Netzregelverbund

Netzregelverbund
Abbildung 1: Die Abbildung zeigt eine beispielhafte Darstellung der horizontalen Struktur einzelner Regelzonen (RZ A bis E). Die „control programs“ beschreiben dabei den geplanten Energieaustausch über Fahrpläne. Bei engpassbehafteten Grenzen sind die freien Kapazitäten (NTC-Congestion) zwischen den einzelnen Regelzonen zu berücksichtigen. Die Kapazitäten dürfen von dem geplanten Energieaustausch nicht überschritten werden.

Mit dem Begriff Netzregelverbund (NRV) wird ein Konzept bezeichnet, das das Gleichgewicht von Verbrauch und Erzeugung elektrischer Leistung (Systembilanz) in untereinander verbundenen Stromnetzen optimiert.

Der NRV wurde in Deutschland beginnend mit dem Modul 1 im Dezember 2008 in Betrieb genommen und sukzessive um weitere Module erweitert. Es handelt sich dabei um ein innovatives Netzregelkonzept, mit dem die vier in Deutschland tätigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ihren Einsatz von Regelenergie technisch und wirtschaftlich optimieren. Geleistet wird dies durch eine intelligente Kommunikation zwischen den Leistungs-Frequenz-Reglern.

Den in einer horizontalen Struktur verbundenen Übertragungsnetzbetreibern bietet der NRV im europäischen Verbundsystem die Chance, alle Synergien in Bezug auf die Regelung und die Systemdienstleistungen unter Berücksichtigung der Netzengpässe zu heben.

Die horizontale Struktur der Regelzonen (RZ) (siehe Abbildung 1) und somit die autarke Ausregelung der heute über 30 Regelzonen in Zentraleuropa [1] führt systembedingt zu einem zeitweisen gegenläufigen Abruf von Regelleistung (RL). Sie garantiert jedoch einen definierten Energieaustausch und eine planbare Netzbelastung zwischen den einzelnen Regelzonen im Verbundsystem. Allerdings ist dieses s.g. „Gegeneinanderregeln“ in Deutschland und Europa immer dann ineffizient, wenn dies aus netztechnischen Gründen nicht erforderlich wäre.

Abbildung 2: Die horizontale Struktur der Regelzonen (RZ) wurde um den NRV ergänzt („NRV programs“, grüne Pfeile). Der bisherige Austausch gemäß Abbildung 1 bleibt dabei bestehen. Regelzonen, die unterdeckt sind (rot), bekommen im Rahmen von Modul 1 zusätzlich Energie von Regelzonen, die überdeckt sind (blau). Der gegenläufige Abruf von Regelleistung wird so zwischen den einzelnen Regelzonen vermieden. Die Berücksichtigung der freien Kapazitäten bleibt dabei bestehen. Leistungsflüsse resultierend von dem Modulen 2-4 werden identisch behandelt.

Der NRV behebt diese und andere Ineffizienzen unter Beibehaltung der horizontalen Struktur. Seine modulare Struktur sorgt dafür, dass jeder Netzbetreiber weiterhin über einen voll funktionsfähigen Leistungs-Frequenz-Regler verfügt. So kann ein hohes Niveau bei der Versorgungssicherheit erreicht werden. Kommt es aufgrund von z.B. Handelsgeschäften zu sehr hohen Stromtransiten oder gar zeitweiligen Netzengpässen, kann die Optimierung und damit der Regelleistungstransport in Echtzeit zwischen den Netzbetreibern koordiniert und eingeschränkt werden. Damit leistet der Netzregelverbund zusätzlich einen erheblichen Beitrag zur Netz- und Systemsicherheit.

Der Netzregelverbund erschließt somit das Optimum aus Netzsicherheit und der Nutzung von Synergien im Übertragungsnetz (siehe Abbildung 2).

Ein weiterer Vorteil des modularen Aufbaus des NRV besteht in der Möglichkeit einer flexiblen Erweiterung auf weitere Regelzonen (siehe Internationale Kooperation / GCC).

