Frankenberger-These

Frankenberger-These

Die Frankenberger-These, auch Frankenreiter-These, ist eine in der historischen Forschung weitgehend als widerlegt geltende These, die eine angeblich jüdische Abstammung Adolf Hitlers behauptet.

Unter Berufung auf die nicht mit letzter Sicherheit geklärte Abstammung von Hitlers Vater Alois Hitler – der 1837 als unehelicher Sohn der Hausmagd Anna Maria Schickelgruber zur Welt kam – stellt die Frankenberger-These die Behauptung auf, dass der unbekannte Erzeuger von Hitlers Vater ein jüdischer Kaufmann aus Graz namens Leopold Frankenberger (oder Frankenreiter) – oder dessen jugendlicher Sohn – gewesen sei und dass Adolf Hitler demnach im Sinne der später von seinem eigenen Regime veranlassten Nürnberger Rassengesetze ein „Vierteljude“ gewesen sei.

Herkunft der These

Die Frankenberger-These in ihrer endgültigen Form geht auf die unter dem Titel Im Angesicht des Galgens veröffentlichten Lebenserinnerungen von Hans Frank zurück. Frank, der in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren als Hitlers Rechtsanwalt fungiert hatte, gibt dort an, dass er von Hitler 1930 den Auftrag erhalten hätte, diskret den diversen damals in der Presse und Öffentlichkeit kursierenden Gerüchten nachzugehen, die eine jüdische Abstammung Hitlers behaupteten.

Bei einer eingehenden Recherche hätte er, so Frank, immerhin einige Indizienbeweise zutage fördern können, die diese Gerüchte als nicht ganz abwegig erscheinen ließen: so habe Hitlers Großmutter Anna Maria Schickelgruber in den 1830er Jahren als Hausmädchen und/oder Köchin im Haus eines Grazer Judens namens Frankenberger gearbeitet. Hochschwanger sei sie 1837 in ihr Heimatdorf zurückgekehrt, wo der Sohn Alois zur Welt gekommen sei. Im Taufregister sei die Spalte für den Vater des Kindes – das daher den Nachnamen der Mutter erhielt – zwar frei geblieben, aber immerhin hätte Anna Maria Schickelgruber in den folgenden 14 Jahren finanzielle Unterstützung durch Frankenberger bezogen.[1]

Wissenschaftliche Bewertung der These

Die Stichhaltigkeit der Frankenberger-These ist in der historischen Forschung seit ihrem Aufkommen angezweifelt worden. Folgerichtig wird sie von den meisten namhaften Forschern verworfen. Dabei werden sowohl die Vaterschaft Frankenbergers als auch dessen Status als Jude in Frage gestellt.

Bereits 1956 wies Franz Jetzinger darauf hin, dass „der Name Frankenberger [...] gar nicht jüdisch“ klingen würde, und dass es daher „erst bewiesen werden“ müsste, dass Frankenberger – selbst wenn er tatsächlich der Vater Alois Hitlers gewesen sein sollte – tatsächlich ein Jude gewesen sei. Jetzinger betonte außerdem, dass für angebliche Alimentenzahlungen „jegliche Beweise“ fehlen würden. Sein Fazit lautet daher: „Franks Bericht reicht höchstens hin zum Verdacht auf jüdische Abstammung, eine Gewissheit verbürgt er nicht.“[2]

Das Archiv der Stadt Graz kam in den 1960er Jahren zu dem Ergebnis, dass der angebliche Frankenberger wahrscheinlich identisch war mit Leopold Frankenreiter: zum einen wäre in den Einwohnerlisten der Stadt Graz für den fraglichen Zeitraum kein einziger Frankenberger zu finden und zum anderen würde dieser Name dem Namen entsprechen, den Hitlers Neffe William Patrick Hitler dem Arbeitgeber von Hitlers Großmutter zuschrieb. Frankenreiter sei allerdings nicht jüdischer Abstammung gewesen, sondern mit seiner gesamten Familie katholisch getauft gewesen.[3] Der Name Frankenberger blieb aber auch nach dieser Richtigstellung der in der Literatur weitaus häufiger anzutreffende.

Joachim Fest urteilte, dass „der Mangel an nachprüfbaren Belegen [...] die These freilich überaus fragwürdig erscheinen“ lasse. Frank habe zwar wenig Anlass gehabt, Hitler wissentlich fälschlich jüdische Vorfahren zuzuschreiben, dennoch könne „die These der ernsthaften Erörterung kaum noch“ standhalten.[4] Die „eigentliche Bedeutung“ der These läge „denn auch weniger in ihrer objektiven Stichaltigkeit.“ Sondern: „Weit entscheidender und psychologisch von Bedeutung“ sei es nach Fest gewesen, „daß Hitler seine Herkunft durch die Ergebnisse Franks in Zweifel gezogen sehen musste.“[5]

Weitere namhafte Historiker die die These verwerfen sind Ian Kershaw[6], Robert Payne[7] Walter Görlitz[8], Anton Joachimsthaler[9], Christian Graf von Krockow[10]; John Toland[11] und Ernst Deuerlein.[12]

Abseits der seriösen historischen Forschung ist die „Enthüllung“ der „jüdischen Abstammung“ Hitlers bis in die Gegenwart immer wieder durch Publikationen mit populärwissenschaftlichem, verschwörungstheoretischem oder sensationslüsternem Einschlag aufgegriffen worden. Charakteristisch für diese, in ihrer breiten Fülle kaum überschaubaren, Literatur ist, dass sie seit Jahrzehnten bekanntes Quellenmaterial, insbesondere die Kolportierungen Franks, als neue Erkenntnisse darzustellen versucht und dabei die kontinuierlich und nahezu einhellig skeptisch-ablehnende Rezeption durch die führenden Hitler-Biografen unerwähnt lässt.

Einzelnachweise

  1. Hans Frank: Im Angesicht des Galgens, 1955, S. 320.
  2. Franz Jetzinger: Hitlers Jugend. Phantasien, Lügen- und die Wahrheit, 1956, S. 32.
  3. Stadt Graz: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 2–4, 1969, S. 8–10.
  4. Joachim Fest: Hitler. Eine Biografie, 1973, S. 32.
  5. Ebd.
  6. Kershaw: Hitler, 1889–1936. Hubris, 2000, S. 8.
  7. Payne: The Life and Death of Adolf Hitler, 1973, S. 6.
  8. Görlitz: Adolf Hitler, 1960, S. 13.
  9. Anton Joachimsthaler: Korrektur einer Biographie, 1989, S. 11.
  10. Krockow: Hitler und seine Deutschen, 2001, S. 12.
  11. John Tolad: Hitler, 1976, S. 246.
  12. Deuerlein: Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten, 1968, S. 63.

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