Burgenland-Roma

Burgenland-Roma

Die Burgenland-Roma sind Roma, die im Burgenland und in den benachbarten Gebieten wie Ungarn, Slowakei oder Slowenien leben oder aus diesen Gebieten stammen. Das Burgenland ist Einflussgebiet ungarischer und osteuropäischer Kultur, wo die hier lebenden Roma lange sesshaft sind. Sie weisen starke Prägungen ungarischer Kultur auf.

Die Burgenland-Roma leben schon seit Jahrhunderten im Burgenland, jedoch sind sie erst seit 1993 von der Republik Österreich als autochthone Volksgruppe anerkannt. Die Roma-Untergruppe der Lowara ("Pferdehändler") ist zum Großteil im Burgenland und in Grenzgebieten anzutreffen.

Inhaltsverzeichnis

Unterscheidung

Die Volksgruppe der Roma lässt sich grundsätzlich anhand der unterschiedlichen Sprachvarianten unterscheiden. Eine Verbundenheit der Gruppen innerhalb des international viel breiter gefassten Spektrums lässt sich bei den in den vier benachbarten Ländern Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn lebenden Subgruppen feststellen:

Geschichte

Die Roma kamen zwischen 1530 und 1680 ins heutige Burgenland und galten bald in Europa als eine „geächtete Kaste“. Sofern sie den jeweiligen Herrschern nicht nützlich erschienen, waren sie „Freiwild“, wurden abgeschoben, verfolgt oder hingerichtet. „Vagabundierende Zigeuner fallen in Horden in die österreichischen Herzogtümer ein“, befand 1725 Kaiser Karl VI. und verordnete, alle männlichen "Zigeuner" hinzurichten und den Frauen sowie Kindern unter 18 Jahren ein Ohr abzuschneiden. Es begann eine Zeit der Zigeunerverfolgung. Es war den Behörden bei Strafe verboten, "Zigeuner" auch nur eine Stunde lang in der Nähe eines Dorfes oder Marktes zu dulden.

Kaiserin Maria Theresia und nach ihr Joseph II. bemühten sich, die "Zigeuner" zu erfassen, sie zur Sesshaftigkeit zu zwingen und ihnen eine regelmäßige Arbeit vorzuschreiben. Es war den "Zigeunern" verboten, ihre Sprache Romani zu verwenden, untereinander zu heiraten oder den Namen zu wechseln. Mit Umsiedlungsprogrammen wurden ihre Kinder wenigstens alle zwei Jahre unter die benachbarten Orte verteilt, um eine obrigkeitliche Kontrolle zu gewährleisten. Die darauffolgenden Versuche der Roma-Familien, die ihnen zwangsweise entrissenen Kinder zurückzuholen, führte zum bis heute verbreiteten rassistischen Vorurteil, Roma würden Kinder "stehlen". Das Heiratsverbot förderte interkulturelle Ehen. Eine Forscherin zieht daraus den Schluss „dass so mancher Burgenländer, der heute Ahnenforschung betreiben würde, nachweisen könnte, dass am Ende des 18. Jahrhunderts auch in seine Familie Zigeuner eingeheiratet haben“. Alle diese Erfassungen, Verordnungen und Strafbestimmungen änderten jedoch wenig an den Lebensgewohnheiten der Roma und an der Einstellung ihnen gegenüber. Aus dem Südosten Europas kamen nach der Aufhebung der Roma-Sklaverei in den rumänischen Gebieten nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erneut Romagruppen nach Mitteleuropa.

Nach dem Ersten Weltkrieg sah sich die neue österreichische Regierung, nach der Angliederung des Burgenlandes an Österreich, mehreren Minderheiten gegenüber: neben den Burgenlandkroaten und den Burgenlandungarn auch der Minderheit der Burgenland-Roma. Noch in der Zwischenkriegszeit wurden die Burgenland-Roma für eine eigene "Zigeunerkartothek" fotografisch registriert, ausländische Roma wurden abgeschoben.