Inhaltsverzeichnis

Teilnehmer am Netzregelverbund

Abbildung 3: Aufteilung der Netzeigentumsverhältnisse in Deutschland
Abbildung 4: Deutschland ist seit dem NRV ein gemeinsamer Regelenergiemarkt
  • 50Hertz Transmission GmbH (früher: Vattenfall Europe Transmission GmbH) seit Dezember 2008
  • Amprion GmbH seit Mai 2010
  • EnBW Transportnetze AG (TNG) seit Dezember 2008
  • TenneT TSO GmbH (früher: E.ON Netz GmbH) seit Dezember 2008

Wirtschaftlicher Nutzen des Netzregelverbunds

Der wirtschaftliche Nutzen des Netzregelverbunds hängt generell von den Störungen des Leistungsgleichgewichts in den beteiligten Regelzonen sowie den Preisen für Regelleistung und Regelenergie ab. Da die Faktoren variieren, lassen sich die Einsparungen durch den NRV nur qualitativ bewerten. [2]

Ein Gutachten, das von der Bundesnetzagentur 2009 in Auftrag gegeben wurde, beziffert die Einsparungen für Deutschland durch Vermeidung gegenläufiger Aktivierung der Regelleistung (Modul 1) auf etwa 120 Mio. Euro jährlich. Darüber hinaus ergeben sich weitere Einsparungen durch die Reduzierung der vorzuhaltenden Regelleistung (Modul 2) von ca. 140 Mio. Euro pro Jahr [3,6], die direkt den Netznutzern zugute kommen. [2]

Durch die gemeinsame Beschaffung (Modul 3) sowie die regelzonenübergreifende Kostenoptimierung (Modul 4) des Einsatzes von SRL (Sekundärregelleistung) und MRL (Minutenreserve, Tertiärregelleistung), erzielt der NRV einen weiteren kostensenkenden Effekt. Simulationsuntersuchungen zu Modul 4 zeigen, dass die entsprechenden Einsparungen sich im zweistelligen Millionenbereich bewegen. [2]

Ein weiterer Vorteil des NRV ist die Einführung des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP). Damit werden die Bilanzkreisabweichungen in allen deutschen Regelzonen mit demselben Ausgleichsenergiepreis abgerechnet. [2]

Internationale Kooperation (Grid Control Cooperation / GCC)

Abbildung 5: Geplante internationale Erweiterung des NRVs

Im Zentraleuropäischen Verbundnetz (Entso-E RG CE, ehemals UCTE) gibt es derzeit über 30 Regelzonen [1]. Diese sind jeweils eigenverantwortlich und unabhängig voneinander für ihr Leistungsgleichgewicht verantwortlich. Entsprechend gibt es auch auf europäischer Ebene ein Interesse am Konzept des in Deutschland eingeführten Netzregelverbundes.

Die Flexibilität des NRV, insbesondere im Hinblick auf netzseitige Restriktionen (Engpässe), ermöglicht einen verbundnetzweiten Einsatz des Systems und somit eine internationale Kooperation. Da bei einer ganzheitlichen, alle vier Module betreffenden, internationalen Kooperation im Sinne des NRVs unterschiedlichste wirtschaftliche, regulatorische und technische Harmonisierungen notwendig sind, fokussieren sich die Überlegungen auf die Kooperation zur Vermeidung einer gegenläufigen Aktivierung der Regelleistung (Modul 1). Diese bietet ein Optimierungspotential, dessen Nutzung keinen Eingriff in weitere Rahmenbedingungen benötigt, da hierbei ausschließlich Leistungsungleichgewichte regelzonenübergreifend saldiert werden. [2]

Eine Kooperation zur Vermeidung einer gegenläufigen Aktivierung der Regelleistung mit den Ländern Niederlande, Schweiz und Tschechien ist geplant.

Historische Entwicklung des Netzregelverbunds

Bereits im Dezember 2008 haben drei der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber – EnBW Transportnetze AG (TNG), E.ON Netz GmbH (heute: TenneT TSO GmbH) und Vattenfall Europe Transmission GmbH (heute: 50Hertz Transmission GmbH) – das erste Modul des NRV in Betrieb genommen. Dieses dient der Vermeidung eines gegenläufigen Abrufes von Regelleistung (siehe auch Modul 1).

Im Mai 2009 folgte das Modul 2 des NRV. Es erlaubt den ÜNB unter anderem eine Dimensionierung der Regelleistung, die der einer einzigen Regelzone entspricht (siehe auch Modul 2).

