- Das Herzenhören
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Das Herzenhören ist der erste Roman des deutschen Schriftstellers und Journalisten Jan-Philipp Sendker.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Julia Wins Mutter kommt aus reichem Haus, ihr Vater ist erfolgreicher Anwalt. Zu seinen Mandanten gehören viele Hollywood-Stars und -produzenten. Sein Erfolg hängt nach Einschätzung von Julia vermutlich auch mit seiner ruhigen, zuvorkommenden Art, seinem fotografischen Gedächtnis und seiner sehr guten Menschenkenntnis zusammen. Für sie wirkt es oft so, als würde ihr Vater sich vor Mandantenterminen kurz sammeln, in sich rein hören – um dann den Menschen instinktiv richtig einzuschätzen.
Julia hat ihr Jurastudium beendet. Sie feiert mit ihren Eltern und ihrem Bruder. Sie übernachtet ausnahmsweise wieder bei ihren Eltern. Und am Morgen verabschiedet sich ihr Vater, angeblich weil er einen wichtigen Termin in Boston vergessen hat. Doch da kam er nie an. Die eingeschaltete Polizei ermittelte die Reiseroute ihres Vaters – er flog über Umwege nach Thailand. In Bangkok wurde sein Ausweis gefunden, dort verlor sich seine Spur.
Den ermittelnden Polizisten störte, dass die eigene Familie nichts von der Vergangenheit des erfolgreichen Anwalts zu wissen vorgab. Er hatte deshalb Julias Mutter im Verdacht. Doch diese wusste wirklich nichts von den ersten 20 Lebensjahren ihres Mannes. Die Ermittlungen blieben erfolglos. Tin Win blieb verschollen.
Von ihrer Mutter bekam sie später diverse persönliche Dinge ihres Vaters. Hier war ein Liebesbrief an eine ihr unbekannte Frau namens Mi Mi enthalten, dieser Brief war von 1955. Hieraus ging hervor, dass ihr Vater und die Empfängerin sich bereits damals schon seit 16 Jahren (5.864 Tage) nicht gesehen haben. Und eine Anschrift in Kalaw, Birma. Die 27jährige Julia beschloss ganz instinktiv, ihren seit 4 Jahren verschollenen Vater zu suchen. Und flog zu der Adresse. Kurz vorher hatte sie noch eine Unterredung mit ihrer Mutter – diese gestand, dass sie Tin Win unbedingt heiraten wollte, obwohl er eigentlich nie wollte. Und sie hat gewusst, dass sie nie wirklich in seinem Herz war – weil dieses bereits einer anderen gehört hat. Zu Beginn ihrer Ehe dachte sie, dass sie die Liebe des jungen Asiaten sicher gewinnen könne – doch im Laufe der Zeit erkannte sie, dass dies nie der Fall sein werde. Mit dieser Heirat hat sie das einzige Mal gegen ihre konservativen Eltern rebelliert – und musste dafür einen hohen Preis zahlen.
Julia kam in dem kleinen Dorf in Birma an. Und dort wurde sie von einem alten Mann angesprochen. Sie vermutete anfangs, dass dieser zwischen 70 und 80 Jahre alt wäre, doch wie sich später herausgestellt hat, war er erst Mitte 50. Er stellte sich als U Ba vor und wusste bereits ihren Namen, und auch das Lieblingsmärchen, das sie von ihrem Vater immer vorgelesen bekommen hatte. Das Märchen von Prinz, Prinzessin und Krokodil. Hier ging es um die Thronfolger zweier Königsreiche, die durch einen Fluss getrennt waren. Der Prinz konnte seine Prinzessin nur mit Hilfe eines Krokodils besuchen. Doch die anderen Krokodile waren neidisch und bedrohten den Prinzen. Dessen reptilienhafter Freund nahm ihn in seinem Rachen in Schutz – doch die Flucht vor den anderen Reptilien dauerte zu lange, der Prinz erstickte in dem Rachen seines Freundes. Die Prinzessin starb kurz darauf vor Kummer. Die Beerdigungen fanden gleichzeitig statt, beide wurden verbrannt. Auf einmal begannen die Tiere zu singen. Beide Rauchsäulen stiegen den Himmel empor – und verbanden sich zu einer einzigen Rauchsäule. Für Julias Mutter war dies kein Happy-End, für ihren Vater allerdings schon.
