Hélène Martin

Hélène Martin

Hélène Martin (* 1928 in Paris) ist eine französische Chansonnière.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Hélène Martin entstammt dem gebildeten Pariser Bürgertum. Ihr Vater war Wissenschaftler für Historische Geografie.

Ihren eigenen Worten zufolge verließ sie mit 19 Jahren das Elternhaus mit dem festen Entschluss, sich dem Gesang zuzuwenden.[1] Sie begann, die Verse von Dichtern wie Louis Aragon, René Char, Jean Genet, Jules Supervielle und Paul Fort in Liedform zu fassen. Zur Begleitung der Gitarre sang sie diese Lieder mit ihrer Altstimme.

1956 debütierte sie mit ihrem Gesang im Nachtleben des Pariser Rive Gauche, in Musikkneipen wie dem von Michel Vallet geführten La Colombe, in dem auch Guy Béart, Anne Sylvestre, Pierre Perret, Jean Ferrat und Maurice Fanon auftraten, und später im Milord l'Arsouille, einer damaligen musikalischen Heimstätte von Serge Gainsbourg und Catherine Sauvage. Mit ihren Auftritten verkörperte sie auf ausgeprägte Weise das literarische Chanson, einer vorherrschenden Musikgattung im Frankreich jener Jahre. Ihre Texte waren oft provokant, manchmal anzüglich, wie diese Verse von Jean Genet:

« L'étiquette-au-cul – l'étiquette-au-cul, poétique-politique – ta vie prétendue – ta vie prétendue, soit pudique, soit lubrique – ta vie prétendue, sera mise à nu! – L'étiquette-au-cul »

„Am Arsch das feine Leben – Am Arsch das feine Leben, poetisch und politisch – dein vorgetäuschtes Streben – dein vorgetäuschtes Streben, ob schamhaft oder schlüpfrig – dein vorgetäuschtes Streben, nackt entblößt soeben – Am Arsch das feine Leben“

Jean Genet

1960 erschien ihre erste Schallplatte, Récital N°1, für die sie im folgenden Jahr den Grand Prix der Académie de Charles Cros, einer Vereinigung von Musikkritikern, erhielt. „Ich lebe im Grenzland zwischen den Worten und der Musik“, charakterisiert sie ihre Kunst, „jedoch dort, wo die Musik, die ihren eigenen Platz hat, dem Wort und der Liebe zum Wort den Vortritt lässt.“[2] 1962 erregte sie Aufsehen durch ihre Liedfassung des Gedichts Le condamné à mort (Der zum Tode Verurteilte) von Jean Genet. Es behandelt die tatsächliche Geschichte eines jungen Mannes, der 1939 durch die Guillotine enthauptet wurde – verurteilt wegen eines Mordes an einer jungen Frau, begangen in einem Eifersuchtsdrama. In dem Gedicht wird die homosexuelle Liebe zwischen Gefangenen und die Faszination für den beau voyou, den schönen Gauner, thematisiert.

1966 trat sie, auf Anregung und Förderung von Jean Vilar, auf der Theaterbühne in Erscheinung: Auf dem 20. Festival von Avignon führte sie das Stück Terres mutilées (verletzte Erde) auf, mit dem sie Texte von René Char in Szene setzte.

Ihre Texte aus der Feder von Dichtern der politischen Linken hatten oft einen kämpferischen politischen Inhalt. Sie sang unter anderem für die kommunistische Partei, ohne ihr jedoch beizutreten. Sie stellte sich in ihren Liedern auf die Seite der Schwarzen, der Revoltierenden, der Palästinenser, beispielsweise in dem Lied Quatre heures à Chatila 1983 nach dem Massaker von Schatila.

1984 setzte sie als Regisseurin Le condamné à mort als poetische Oper auf der Bühne des Théâtre Romain-Rolland in Villejuif in Szene. Einen Auszug aus Le condamné à mort übernahm Étienne Daho 1996 unter dem Titel Sur mon cou in sein Répertoire.

