Hierana

Hierana
Rektoratssiegel der Hierana

Hierana ist die landläufige Benennung für die von 1392 bis 1816 bestehende alte Erfurter Universität, Universitas Studii Erfordiensis (auch Erfordensis, Erffordensis oder Erffurtensis). Diese Bezeichnung bezieht sich auf den Erfurt durchquerenden Flusslauf die Gera (lat.: hiera), an deren beiden Ufern sich die Liegenschaften und Einrichtungen der Universität befanden: die an der Gera liegende.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Collegium Maius, das von 1511 bis 1515 errichtet wurde und als Hauptgebäude der Hierana fungierte

Die alte Erfurter Universität war eine der ersten Universitätsgründungen Deutschlands. Nach Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1386) und Köln (1388) war es die fünftälteste Hochschule Mitteleuropas. Eine erste päpstliche Stiftungsurkunde stamnmt sogar aus dem Jahre 1379. Diese aus eigener Kraft der Erfurter Bürgerschaft gegründete Universität konnte bereits auf einer mehr als 300jährigen Schultradition aufbauen. Außer Erfurt besaß nur Köln eine städtische Universität, alle anderen deutschen Universitäten waren fürstliche Gründungen. Sie war eine von Anfang an eine mit allen Rechten ausgestattete Volluniversität und umfasste die Fakultäten der Juristen und Theologen ebenso wie die der Artisten (spätere philosophische und naturwissenschaftlich-mathematische Fakultäten) und Mediziner. Im Gegensatz zu anderen Hochschulen in Deutschland wurde in Erfurt neben dem kanonischen Recht auch das bürgerliche Recht gelehrt.

Studentenburse (bursa pauperum) der alten Erfurter Universität

Auf Grund der zentralen Lage Erfurts am Schnittpunkt europäischer Verkehrswege, entwickelte sich die Universität bald zu einer der namhaftesten Bildungsstätten Zentraleuropas. Zeitweise mit mehr als 1100 Lehrkräften und Studenten und mit 35.707 Immatrikulierten während der Jahre 1392 bis 1521 war sie damals nach Wien die am stärksten besuchte deutschsprachige Hochschule. Ihr Ruf veranlasste auch Martin Luther, 1501 nach Erfurt zu gehen und hier 1505 den Magister Artium zu erwerben, das geistige Rüstzeug für sein späteres Wirken. Wer gut studieren will, der gehe nach Erfurt, hatte er empfohlen und andere Universitäten gegenüber der Universität Erfurt als „kleine Schützenschulen“ bezeichnet. Der Humanist Eobanus Hessus (1488 - 1540), der ab 1504 in Erfurt studierte, verkündete: Erfurt strahlt im Ruhm der Wissenschaft, vor allen Städten Deutschlands trug es im Wettkampf die Siegespalme davon.

Nachdem die Universität Erfurt im Zeitalter der Reformation und des Humanismus ihre höchste Blüte erreicht hatte, kam es infolge des Pfaffenstürmens 1521, insbesondere aber nach den Revolutionskriegen und der napoleonischen Ära zu einem Niedergang in der deutschen Hochschullandschaft. So mussten um 1800 insgesamt 22 deutsche Universitäten schließen. Auf Anordnung Preußens, das sich mit Berlin 1810 seine eigene Universität geschaffen hatte, wurde schließlich 1816 die Erfurter Universität geschlossen. Anlässlich der Gründung der Universität Erfurt 1994 nahm der damalige Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel Bezug auf die Tradition der Hierana, wenngleich die Neugründung keine Volluniversität, sondern rein geistes- und sozialwissenschaftlich ausgerichtet ist. Auch die zuvor von 1954 bis 1993 bestehende Medizinische Akademie Erfurt sah sich in der Tradition der alten Universität und verwendete beispielsweise deren Rektoratssiegel.

Hinterlassenschaften

Viele, teils gut erhaltene, Gebäude im ehemaligen Universitätsviertel Erfurts erinnern an die Hierana. Ein Antiquariat und akademische Buchhandlung in diesem Bereich trägt diesen Namen. Mit der Bibliotheca Amploniana, der Privatbibliothek des zweiten Rektors Amplonius Rating de Berka (um 1365−1435), die er 1412 der Hochschule übereignete, besitzt Erfurt eine weltberühmte Handschriftensammlung vorwiegend medizinischer Texte. Diese größte Bibliothek eines Gelehrten aus vorhumanistischer Zeit vermittelt einen umfassenden Überblick über die gesamte zeitgenössische Medizin, wie sie bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts in Europa gelehrt wurde.

Literatur

  • Abe, H. R.: Die Medizinische Akademie Erfurt als Traditionsträgerin der Erfurter Universität... in: Festschrift 600 Jahre Universität Erfurt - vier Jahrzehnte Medizinische Akademie Erfurt, Verlag und Druckerei Fortschritt Erfurt 1992
  • Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt; ab 1984: Beiträge zur Wissenschafts- und Hochschulgeschichte Erfurts. Hrsgeg. vom Rektorat der Medizinischen Akademie Erfurt 1956 bis 1990 (22 Bände)
  • Neues wagen, Schrift der Regierung des Freistaats Thüringen zum Gründungsfestakt der Universität Erfurt 1994
  • Paszkowiak, A., Strobel, W: Erfurt. VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1971
  • Weissenborn, J. C.: Hierana. Verlag C. Villaret, Erfurt 1862

Weblinks


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