Anfangs war Julia sehr vorsichtig, doch U Ba gewann mit seiner gebildeten Art (die übrigens gar nicht zu seinem körperlichen Äußeren passte) langsam das Vertrauen der jungen New Yorkerin. U Ba erzählte ihr die Geschichte ihres Vaters, die ersten 20 Jahre seines Lebens.
Als Tin Win auf die Welt kam, hatte seine Mutter Mya Mya – die als 5jährige den Tod ihres Zwillingbruders miterleben musste - keine wahre Liebe für ihn. Sie fühlte sich ihrem eigenen Kind nie nah. Dies wurde auch durch einen Astrologen bestätigt – denn dieser erkannte zwar das große Talent des Jungen und auch seine große Liebesfähigkeit, doch er wusste, dass dies die Eltern nicht verstehen würden. Daher sagte er nur, der Junge würde „große Sorgen“ bedeuten. Tin Wins Mutter nahm es als Fluch auf, sein Vater hingegen sah es lockerer. Doch als dieser bei einem Unfall starb, verlass die junge Mutter ihren ca. 6 jährigen Sohn. Da sie Tin Win gesagt hat, dass sie bald wieder da wäre, hat er auf sie auf einem Baumstumpf gewartet – bis er fast verhungert wäre.
Tin Win wurde von einer Nachbarin großgezogen, die auch die sonstigen Pflichten übernahm. Denn Tin Wins Mutters Aufgabe war es, das Vorzeige-Luxus-Haus eines Verwandten zu hüten. Dieser Verwandte ließ sich zwar nie blicken, aber dennoch fiel hier viel Arbeit an. Su Kyi nahm sich also des Jungen und der Hausmeisterstelle an. Tin Win war ein ruhiges Kind. Doch im Alter von 10 Jahren erblindete der Junge auf einmal. Su Kyi brachte den Knaben ins Kloster, wo der Mönch U May ebenfalls blind war. Hier lernte Junge mit seiner Behinderung zu leben. Doch er wurde nie echter Bestandteil des Klosters, dafür war er viel zu sehr Einzelgänger. Doch er entdeckte die Gabe des Hörens.
Eines Tages hörte er im Kloster etwas ganz laut schlagen. Wie sich herausstellte, war dies der Herzschlag von Mi Mi, er hörte ihr Herz schlagen. Diese war zwar nicht blind, doch sie hatte zwei missgebildete Füße und konnte nicht gehen. Die beiden verliebten sich sehr schnell ineinander. Sie war seine Augen - und er ihre Beine. Gemeinsam eroberten sie die Welt. Sie waren wie für einander geschaffen. Und irgendwie fand für beide fest, dass sie heiraten und gemeinsam alt werden wollten.
Doch ihr Schicksal war ein anderes. Nach vier Jahren wurde dem reichen Verwandten, auf dessen Haus Su Kyi nun achtgab, leider von einem Astrologen geweissagt, dass er sich unbedingt um einen Verwandten zu kümmern hätte, um großes Unheil abzuwenden. Dem Onkel fiel nur Tin Win ein. Nach einem stürmischen Abschiednehmen (Mi Mi / Tin Win) ließ er ihn in die Hauptstadt bringen. Dort wurde Tin Win – nach 8 Jahren ohne Augenlicht - vom Grauen Star geheilt. Der Onkel war von der ruhigen und intelligenten Art des Jungen so begeistert, dass er ihn nicht mehr gehen ließ. Er schickte ihn auf die St. Paul High School, und dann nach Amerika zum Studieren. Tin Win und Mi Mi schrieben sich zwar täglich Briefe, doch der Onkel ließ diese alle abfangen. Und dennoch wurde die Liebe zwischen beiden nicht getrübt. Tin Win sollte nach einem erfolgreichen Studium der Partner seines Onkels werden und reich heiraten. Ein „Nein“ gab es für Tin Win aufgrund der Mentalität und Tradition in Birma nicht. Doch nach dem 2. Weltkrieg verließ den Onkel das Glück und das Geld. Tin Win konnte folglich in Amerika bleiben. Sein Plan war vermutlich, den Tod des Onkels abzuwarten und dann endlich zu seiner Mi Mi zurückzukehren. Doch drei Monate vor Onkels Tod kam Julias großer Bruder zur Welt. Tin Win hatte nun eine eigenen Familie, eigene Verpflichtungen, die ihn von seiner Liebe zurückhielten.
