Der Notar in der Falle

Der Notar in der Falle
Jeremias Gotthelf um 1844

Der Notar in der Falle ist eine Erzählung von Jeremias Gotthelf, die 1848 in den „Elsässischen Neujahrsblättern“ bei August Stöber in Straßburg erschien.[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die 27jährige Luise, die bei ihrer verwitweten Tante, der Frau Spendvögtin lebt, wird zur Hochzeit der Freundin als Brautjungfer geladen. Luise weint Freudentränen. Denn „ihr Lebtag“ hatte „sie noch nie ein Rendezvous gehabt“. Zusammen mit ihrem Brautführer wird sie sich wenigstens als halbes Ehepaar vorkommen. Luise sehnt ihren großen Tag herbei und kann kaum noch an etwas anderes denken. Das Mädchen erscheint der Tante, ihrer zweiten Mutter, auf einmal als vergesslich.

Auf der bewussten Hochzeit dann kehrt der Junggeselle an Luises Seite, der Notar Stößli, seine glühende Vaterlandsliebe hervor. Die pathetischen Ausrufe des Herren machen Luise keineswegs eifersüchtig auf das Vaterland. Das zurückhaltende, blasse Mädchen, dieses „vermilbete Käslein“, wird „rot und auch feurig im Herzen“. Als es dann ans Tanzen geht, ist es Luise in Stößlis Armen, „als ob zwei Engel durch den Äther schwebten“.

Als sie dann der Alltag wieder hat, kümmert sich der Notar nicht mehr um seine Tischdame. Luise kann die Unaufmerksamkeit des sonst so zuvorkommenden Herren nicht verschmerzen. Hat doch der heiß geliebte Verehrte sein „Bureau“ in ihrem Städtchen nicht allzu weit entfernt von ihrem Domizil „hinter dem Waschhaus“. Sie stellt sich krank, wartet eine Abwesenheit der Tante ab und bestellt den jungen Notar zu sich. Luise gibt vor, sie verfüge über beträchtliche Vermögenswerte, sähe ihr allzu nahes Ende ab und wolle zuvor rasch noch ein Testament zugunsten ihrer Tante aufsetzen lassen. Leider sei sie zu krank und ungeübt in solchen juristischen Dingen. Stößli ist entzückt.

In Anwesenheit der heimgekommenen Tante macht Stößli dem vermeintlich reichen Mädchen einen Heiratsantrag. Luise - darauf mit dem Notar wieder unter vier Augen - wird kleinlauter: „Aber, und wenn ich kein Geld hätte?“ Stößli besteht auf der überstürzten Heirat; lässt keinen Einwand der Braut und der Tante gelten. Er eheliche Luise, eine bescheidene Dame „von Grundsätzen und Bildung“ aus Liebe. Der vaterlandsliebende Notar frage als Liberaler nach dem Geist und nicht nach dem Geld. Darin unterscheide er sich vom Aristokraten.

Die Leute im Städtchen können Luises unverhofftes Glück nicht begreifen. Indem der Notar Luise immer wieder seine Liebe versichert, erwacht „in dem guten Mädchen ein gewisses Selbstbewußtsein“. Luise erscheint auf einmal wirklich als schön. Stößli wird am Tage nach der Hochzeit ernüchtert, als er die Vermögenswerte der Gattin feststellen will. Luise - in die Enge getrieben - gesteht, sie habe kein Vermögen. Der Notar tobt. Luise habe ihn „gefangen wie einen Gimpel“. Er will sich auf der Stelle scheiden lassen.

Endlich durchschaut die Tante die Ursache des „zornigen Getönes“ und schreitet ein: Wenn Luises List in dem Städtchen bekannt würde, dann hätte sie die Lacher auf ihrer Seite. Und „ohne Geld sei Luise nicht“. Notare - so auch Stößli - hören bei solchen Anmerkungen scharf hin. Die Ehe wird dann doch noch glücklich. Manchmal fragt Luise: „Bin ich dir auch lieb?“ Darauf antwortet Stößli: „Von ganzem Herzen, fast wie das Vaterland!“

Zitat

  • „Alles auf Erden geht zu Ende, selbst die Zeit.“[2]

Form

Der Erzähler weiß viel, doch er wahrt Distanz. So schreibt er: „Der Notar war von Natur eine ganz gute Seele, das heißt eigentlich eine gute Haut. Ob er eine Seele hatte, das wissen wir nicht.“[3] Gotthelf legt nicht nur Schwächen des Notars ironisch bloß[4], sondern schildert Luises listiges Einfangen des Gatten mit einem Augenzwinkern. Der auf sein Vergnügen bedachte Leser kommt auf seine Kosten. Zum Beispiel gelingt Gotthelf in sparsamen Strichen ein humorvolles Bild von Luises Tante, wenn diese Stößli ständig mit ihrem Mann selig, dem Spendvogt, vergleicht.