Die wirtschaftliche Not und das Erstarken rassenideologischer Agitation führten ab den 1920er Jahren zu einer immer feindseligeren Einstellung ihnen gegenüber. Die "Zigeuner" wurden für die große Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht, galten als arbeitsscheu, erwerbsfaul, stehlend und sittlich verkommen. Es komme „einer Verhöhnung der Gesetze gleich, dem rohen, verwilderten, für die Gesellschaft untauglichen Zigeuner den gleichen Schutz der Gesellschaft zu Teil werden zu lassen, wie dem zivilisierten Menschen“. Vor allem im Burgenland steigerte sich dieser Hass sehr rasch und ging nahtlos in den nationalsozialistischen Rassismus über. Der von Adolf Hitler als Landeshauptmann des Burgenlandes eingesetzte Tobias Portschy schrieb: „Die Zigeuner bilden eben einen auf bestimmten biologischen Gegebenheiten beruhenden Fremdkörper, und es ist daher kein Wunder, wenn man sie als minderwertig bezeichnet.“ Er forderte neben der Errichtung von Arbeitslagern für die "Zigeuner" auch eine Zwangssterilisierung. Sie wurden im Rahmen der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten fast zur Gänze ins KZ Auschwitz deportiert und entweder sofort vergast oder Opfer von Zwangsarbeit, erbbiologischen Forschungen, Fleckfieberversuchen und anderen Menschenversuchen. Nur etwa 400 der ursprünglich 7.000 "Zigeuner" überlebten den Holocaust (Porajmos).

Die Überlebenden hatten vielfach keine Angehörigen und keine Wohnstätten mehr, die ältere Trägergeneration der Kultur und Sprache war fast vollständig ermordet. Viele durch die Verfolgungsgeschichte ihrer Familien traumatisierte Roma sehnten sich nach Anonymität und einer neuen Identität. Deshalb verleugneten manche ihre Abstammung, gaben sich als Gastarbeiter aus, oder deutschten ihre Namen ein. Diese Haltung einer sozialen Randgruppe blieb zum Teil bis heute erhalten.

Nachkriegssituation

In den Nachkriegsjahrzehnten werden die Burgenland-Roma, obwohl sie seit Jahrhunderten hier ansässig sind, als angeblich "herumziehend" nicht als authochtone ("alteingesessene") Volksgruppe im österreichischen Volksgruppengesetz anerkannt; bei Volkszählungen wird ihre Volks- und Sprachgruppe übergangen und sie erhalten keinerlei Förderungen. Abgesehen vom „Verein zur Förderung von Zigeunern“ gibt es in Österreich keine Vertreter für sie. Dennoch wird über sie geredet und verhandelt. Die Gedenken an die Vergangenheit unter dem NS-Regime haben nämlich auch die Geschichte der "Zigeuner" während der Naziherrschaft und ihre heutige Situation stärker bewusst werden lassen. Erst 1986 versuchte die Österreichische Liga für Menschenrechte gemeinsam mit der Lagergemeinschaft Auschwitz die Leiden der "Zigeuner" während des Dritten Reiches zur Sprache zu bringen. Man trat an die Bundesregierung heran, um mehr als 40 Jahre danach eine Gleichstellung jener "Zigeuner", die im Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach und in Maxglan gequält und gefoltert worden waren, mit den anderen Opfern der Konzentrationslager zu erreichen. Denn „es sollte im Interesse des österreichischen Staates und der politischen Kultur in unserem Land liegen, den noch Lebenden dieser besonders diskriminierten Opfergruppe, die ausstehenden Entschädigungszahlungen und Opferrenten zukommen zu lassen“.