Die Bildung eines einheitlichen Regelleistungsmarkts für Sekundärregelleistung (Modul 3) folgte im Juli 2009 und wurde im September 2009 durch den regelzonenübergreifenden, kostenoptimalen Sekundärregelleistungsabruf (siehe Modul 4) ergänzt.[3]

Seit Juli 2010 rufen die vier deutschen ÜNB zudem die Minutenreserve über alle vier Regelzonen preisoptimal ab.

Nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur, die deutschlandweite Einführung des Netzregelverbundes bis spätestens 31. Mai 2010 umzusetzen,[4] ist der vierte deutsche Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH im Mai 2010 dem Netzregelverbund beigetreten. Seit dem Beitritt von Amprion sind somit alle, die Netzregelung in Deutschland betreffenden Synergien gehoben.

Prinzip des Netzregelverbunds

Abbildung 6: Module des Netzregelverbunds

Der Netzregelverbund besteht aus vier Modulen (siehe Abbildung 6), welche jeweils unterschiedliche technische bzw. wirtschaftliche Optimierungen verfolgen:

Modul 1: Vermeidung gegenläufiger RL-Aktivierung

Es ist systemimmanent, dass es Zeiten gibt, in denen Regelzonen einen Mangel an Leistung haben, während andere Regelzonen gleichzeitig einen Leistungsüberschuss aufweisen. Gemäß dem Konzept wird die Regelleistung unabhängig voneinander mit unterschiedlichen Vorzeichen aktiviert. Das Ziel von Modul 1 ist die konsequente Vermeidung der gegenläufigen Aktivierung von Regelleistung durch kontrollierten und gezielten Energieaustausch zwischen den Regelzonen. Das Einsparpotential liegt in der Reduktion der gegenläufigen Regelleistungsarbeit und der damit verbundenen Kosten. [3]

Modul 2: Gemeinsame RL-Dimensionierung

Das Ziel von Modul 2 ist die gemeinsame, regelzonenübergreifende Dimensionierung der Regelleistung und damit die Reduktion der vorzuhaltenden Leistung sowie der entsprechenden Kosten. Die Dimensionierung ist identisch zu einer fiktiven deutschen Regelzone. [3]

Modul 3: Gemeinsame SRL-Beschaffung

Modul 3 ermöglicht den teilnehmenden Übertragungsnetzbetreibern, SRL von Anbietern zu beschaffen, die nunmehr lediglich bei einem Übertragungsnetzbetreiber über eine fernwirktechnische Verbindung verfügen müssen. Es muss also nicht jede Regelzone mit diesem Anbieter verbunden sein, sondern es reicht aus, wenn eine Regelzone des Verbundes über eine Verbindung verfügt. Das Einsparpotential bei Modul 3 liegt in der Kostenreduktion durch mehr Wettbewerb als Folge der Reduzierung des technischen Aufwands für die Anbieter [3]. Darüber hinaus ist eine enge Kopplung aus Systemverantwortung und der physikalischen Wirkung des Regelleistungseinsatzes erreicht. Diese enge Kopplung ist dann von Vorteil, wenn es zum Beispiel um die Beurteilung von Regelleistungsflüssen geht, und insbesondere im Störungsfall, zum Beispiel im Fall einer Inselnetzbildung, Für MRL besteht die gemeinsame Beschaffung schon länger, da keine Online-Anbindung erforderlich ist.

Modul 4: Kostenoptimale RL-Aktivierung

Der Einsatz der Regelleistung erfolgt wie bei einer Regelzone kostenoptimal für ganz Deutschland. Im Fall von drohenden Netzengpässen können die ÜNB den Leistungsaustausch zwischen den Regelzonen richtungsabhängig einschränken oder aussetzen. Ziel von Modul 4 ist damit die regelzonenübergreifende wirtschaftliche Optimierung der RL-Aktivierung. Das Einsparpotential liegt somit in der Reduktion der Kosten für Regelarbeit. [3]

Technisches Grundprinzip des NRV

Technische Funktionsweise

Abbildung 7: Grundprinzip der SRL-Optimierung

Das Grundprinzip des Netzregelverbunds basiert auf einer „SRL-Optimierungs-Software“. Die koordinierenden Funktionen sind in Abbildung 7 dargestellt.

