Handwerkervereinshaus

Handwerkervereinshaus
Haupteingang des Handwerkervereinshauses

Das Handwerkervereinshaus ist ein 1904/1905 errichtetes Backsteingebäude im Hof der Sophienstraße 18 in Berlin-Mitte. Es erlangte besonders durch die Nutzung als Ort für politische Veranstaltungen der deutschen Arbeiterbewegung historische Bedeutung. Zwischen 1950 und 1990 dienten die Räumlichkeiten als Theaterwerkstatt für das Maxim-Gorki-Theater. Seit 1996 beherbergt das ehemalige Handwerkervereinshaus das freie Theater Sophiensaele und steht zusammen mit dem Vorderhaus komplett unter Denkmalschutz.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der 1844 gegründete Handwerkerverein hatte im Jahr 1864 ein auf dem Gelände Sophienstraße 15 ausgebautes Gebäude als Vereinshaus genutzt, dessen Versammlungsräume nach der Straße „Sophiensäle“ genannt wurden. Hier fand 1874 unter starker Beteiligung die erste Vereinigung zweier Berliner Arbeiterorganisationen – der Lassalleaner und der Eisenacher – statt.[2]

Als das erste Vereinshaus 1904 beim Bau eines Kaufhauses durch den Wertheim-Konzern auf einem Nachbargrundstück erheblich Schaden genommen hatte, musste es gesperrt werden. Der Wertheim-Konzern kaufte dem Handwerkerverein Grund und Boden daraufhin ab. Mit dem Kaufpreis konnte der Vorstand des Vereins zwei Grundstücke in der Sophienstraße 17 und 18 erwerben, die bereits mit Wohnhäusern samt Seitenflügeln bebaut waren. Zunächst ließen die Handwerker eine Durchfahrt im Vorderhaus einfügen und auf der hinteren Fläche nach Vorlagen der Architekten Joseph Fraenkel und Theodor Kampffmeyer ein Saalgebäude mit mehreren großen Räumlichkeiten errichten. Die Versammlungsstätten boten Platz für bis zu 3000 Personen und wurden als Handwerkervereinshaus bekannt.

Am Handwerkervereinshaus erinnert eine Gedenktafel an die historische Bedeutung des Gebäudes als Ort politischer Veranstaltungen

Die Säle des Vereinshauses dienten auch als Ort für politische Versammlungen – selbst nachdem 1918 nach der Novemberrevolution das preußische Vereins- und Versammlungsrecht aufgehoben war und politische Versammlungen unter freiem Himmel wieder erlaubt waren. Dieses Angebot wurde durch die Berliner Arbeiterbewegung besonders intensiv genutzt. So erinnert die Gedenktafel am Handwerkervereinshaus daran, dass Karl Liebknecht hier zum Kampf in der Revolution von 1918 aufrief, Wilhelm Pieck hier im selben Jahr auf der ersten öffentlichen Versammlung des Spartakusbundes sprach, das Haus im November 1920 Tagungsort des 5. Parteitages der KPD (auf dem der Zusammenschluss mit dem linken Flügel der USPD beschlossen wurde) war und 1928 der Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller hier gegründet wurde. Neben Karl Liebknecht und Wilhelm Piek sprachen auch Erich Mühsam und Clara Zetkin auf politischen Veranstaltungen im Handwerkervereinshaus.

Während der Zeit des Nationalsozialismus war der Handwerkerverein verboten und im Gebäudekomplex befand sich ein Arbeitslager.

In der DDR wurde das Gebäude vom Maxim-Gorki-Theater als Werkstätten genutzt. Als die Sophienstraße in Vorbereitung der 750-Jahr-Feier Berlins zwischen 1981 bis 1987 historisch rekonstruiert wurde, war das Handwerksvereinshaus nicht miteinbezogen. Nach der Wende standen die Räumlichkeiten einige Jahre leer und der Senat von Berlin suchte 1995 Investoren und ein Nutzungskonzept. Die Eigentumsverhältnisse konnten sogar erst 1999 geklärt werden.[3]

Aus den Bewerbern wurden vier Künstler ausgewählt, die den Gebäudekomplex erhalten und als Spielstätte wieder beleben wollten: Sasha Waltz, Jochen Sandig, Jo Fabian und Dirk Cieslak. Sie erhielten das Nutzungsrecht am Hofgebäudekomplex und gründeten das freie Theater Sophiensaele, der Name wurde aus der Historie abgeleitet. Als Aufführungsort ihrer ersten Produktionen nutzten sie Räume im Palast der Republik, bis die neue Spielstätte fertig wurde.[4][5]

Nach umfassender Sanierung des Handwerkervereinshauses mit Mitteln aus dem Hauptstadtkulturfonds wurde es 1997 mit der Uraufführung des Stückes Allee der Kosmonauten von Sasha Waltz wieder eröffnet. Inzwischen sind die Spielstätte und das Management weit über Berlin hinaus bekannt. Sie werden mit Fördermitteln aus dem Haushalt Berlins unterstützt (beispielsweise wurden für das Jahr 2003 716.00 Euro genannt[6]).


Das Quergebäude auf dem Hof mit dem großen Versammlungssaal im Jahr 1999

Architektur

Das Handwerkervereinshaus ist ein Gebäudekomplex aus fünf Flügeln mit einem H-förmigen Grundriss auf der Fläche zwischen Sophienstraße und Gipsstraße. Die Flure, Vorratsräume, die Kegelbahn im Keller und den Kohlenkeller eingeschlossen hat das Haus 91 Räume. Der große Festsaal befindet sich im ersten Stock des Gebäudes und zieht sich mit dem Vorsaal, dem heutigen Foyer, durch die gesamte Etage (im „Steg“ des H gelegen). Zu ihm führt das aufwändig gestaltete und mit farbigen Terrakotten geschmückte Doppelportal in der Sophienstraße. Die Durchfahrt ist tonnenförmig gewölbt, trägt über dem grün-weißen Schmuck die gemauerte Inschrift „Berliner Handwerker Verein“ und über der mittleren Stützsäule ein Medaillon mit einem symbolischen Händedruck.

Die einzelnen aus Ziegelsteinen gemauerten Flügel der Hofbauten sind mit gelben und roten Klinkern verblendet und mit Bändern und Farbwechseln sparsam verziert. Große Rundbogenfenster lassen genügend Tageslicht in die Räume eintreten. Durch das Quer-Gebäude führt eine weitere Durchfahrt auf den zweiten Hof, der mit der Gipsstraße in Verbindung steht.[7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Baudenkmalsensemble Sophienstraße 18, Wohnhäuser, 1852, Erweiterungen 1861 und 1864; Handwerkervereinshaus mit Saalgebäude, 1905 von Joseph Fraenkel und Theodor Kampffmeyer
  2. Inge Kiessig: Vereinigungsrausch in den Sophiensälen. Tribüne-Serie: Berliner Straßengeschichten (5) vom 10. Oktober 1983
  3. Verein Höfe in der Spandauer Vorstadt, abgerufen am 9. April 2011
  4. Drucksache 15/3626 – II des Deutschen Bundestages – 15. Wahlperiode; Seite 11 (PDF), abgerufen am 9. April 2011
  5. Untersuchungen und Überlegungen zur Sanierung der Sophiensäle (PDF-Dokument, Diplomarbeit); abgerufen am 9. April 2001
  6. Ein „Privatisierungskataster“ zum Haushaltsplan Berlins 2003, abgerufen am 9. April 2011
  7. Details aus Fotos des Jahres 1999 abgeleitet und den Ansichten auf google earth bzw. google street view entnommen.
52.525613.4011

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