Diese Ungleichstellung der "Zigeuner" mit anderen KZ-Opfern macht deutlich, wie sehr diese Minderheit am Rande der Gesellschaft zu leben hat. Es sind die typischen Probleme wie Umgang mit den Behörden, mangelhafte Personaldokumente, Ungeklärtheiten bei der Staatsbürgerschaft in den Nachkriegsjahren, teilweise vorhandener Analphabetismus bis hin zu belastenden Vorstrafen, oftmals für Delikte als Folge von diskriminierenden Gewerbeverboten oder unbedeutende Eigentumsdelikte; und es sind die typischen Vorurteile, die diese Menschen auch heute noch diskriminieren. 1988 erhielten sie erstmals Opfer- und Unterhaltsrenten durch Sozialminister Alfred Dallinger und Bundeskanzler Franz Vranitzky.

Am 4. Februar 1995 werden in Oberwart vier junge Roma (Josef Simon (40), Peter Sarközi (27), Karl Horvath (22) und Erwin Horvath (18)) durch ein rassistisch motiviertes Bombenattentat, dem schwersten Attentat seit 1945 mit innenpolitischem Hintergrund, ermordet. Erst infolge der dadurch ausgelösten medialen Aufmerksamkeit wächst das öffentliche Bewusstsein für die Probleme der diskriminierten Minderheit.

Schätzungsweise gibt es heute zwischen 2.500 und 5.000 Burgenland-Roma. Die meisten unter ihnen leben in Oberwart und Umgebung. Weitere Roma und Romafamilien leben im Mittel- und Nordburgenland oder haben sich in ostösterreichischen Städten niedergelassen. Nach dem Grad der Assimilation kann man drei Gruppen unterscheiden:

  • Assimilierte Romafamilien, leben großteils in Städten.
  • Teils assimilierte Roma, leben in relativem Wohlstand.
  • Stigmatisierte und diskriminierte Roma, die als soziale Minderheit am Rande der Gesellschaft leben.

Seit 1993 wird die Kultur und Sprache dieser Volksgruppe in Österreich offiziell gefördert. Es entstanden Projekte wie z.B;

  • Kurse auf Romanes in Volkshochschulen.
  • Romanes als Freigegenstand in Volksschulen.
  • Erstellung eines Romanes-Wörterbuchs.
  • Publikationstätigkeit auf Romanes (z. B. die zweisprachige Zeitschrift dROMa)

Literatur

  • Inzko 1988: V.I., Die systematische Germanisierung. Leben lassen ist nicht genug. Minderheiten in Österreich (hg. v. R. Henke). Wien, 80ff.
  • Lage und Perspektiven der Volksgruppen in Österreich, Wien 1989; Österreichische Rektorenkonferenz (Hrsg.)
  • Klemens Ludwig: Ethnische Minderheiten in Europa. Ein Lexikon. München: Beck, 1995, 235 S.

Der ORF Burgenland-Redakteur Erich Schneller schrieb ein Buch zu diesen Thema: "Zigeuner.Roma.Menschen".

Musik

Die Musik der Burgenland-Roma setzt sich zum Großteil aus der Klarinette, Cymbal, Bratsche, den Kontrabass und der Geige zusammen. Diese Musik weist Ähnlichkeiten mit der Musik der "ungarischen Roma" auf. Bekannt sind auch so genannte Zigeunerkapellen, ("Bandas"), die häufig bei Großveranstaltungen wie Festen, Hochzeiten, Tanzveranstaltungen und Umzügen, oder auch an Kirtagen spielen. Beim Neujahrsspielen bei anderen Auftritten z.B. Heischebräuche, kamen diese Kapellen in die viele burgenländische Orte. In der heutigen Zeit sind vor allem folgende Bands bekannt:

  • "Hans Samer-Band"
  • "Romano Rath" ("Roma-Blut")

Bekannte Burgenland-Roma

  • Tina Nardai (Geschäftsführerin)
  • Christin Marie Veith
  • Rudolf Sarközi (Obmann des Kulturverein österreichischer Roma, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates der Roma, Überlebender des Holocaust)
  • Karl Stojka (Holocaust-Überlebender, und Angehöriger der Stojka-Großfamilie)
  • Tony Wegas (Sänger)

Siehe auch

Weblinks


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