Rezeption

  • Poschmann[5] findet die „Geschichte von dem Mitgiftjäger, der“ weiblicher List erliegt, „amüsant“.
  • Ort der Handlung: Mit jenem Städtchen habe Gotthelf ein liebevolles Bild von Büren an der Aare, dem Geburtsort seiner Mutter Elisabeth Bitzius-Kohler, gezeichnet[6].

Literatur

Verwendete Ausgabe

  • Der Notar in der Falle. S. 316-354 in: Bibliothek deutscher Klassiker. Henri Poschmann: Gotthelfs Werke. In zwei Bänden. Bd. 1. Aufbau-Verlag Berlin 1982 (3. Aufl.). Textgrundlage: Gotthelf-Gesamtausgabe von Rudolf Hunziker und Hans Bloesch (München 1911) sowie die 20bändige Ausgabe von Walter Muschg (Basel 1948)

Ausgaben

  • Jeremias Gotthelf: Der Notar in der Falle. Wie Joggeli eine Frau sucht. Zwei Erzählungen. Rütten & Loening, Potsdam um 1930. 95 Seiten. Fraktur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verwendete Ausgabe, S. 358, letzter Eintrag
  2. Verwendete Ausgabe, S. 329, 16. Z.v.o.
  3. Verwendete Ausgabe, S. 329, 10. Z.v.o.
  4. So fährt er in der Beschreibung der Seele des Notars fort: „Wenn er eine hatte, so bestund sie hauptsächlich in dem eminenten Vermögen, ein Gsätzlein nachzupfeifen und zwar ununterbrochen so lange, bis man ihm wieder ein anderes vorpfiff. Wahrscheinlich hatte sie ein ähnliches Eingericht wie trompetende Tabaksdosen oder Kasten eines Leiermannes.“ (Verwendete Ausgabe, S. 329, 10. Z.v.o.)
  5. Poschmann in der Einleitung der verwendeten Ausgabe, S. XXIII, 11. Z.v.o.
  6. Büren an der Aare/Geschichte

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Der Rosenkavalier — Werkdaten Titel: Der Rosenkavalier Originaltitel: Der Rosenkavalier Originalsprache: deutsch Musik: Richard Strauss Libretto …   Deutsch Wikipedia

  • Der zweite Atem — Filmdaten Deutscher Titel Der zweite Atem Originaltitel Le deuxiéme souffle …   Deutsch Wikipedia

  • Organ der Rechtspflege — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Der Procurator aus …   Deutsch Wikipedia

  • Das Leben der Anderen — Filmdaten Originaltitel Das Leben der Anderen Produktionsland Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig IV. der Bayer — Kaiser Ludwig der Bayer (Grabplatte in der Frauenkirche) Ludwig IV. der Bayer (* Ende 1281/Anfang 1282 in München; † 11. Oktober 1347 in Puch bei Fürstenfeldbruck) entstammte dem Haus Wittelsbach. Er war seit 1294 Herzog von Oberbayern …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig der Baier — Kaiser Ludwig der Bayer (Grabplatte in der Frauenkirche) Ludwig IV. der Bayer (* Ende 1281/Anfang 1282 in München; † 11. Oktober 1347 in Puch bei Fürstenfeldbruck) entstammte dem Haus Wittelsbach. Er war seit 1294 Herzog von Oberbayern …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig der Bayer — Kaiser Ludwig der Bayer (Grabplatte in der Frauenkirche) Ludwig IV. der Bayer (* Ende 1281/Anfang 1282 in München; † 11. Oktober 1347 in Puch bei Fürstenfeldbruck) entstammte dem Haus Wittelsbach. Er war seit 1294 Herzog von Oberbayern …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Straßennamen von Memmingen — Übersichtskarte der Stadt Memmingen Die Liste der Straßennamen von Memmingen listet alle Straßennamen von Memmingen und den Ortsteilen auf. Die erste Spalte benennt den Straßennamen. Bei der Stadt Memmingen wird zusätzlich in der zweiten Spalte… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Werke von Georges Simenon — Diese Liste enthält die Werke, die der belgische Schriftsteller Georges Simenon vom Jahr 1931 an unter seinem eigenen Namen veröffentlichte. Dabei handelt es sich um Romane, Erzählungen, Essays, Reportagen und autobiografische Texte sowie… …   Deutsch Wikipedia

  • Anerkennung der Vaterschaft — Die Anerkennung der Vaterschaft bei einem außerehelich geborenen Kind ist anders als die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung eine freiwillige Willenserklärung. Die gesetzliche Grundlage der Vaterschaftsanerkennung bilden in Deutschland §§ 1594… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”