Blattpolymorphismus

Blattpolymorphismus
Gemeiner Efeu: Vergleich der beiden Blattformen: Jungpflanze mit drei- bis fünflappigen Blättern unten; adulter Spross mit eiförmig-lanzenzettlichen Blättern oben

Als Blattpolymorphismus wird in der Pflanzenkunde die unterschiedliche Ausgestaltung von Blättern an einer Pflanze bezeichnet. Blätter eines einzelnen Pflanzenexemplars können sich hinsichtlich Größe, Form oder Symmetrie, abhängig von ihrer Lage oder Funktion, erheblich voneinander unterscheiden. Ein herausragendes Beispiel für solche Unterschiede der Form und Funktion sind die bereits im Samen angelegten, meist rundlichen Keimblätter der dicotylen Gefäßpflanzen, die sich erheblich von den später im Verlauf des Wachstums der Sprossachse auftretenden Laubblättern unterscheiden.

Blattpolymorphismus dient dabei als Oberbegriff für eine Reihe spezifischer Bezeichnungen, mit denen Ausprägungen der Blattvariabilität je nach Art und Bedingungen des Auftretens näher benannt werden: Heteroblastie (oder auch heteroblastische Reihe), Anisophyllie, Blattdimorphismus sowie Heterophyllie.

Inhaltsverzeichnis

Heteroblastie

Als heteroblastische Reihe wird die zeitliche Aufeinanderfolge unterschiedlicher Blattgrößen während der individuellen Entwicklung einer Pflanze bezeichnet. Bei Gefäßpflanzen tritt sie zwangsläufig entlang der primären Sprossachse des Keimlings auf. Es können aber auch im Verlauf des Wachstums eines Seitensprosses zunächst einfache Schuppenblätter angelegt werden, denen später solche von zunehmend komplexer Form folgen. Trägt der Spross im Verlauf seiner weiteren Entwicklung an seinem Ende einen Blütenstand (Infloreszenz), so können die normalen Laubblätter in der Nähe der Blüten von Hochblättern abgelöst werden; die Blüten selbst sitzen meist in der Achsel eines Tragblatts (Braktee) mit Schuppenblattform.

Blattdimorphismus und Heterophyllie

Ausbildung von Tauch- und Luftblättern beim Wasserhahnenfuß

Bildet eine Pflanze im Verlauf ihrer Entwicklung zwei vollkommen unterschiedliche Blattformen aus, so wird dies als Blattdimorphismus bezeichnet. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Efeu: Die kriechenden Jungsprosse tragen Schattenblätter mit eckig-gelappter Form, während an den adulten Sprossen Blätter mit einem glatten Rand wachsen. Blattdimorphismus tritt häufig auch bei Wasserpflanzen wie den Wasserhahnenfüßen (beispielsweise Ranunculus aquatilis) auf, bei denen die Pflanze neben den fiederteilig geschlitzten Blättern, die untergetaucht im Wasser wachsen, gelappte Luftblätter ausbildet, die auf der Wasseroberfläche aufliegen (Schwimmblätter).

Viele Autoren verwenden den Begriff Heterophyllie nur im Zusammenhang mit unterschiedlichen Funktionen der Blätter oder wenn deren Ausprägung erkennbar von äußeren oder inneren Bedingungen abhängt, wie dies beim Wassenhahnenfuss der Fall ist.[1]

Milieuabhängigkeit

In einer Astgabel wachsender Geweihfarn

Bei Wasserhahnenfuß ist die Entwicklung der jeweiligen Blattform neben anderen Faktoren von der Temperatur abhängig, die Unterwasserblätter entwickeln sich bei Wassertemperaturen um 8–18 °Celsius, steigt dagegen die Wassertemperatur auf 23–28 °C (der Lufttemperatur entsprechend) werden auch unter Wasser gelappte Blätter mit der Gestalt der Luftblätter ausgebildet. Auch die Gabe von Abscisinsäure, einen Phytohormon bewirkt die Bildung von Luftblättern. Es wird vermutet, dass Turgorverluste, die bei der Transpiration der Blätter an der Luft auftreten und zur Ausschüttung von Abscisinsäure führen, so die Bildung von Schwimmblättern induzieren.[1]

Unterschiedliche Funktion

  • Bei Wasserpflanzen ist die unterschiedliche Funktion der Blätter meist anhand ihrer Lage erkennbar (Transpiration unter Wasser und an der Luft).
  • Die epiphytisch auf Bäumen wachsenden Geweihfarne bilden neben den fertilen Wedeln noch sterile Mantel- oder Nischenblätter, die sich an das Substrat anlegen und Wurzeln und Rhizom der Pflanze vor Beschädigung und Austrocknung schützen.
  • Bei manchen fleischfressenden Pflanzen besteht eine Arbeitsteilung zwischen Blättern für die Kohlenstofffixierung (Photosynthese) und solchen für den Beutefang. Zum Beispiel besitzt die Reusenfalle oberirdische, grüne Blätter und unterirdische, chlorophyllfreie Fangblätter.

Anisophyllie

Induzierte Anisophyllie beim Spitzahorn

Während bei der Heterophyllie vollkommen unterschiedliche Blattformen auftreten, bezeichnet der Begriff Anisophyllie lediglich Größen- oder leichte Formunterschiede benachbarter Blätter. Anisophyillie kann bereits in der Form der Blattknospen angelegt sein (habituelle oder primäre Anisophyllie wie bei den Moosfarnen) oder aber durch die Lage der Sprossachse bedingt sein (induziert) wie beim Spitzahorn, wo die nach unten hängenden Blätter aufgrund der Schwerkraft größer ausgebildet werden.[2][3] Weitere Beispiele für Anisophyllie sind die Blätter Roßkastanie und der Weißtanne.

Literatur

  1. a b Eduard Strasburger (Begründer), Peter Sitte (Bearbeiter), Elmar W. Weiler, Joachim W. Kadereit, Andreas Bresinsky, Christian Körner (Autoren): Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. S. 439. 35. Auflage. Spektrum, Heidelberg, Berlin 2002, ISBN 3-8274-1010-X.
  2. Eduard Strasburger (Begründer), Peter Sitte (Bearbeiter), Elmar W. Weiler, Joachim W. Kadereit, Andreas Bresinsky, Christian Körner (Autoren): Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. S. 195. 35. Auflage. Spektrum, Heidelberg, Berlin 2002, ISBN 3-8274-1010-X.
  3. Bernhard Kaussmann, Ulrich Schiewer: Funktionelle Morphologie und Anatomie der Pflanzen, S. 162f. Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1989. ISBN 3-437-20412-2
  • Adrian D. Bell: Illustrierte Morphologie der Blütenpflanzen, Reihe UTB für Wissenschaft. Eugen Ulmer, Stuttgart. 1994. ISBN 3-8252-8089-6

Weblinks


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