Einladungsbrief

Einladungsbrief

Der sogenannte Einladungsbrief ist ein Dokument aus der Zeit der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Es handelt sich um einen Brief an den damaligen Parteisekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, in dem einige Funktionäre des alten stalinistischen Flügels der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) um eine schnelle Hilfe und Intervention ersucht haben, um eine angebliche Konterrevolution abzuwenden. Breschnew bediente sich der Argumente dieses Briefes für die Begründung der nur weniger Tage später erfolgten Intervention der Armeen des Warschauer Paktes am 21. August 1968 in der Tschechoslowakei.

Nach der Rückkehr zur Demokratie 1989 wurde die Frage nach diesem Brief, der bis dahin zwar als Begebenheit häufig erwähnt wurde, aber nie als Dokument auftauchte, heftig diskutiert. Eine Kommission, welche die Ereignisse 1967-1970 untersuchen sollte, versuchte auch an Dokumente heranzukommen, die für die historiographische Aufarbeitung dieser Zeit wichtig waren. Als Ergebnis dieser Bemühungen übergab im Juli 1992, d. h. 24 Jahre nach der Intervention, der damalige sowjetische Präsident Jelzin dem damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Havel ein Dossier mit sieben Dokumenten. Sie befanden sich bis zu diesem Zeitpunkt im Archiv des Politbüros der KPdSU, die Authentizität bestätigte dann R. G. Pichoja, der Hasuptarchivar. In einem verschlossenem Umschlag mit dem handschriftlichen Vermerk des ZK Mitglieds Tschernenko "ohne Erlaubnis nicht öffnen" befand sich auch das Original des Einladungsbriefs.[1]

Es handelt sich um einen Brief von fünf hochgestellten Funktionären der KSČ, nicht datiert und in russischer Sprache geschrieben, der nach Angaben von Vasil Biľak in seinen Memoiren am 3. August 1968 anlässlich des Treffens in Bratislava der sowjetischen Seite übergeben wurde.[2] Das Dossier enthielt auch einen weiteren persönlichen Brief von Antonín Kapek, ehemaligem Mitglied des ZK der KSČ mit einem ähnlichen Inhalt, der an die Sowjets am 29./30. Juli 1968 bei den Verhandlungen in Čierna nad Tisou übergeben wurde.[3] (Man spekuliert noch über weitere Briefe bzw. deren Varianten, welche die Unterschriften weitaus mehrerer KSČ-Funktionäre trugen, doch es gibt dafür bis heute keine Beweise.) [4]

Die Unterzeichner

Der Einladungsbrief wurde unterzeichnet von (in der Reihenfolge der Originalunterschriften):[1]

  • Alois Indra, ehemaliges Mitglied des ZK der KSČ, Verkehrsminister; 1971 wurde er Vorsitzender der Föderalen Versammlung.
  • Drahomír Kolder, ehemaliges Mitglied des ZK der KSČ; 1969 wurde er Vorsitzender der Volkskontrollausschusses.
  • Oldřich Švestka, ehemaliges Mitglied des Präsidiums des ZK der KSČ; nach August 1968 wurde er wieder Chefredakteur der Parteizeitung Rudé právo.
  • Antonín Kapek, ehemaliges Mitglied des ZK der KSČ; einen persönlichen Brief richtete er an Breschnew schon vorher; war an der Normalisierung maßgebend beteiligt, 1990 starb er infolge eines Suizids.
  • Vasil Biľak, ehemaliges Mitglied des Präsidiums des ZK der KSČ; nach der Intervention von 1968 war er Sekretär des ZK mit einem ausschlaggebenden Einfluss auf dem Gebiet der Außenpolitik und der Ideologie.

Einzelnachweise

  1. a b František Janáček, Marie Michálková, Příběh zvacího dopisu (Die Geschichte des Einladungsbriefs), in: Soudobé dějiny 1/1993 (Zeitschrift der Akademie der Wissenschaften), online auf: www.68.usd.cas.cz, tschechisch, abgerufen am 21. Juli 2010
  2. Vasil Biľak, Paměti (Memoiren), 2. Teil, Praha, Cesty 1991, S. 88, zit. nach František Janáček, Marie Michálková, Příběh zvacího dopisu (Die Geschichte des Einladungsbriefs), in: Soudobé dějiny 1/1993 (Zeitschrift der Akademie der Wissenschaften), online auf: www.68.usd.cas.cz, tschechisch, abgerufen am 21. Juli 2010
  3. Eine Meldung der Izvestija vom 17. Juli 1992, zit. in Igor Levin, Verborgene kommt ans Tageslicht... Osteuropa 4/1993, hier zit. nach František Janáček, Marie Michálková, Příběh zvacího dopisu (Die Geschichte des Einladungsbriefs), in: Soudobé dějiny 1/1993 (Zeitschrift der Akademie der Wissenschaften), online auf: www.68.usd.cas.cz, tschechisch, abgerufen am 21. Juli 2010
  4. Tomáš Kraus, Před 41 lety armády Varšavské smlouvy zlikvidovaly československý pokus o reformu socialismu, in: eurozpravy.cz (Nachrichtenportal) vom 21. August 2009, tschechisch, abgerufen am 21. Juli 2010

Weblinks

  • Russisches Original des Briefes: www.68.usd.cas.cz, Seite 94
  • Tschechische Übersetzung des Briefes: Zvací dopis auf der tschechischen Wikisource

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