Die Funktionsweise stellt sich generell so dar: Aufgrund von a priori unbekannten Schwankungen in Verbrauch und Erzeugung weicht die Leistungsbilanz einer Regelzone vom geforderten Leistunsgleichgewicht ab. Der resultierende Bilanzfehler muss durch Aktivierung von SRL ausgeglichen werden. Die SRL-Bedarfe der teilnehmenden Regelzonen werden dem koordinierenden Optimierungsbaustein gemeldet. Dieser berechnet einen Korrekturwert, der wiederum auf den Leistungsbilanzfehler der entsprechenden Regelzone wirkt. Entsprechend ändert sich die Eingangsgröße des Sekundärreglers.

Die Korrekturaufschaltung berechnet sich gemäß den entsprechenden Algorithmen kurzzyklisch. [2]

Systemsicherheit und Engpassmanagement

Der koordinierte Betrieb mehrerer Sekundärregler über die SRL-Optimierung des NRVs führt zu zusätzlichen Stromtransiten zwischen den teilnehmenden Regelzonen. Im Fall von Netzengpässen müssen diese eingeschränkt werden. Jeder Übertragungsnetzbetreiber hat deshalb die Möglichkeit, Import- und Exportschranken für den aus der SRL-Optimierung resultierenden Energieaustausch festzulegen. Die Vorgabe der Schranken ist im laufenden Betrieb in Echtzeit möglich, sodass Kosteneinsparungen flexibel und ohne Gefährdung der Netzsicherheit umgesetzt werden können. [2]

Bei Gefährdung der Netzsicherheit kann es notwendig sein, die Regelzone von der Teilnahme an der SRL-Optimierung abzukoppeln. Zu diesem Zweck ist eine Notausschaltung über den entsprechenden Teilnahmestatus vorgesehen. [2]

Die wirtschaftliche Optimierung der SRL-Aktivierung lässt sich mit dem NRV bewerkstelligen, ohne die Vorteile einer auf eigenständigen Regelzonen basierenden, horizontalen Struktur der Sekundärregelung zu beeinträchtigen. Aus diesem Grund ist ein flexibler verbundnetzweiter Einsatz der SRL-Optimierung möglich (siehe auch Grid Control Cooperation). [2]

Literaturverzeichnis

  • [2] Pressemitteilung vom 4. Mai 2010, EnBW Transportnetze AG, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, abgerufen am 29. April 2011.
  • P. Zolotarev, M. Treuer, T. Weißbach, Universität Stuttgart; M. Gökeler, EnBW Transportnetze AG:Netzregelverbund, Koordinierter Einsatz von Sekundärregelleistung. VDI-Berichte 2080, VDI-Verlag GmbH, 2009, ISBN: 9783180920801.
  • [3] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Beschluss BK6-08-111, März 2010.
  • http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Regelzonen_deutscher_Übertragungsnetzbetreiber_neu.png, Zugriff: 25. Januar 2010.
  • Pavel Zolotarev, Universität Stuttgart (IFK), Melchior Gökeler, EnBW Transportnetze AG:Netzregelverbund – Koordinierter Einsatz von Sekundärregelleistung, Grid Control Cooperation – Coordination of Secondary Control, März 2011.
  • TU Dortmund, E-Bridge Consulting GmbH: Wissenschaftliches Gutachten: Optimierung der Ausregelung von Leistungsungleichgewichten, 2009.
  • https://www.entsoe.eu/nc/the-association/members/?sword_list%5B%5D=Members, ENTSO-E Member Companies, Zugriff: 27. Januar 2010.
  • [4] Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 4. April 2010:Netzregelverbund für deutsche Stromnetze. Abgerufen am 29. April 2011.

Einzelnachweise

  1. a b https://www.entsoe.eu/nc/the-association/members/?sword_list%5B%5D=Members, ENTSO-E Member Companies, Zugriff: 27. Januar 2010
  2. a b c d e f g h i Pavel Zolotarev, Universität Stuttgart (IFK), Melchior Gökeler, EnBW Transportnetze AG:Netzregelverbund – Koordinierter Einsatz von Sekundärregelleistung, Grid Control Cooperation – Coordination of Secondary Control, März 2011. S. 5-7
  3. a b c d e P. Zolotarev, M. Treuer, T. Weißbach, Universität Stuttgart; M. Gökeler, EnBW Transportnetze AG:Netzregelverbund, Koordinierter Einsatz von Sekundärregelleistung. VDI-Berichte 2080, VDI-Verlag GmbH,2009, ISBN: 9783180920801, S.2-4
  4. [1] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Beschluss BK6-08-111, März 2010, S.5-11

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