1991 erschien ihre Langspielplatte Par amour, 1997 Lucienne Desnoues – Mes amis, mes amours, 2000 La douceur du bagne und 2006 Va savoir. Nach wie vor tritt sie regelmäßig auf der Konzertbühne auf. Ab September 2009 erscheint ihr Gesamtwerk aus mehr als 50 Jahren nach und nach auf 13 CDs in der Sammlung Voyage en Hélénie (Reise nach Helenien).

Ehrungen

  • 1961, 1973 und 1980: Grand Prix der Académie de Charles Cros
  • 1986: Ordre des Arts et des Lettres

Literatur

  • Véronique Mortaigne: Entre les mots et la musique. Le Monde, 9. September 2009, S. 19.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. « Haut la main avec un choix définitif à 19 ans. » Le Monde, 9. September 2009, S. 19
  2. « Je suis de ce pays frontalier entre let mots et la musique. Mais où la musique‚ qui a sa place unique‘ donne priorité au verbe et à l'amour du verbe. » Le Monde, 9. September 2009, S. 19

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Helene Martin — Hélène Martin Hélène Martin (née à Paris en 1928) est un auteur compositeur interprète français qui a consacré sa carrière à la mise en musique et à l interprétation de la poésie. Sommaire 1 Biographie 2 Discographie récente 3 Récompenses …   Wikipédia en Français

  • Hélène Martin — (née à Paris en 1928) est un auteur compositeur interprète français qui a consacré sa carrière à la mise en musique et à l interprétation de la poésie. Sommaire 1 Biographie 2 Discographie récente 3 Récompenses …   Wikipédia en Français

  • Sophie-Hélène Martin — Sophie Hélène Martin, née à Lausanne le 29 avril 1971, est une écrivain et enseignante vaudoise. Biographie Ses études de lettres achevées à l Université de Lausanne, elle enseigne. En 1996, elle signe aux éditions de l Hèbe son premier roman: L… …   Wikipédia en Français

  • Martin (Name) — Martin ist ein männlicher Vorname und Familienname. Die weibliche Form des Namens lautet Martina. Der Nachname Martin ist in vielen Ländern verbreitet. In Frankreich zum Beispiel ist er der häufigste Familienname und auch im englischsprachigen… …   Deutsch Wikipedia

  • Helene Chung Martin — Helene Chung Martin, journalist and author, is a former Beijing correspondent, the first female posted abroad by the Australian Broadcasting Corporation (ABC). She is an honorary research fellow at Monash Asia Institute, Melbourne, and the author …   Wikipedia

  • Martin Schulz — Leader of the Progressive Alliance of Socialists and Democrats Incumbent Assumed office 5 July 2004 Preceded by …   Wikipedia

  • Martin Callanan — MEP Leader of the Conservative Party in the European Parliament Incumbent Assumed office 23 November 2010 Preceded by Timothy Kirkhope …   Wikipedia

  • Helene von Forster — Helene von Forster, geborene Schmidmer (* 27. August 1859 in Nürnberg; † 16. November 1923 ebenda) war eine deutsche Frauenrechtlerin und Schriftstellerin. Sie gilt als wichtigste Vertreterin der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung in Nürnberg …   Deutsch Wikipedia

  • Helene Kirkegaard — (* 5. Mai 1971 in Præstevang, Hillerød) ist eine ehemalige dänische Badmintonspielerin. Karriere Helene Kirkegaard gewann 1994 die US Open, die Canadian Open, die Irish Open und die Portugal International. Ein Jahr später holte sie Bronze bei der …   Deutsch Wikipedia

  • Martin von Nathusius — Martin Friedrich von Nathusius, ca 1880 Martin Friedrich von Nathusius (* 24. September 1843 in Althaldensleben; † 9. März 1906 in Greifswald) war ein deutscher Hochschullehrer und konservativer Reformtheologe. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”