Chorismos

Chorismos

Chorismos (griechisch „Trennung“) ist ein Begriff, der vor allem zur kritischen Charakterisierung der Ideenlehre Platons verwendet wird.

Inhalt

Die Kritik konstatiert eine ontologische Kluft zwischen den Ideen als dem eigentlich Seienden und den Einzeldingen. Die Trennung könne auch nicht durch TeilhabeMethexis – überwunden werden. So sei die ideelle Wahrheit von der Welt abgesondert, Vernunft und Wirklichkeit auseinandergerissen.[1]

Der Chorismos-Vorwurf wird vor allem mit der Kritik Aristoteles` an Platon verbunden, der das Wort allerdings nur einmal in einem anderen Zusammenhang verwendete.

Aristoteles

Aristoteles lehnte die Separation der Idee von den sinnlich erscheinenden Einzeldingen ab. Das Allgemeine sei abgesondert und „Idee“ genannt worden, so dass es getrennt und unerkennbar neben den Einzeldingen bestehe.

Die deutliche Kritik an Platon hinderte indes die Neuplatoniker nicht, die beiden Zentralfiguren der griechischen Philosophie sehr eng beieinander zu sehen: So bauten sie den Chorismus-Vorwurf nicht weiter aus. Erst die Scholastiker distanzierten sich deutlicher von Platon. Thomas von Aquin etwa bewertete dessen Ansicht von abgesonderten Ideen und Teilhabe als unvernünftig.[2]

Für Johannes Hirschberger bezeichneten die Scholastiker die Ideen aus diesem Grunde auch als „formae separatae“, und Raffael habe in seiner Schule von Athen Platon und Aristoteles entsprechend dargestellt. Die Sinnendinge stünden außerhalb der Ideen, wodurch die Welt zerrissen worden wäre.

So habe Platon die Universalien von der Welt getrennt und sie damit verdoppelt. Zwar habe die dingliche Welt durch Methexis an der Ideenwelt teil, weil sie eben Abbild der ideellen Urbilder sei und ein Demiurg sie, davon ausgehend, geschaffen habe. Die Ideenwelt hingegen sei etwas „Eigenes, allein in Wahrheit Seiendes“, der gegenüber die Sinnenwelt nur Schein sei, „ein Mittleres zwischen Sein und Nichtsein.“[3] Der Chorismos habe einen anderen Sinn: Mit ihm sollten innerhalb des einen Seins Modalitätsunterschiede der Seinsstärke festgestellt, nicht aber eine totale „Zweiweltentheorie“ gelehrt werden.

Ob Aristoteles die Ideenlehre richtig wiedergegeben habe, sei umstritten. Platon hätte auf ihn geantwortet, die Welt nicht verdoppelt zu haben, da die sichtbare Welt für ihn, im Gegensatz zu Aristoteles, kein „wahres Sein“ habe.[4]

Einzelnachweise

  1. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Chorismos, Bd. 1, S. 1007
  2. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Chorismos, Bd. 1, S. 1007
  3. Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Band 1, S. 174 – 175
  4. Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Band 1, S. 174 – 175

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