Gruppe 39

Gruppe 39

Die Gruppe 39 ist eine 1939 gegründete Vereinigung westeuropäischer staatsunabhängiger nationaler Nachrichtenagenturen.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Die politischen Spannungen der 1930er Jahre führten zu einer zunehmenden Parteilichkeit in den Nachrichtendiensten der internationalen Agenturen Havas (Frankreich), Reuters (England), Wolff (Deutschland) und Associated Press (USA). Für die der unparteilichen Nachrichtenvermittlung verpflichteten kleineren nationalen Nachrichtenagenturen stellte dies ein ernstes Problem dar: Einerseits waren sie für ihre Auslandsberichterstattung auf die Dienste der internationalen Agenturen angewiesen. Anderseits tauschten sie ihre eigenen Dienste untereinander über die technischen Einrichtungen der internationalen Agenturen aus und stellten dabei fest, dass die Nachrichten ab und zu vor der Weiterleitung manipuliert wurden, erst recht nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.[1][2]

Die nationalen Agenturen suchten schließlich einen Ausweg aus dieser Situation. Die Nachrichtenagenturen der – nach einem 1930 in Oslo abgeschlossenen Freihandelsabkommen so genannten – Oslo-Staaten Schweden (TT), Norwegen (NTB), Niederlande (ANP), Belgien (Belga), Dänemark (Ritzau) und Finnland (STT) sowie der Schweiz (sda) gründeten im November 1939 die Vereinigung Hell Commune, benannt nach den technischen Geräten, über die die Agenturen künftig ihre Dienste direkt austauschen wollten. Als Hauptsitz wurde Amsterdam gewählt; die Übermittlungen sollten durch die holländischen Post- und Telegraphendienste besorgt werden.[3]

Der Dienst nahm bereits im Dezember 1939 provisorisch und im Februar 1940 offiziell den Betrieb auf. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in die Niederlande im Mai 1940 sah sich die holländische Armee jedoch gezwungen, den Sender zu sprengen, um ihn nicht in Feindeshand fallen zu lassen. Der Dienst der Hell Commune, an sich erfolgreich gestartet, bestand damit nur sehr kurze Zeit.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg, im November 1945, beschlossen die Agenturen, die Vereinigung wieder zu aktivieren, ihr eine formalere Gestalt zu geben und sie nach dem Gründungsjahr Gruppe 39 zu nennen. Der Austausch der Dienste sollte nun per Fernschreiber erfolgen. Die Gruppe setzte sich außerdem zum Ziel, eine europäische Allianz der Nachrichtenagenturen zu formen. 1957 gründeten die westeuropäischen Nachrichtenagenturen auf Initiative der Gruppe die Vereinigung Alliance Européenne des Agences de Presse. Zu den 16 Gründungsmitgliedern gehörten auch die internationalen Agenturen Frankreichs, Agence France-Presse AFP (Nachfolgerin von Havas), und Deutschlands, Deutsche Presse-Agentur dpa (Nachfolgerin des Wolffschen Telegraphischen Bureaus, das während des Zweiten Weltkriegs in Deutsches Nachrichtenbüro DNB umbenannt worden war). Der Name der Allianz wurde 2002 in European Alliance of News Agencies geändert.[4] 1970 wurden auch die osteuropäischen Nachrichtenagenturen in die Allianz aufgenommen.

1956 wurde die österreichische Nachrichtenagentur Austria Presse Agentur APA achtes Mitglied der Gruppe 39.

Die heute noch gültigen Ziele der Gruppe, die laut ihrem Leitbild ausschließlich staatsunabhängige und nicht in Konkurrenz zueinander stehende nationale Nachrichtenagenturen vereinigt, sind der möglichst gemeinsame Auftritt der Mitglieder gegenüber den internationalen Agenturen sowie der Meinungsaustausch in wichtigen gemeinsamen Fragen wie Technologie, Urheberrecht oder Marketing. Die Präsidentschaft rotiert alle zwei Jahre unter den Mitgliedern.[5]

Literatur

  • Ernst Reiber:Die gewerbsmässige Nachrichtenvermittlung. Buchdruckerei Schweizerische Bodensee-Zeitung A.-G., Romanshorn 1927
  • Peter Meier: Der eidgenössische Filter – Die Geschichte der Schweizerischen Depeschenagentur – Unter besonderer Berücksichtigung der Krisen- und Kriegsjahre 1933–1945. Liz., Bern 1994
  • Roger Blum, Katrin Hemmer und Daniel Perrin (Hrsg.): Die AktualiTäter. Verlag Paul Haupt, Bern 1995, ISBN 3-258-05002-3
  • Edith Dörfler und Wolfgang Pensold: Die Macht der Nachricht. Molden Verlag, Wien 2001, ISBN 3-85485-065-4
  • Michael Segbers: Die Ware Nachricht – Wie Nachrichtenagenturen ticken. Uvk Verlags GmbH, Konstanz 2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Herman H. J. van de Pol: The Development of Co-operative News Agencies (engl.), Vorlage für das Meeting of Experts on Development of News Agencies in Asia and the Far East der Unesco. Bangkok, 1961, S. 2, abgerufen am 20. Juli 2011
  2. Edith Dörfler und Wolfgang Pensold: Die Macht der Nachricht. Molden Verlag, Wien 2001, S. 377
  3. Edith Dörfler und Wolfgang Pensold: Die Macht der Nachricht. Molden Verlag, Wien 2001, S. 380
  4. Gunnar Naesselund: Collaboration between News Agencies in Nordic Countries (engl.), Vorlage für das International Seminar on „The Infastructures of News Collection and Dissemination in the World“ der International Commission for the Study of Communication Problems der Unesco. Stockholm, 1978, S. 5, abgerufen am 20. Juli 2011
  5. Mission Statement of Group 39 (engl.), auf der Website von APA, abgerufen am 20. Juli 2011

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