Doch dann erkannte er, dass seine Mi Mi im Sterben lag – und er brach – nach über 50 Jahren - endlich zu ihr auf. Mi Mi wartete mit letzter Kraft auf seine Rückkehr. Als er endlich bei ihr war, nahm er sie in seine Arme – und beide schliefen gemeinsam auf. Beide sind in dieser Nacht – Arm in Arm – gestorben. „Er war rechtzeitig gekommen. Gerade noch“. Die Dorfbewohner sahen das Omen für eine ganz große Liebe und feierten entsprechend die Beerdigung. Mi Mi, die aufgrund ihrer Güte, ihrer Schönheit – und ihren guten selbstgedrehten Zigarren / „Cheroots“ – zu Lebzeiten hohes Ansehen genoss, wurde eine große Ehre erbracht. Beide wurden auf dem Friedhof verbrannt. Und wie in Julias Lieblingsmärchen verbanden sich die beiden Rauchsäulen zu einer einzigen – und selbst die Tiere sangen. Seitdem wird dieser Tag monatlich von den Dorfbewohnern ganz groß als Liebesfest gefeiert.
Als sie U Ba besuchte, widmete er sich gerade seinem Lieblingshobby; er restaurierte Bücher, die dem schwülen Klima (und dem Ungeziefer und den Würmern) Birmas nicht gewachsen waren. Sie erfuhr, dass U Ba auch die Möglichkeit gehabt hätte, im Westen zu studieren. Er hätte bereits ein Stipendium erhalten. Doch als seine Mutter krank wurde, nahm er Abstand vom Studium und kümmerte sich um seine Mutter, die noch sehr alt wurde.
Julia sah Fotos von Mi Mi. Hier war immer ein kleiner Junge auf dem Bild, der auch auf späteren Bildern zu sehen war. Sie erkannte in ihm U Ba. Und dann entdeckte sie Ähnlichkeiten zwischen ihrem Vater und dem alten Einheimischen. U Ba war ihr Halbbruder. Julia hat mit ihrer Reise nach Birma die Geschichte ihres Vaters erfahren, einen Halbbruder bekommen – und vor allem das Geschenk, die Gabe der Liebe bekommen. Die Liebe zwischen Tin Win und Mi Mi.
Personen
- Julia Win: Tochter aus gutem Haus, auf der Suche nach ihrem Vater
- U Ba: Julias Halbbruder, Sohn von Tin Win und Mi Mi
- Francesco Lauria: Leiter der Sonderkommission, die nach Tin Win fahndete
- Tin Win: Julias Vater, kam 1942 mit einem Studentenvisum von Birma in die USA
- Mya Mya: Tin Wins Mutter
- Khin Maung: Tin Wins Vater
- Su Kyi: die Schwester der Nachbarin, nahm sich Tin Win an, als seine Mutter ihn verlassen hatte
- U May: ein blinder Mönch
- Ma Mu: die Tochter einer Köchin, die große Liebe von U May (die einen bösen, ironischen Tod starb, als U May sie gesucht hat)
- Mi Mi: Tin Wins große Liebe
- Yadana: Mi Mis Mutter
- Moe: Mi Mis Vater
- U Saw: Tin Wins reicher Onkel
- Hla Taw: einer von U Saws Hausdienern
- Dr. McCrae: operiert Tin Wins Grauen Star
Kritiken
- „in seinem ersten Roman "Das Herzenhören" gelingt es Jan-Philipp Sendker mit einer hohen Sensibilität die Gefühle sowohl von Männern als auch Frauen zu schildern und ein eindrucksvolles Plädoyer für das Vertrauen und die Liebe zu entwickeln, ohne jemals in den Kitsch oder die Sentimentalität abzugleiten.“ (DeutschlandRadio) [1]
- „'Das Herzenhören' ist hervorragend erzählt, poetisch geradezu - ohne auch nur einmal Gefahr zu laufen, in Kitsch abzudriften. Lesen!“ (Augsburger Allgemeine) [2]
Ausgaben
- Jan-Philipp Sendker, "Das Herzenhören",ISBN 978-3-442-45726-7
Einzelnachweise
Kategorie:- Roman, Epik
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