 6 Prozent. Der Betrag der Prämie war schon vor Aufhebung der gesetzlichen Zinsbeschränkungen wegen des mit der Bodmerei verbundenen Risikos dem freien Ermessen der kontrahierenden Teile überlassen.

Der Bodmerist hatte im übrigen die Rechte eines Schiffsgläubigers und zwar hafteten ihm die verbodmeten Gegenstände solidarisch und durften vor dessen Befriedigung nicht ausgeliefert werden.

Die dem Bodmereigeber auf Realisierung seiner Ansprüche zustehende Klage war eine dingliche; nur ausnahmsweise haftete der Schiffer persönlich und mit seinem ganzen Vermögen, so namentlich im Fall einer so genannten Deviation, wenn nämlich der Schiffer die Bodmereireise willkürlich veränderte oder nach ihrer Beendigung die verbodmeten Gegenstände von neuem einer Seegefahr aussetzte.

Außerdem konnte sich der Bodmerist nur an die verpfändeten Objekte zum Zweck seiner Befriedigung halten. Wurde die Reise gar nicht angetreten, so konnte er nur eine angemessene Ristornogebühr beanspruchen. Waren dieselben Gegenstände mehrfach verbodmet worden, so ging, abweichend von der Regel bei sonstigen Verpfändungen, die spätere der früheren Verbodmung vor. Dem Bodmereigeber fiel keine Art der Havarie zur Last.

Literatur

  • Stephan Schuster: Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes. Mit einem Ausblick auf die weitere historische Entwicklung: dánein nautikón, fenus nauticum und Bodmerei, Berlin: Duncker & Humblot 2005. ISBN 3-428-11778-6.

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