Chen Duxiu

Chen Duxiu
Chen Duxiu

Chén Dúxiù (chinesisch 陳獨秀 / 陈独秀 Chén Dúxiù, Geburtsname: 慶同 / 庆同 Qìng Tóng, akademischer Name: 仲甫 Zhòngfǔ; * 1879; † 1942) war ein Gründungsmitglied und erster Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Chen Duxiu wurde in einer Phase geboren, in der Kriege und Revolten, historisch gesehen, „an der Tagesordnung“ waren. Er kam 1879 in Anqing, Provinz Anhui zur Welt. Weil sein Vater kurz nach seiner Geburt starb, wurde er von seinem Großvater und seinem Bruder großgezogen. Mit 15 Jahren begann er eine klassisch-chinesische Ausbildung. Der junge Chen lehnte die traditionell-klassische Lehre ab, trotzdem sollte er, wegen seines Großvaters, Beamter werden, was eine Weiterführung des Studiums voraussetzte. Er scheiterte aber mit 21 Jahren an der zweiten Prüfung (auf Provinzebene) und begann in Hangzhou Englisch, Französisch und Schiffbau zu studieren. 1900 breitete sich der Boxeraufstand in China aus, in dessen Folge acht Weltmächte Beijing belagerten. Chen hielt radikale, revolutionäre Reden gegen das japanische Regime in der Mandschurei und floh das erste Mal vor polizeilicher Verfolgung. 1913 bereitete er zusammen mit drei Guomindangoffizieren eine militärische Kampagne gegen Yuan Shikai vor, was die „Zweite Revolution“ in der Geschichte der Guomindang bekannt ist. Als die Revolution scheiterte, flüchtete Chen nach Japan. (Kuo 1975: 273) Die Strenge seines Großvaters und die Freundlichkeit seiner Mutter hatten einen starken, charakterlichen Einfluss auf Chen. Er fürchtete sich nicht davor sich gegen etwas aufzulehnen, konnte aber kleine Fehler von anderen „übersehen“ und verfing sich niemals in nutzlosen Diskussionen. Er hatte einen starken Willen und einen ausgezeichneten Verstand. Seine spätere, politische Radikalität könnte aus der Phase seiner Jugend stammen, als er gegen die Autorität des Großvaters rebellierte. Schon in seiner Kindheit beobachtete er Unterdrückung von einfachen Leuten durch lokale Beamte sowie die politischen, sozialen und ökonomischen Privilegien der Unterdrückenden. (Kuo 1975: 22-24) Diese Erfahrungen sollten Chens zukünftigen Lebensweg maßgeblich beeinflussen.

Chen studierte in Japan und wurde 1915 Professor für Humanwissenschaften. Seine Veröffentlichungen werden in der Geschichtsschreibung offiziell als Beginn der „Neuen Kulturbewegung“ angesehen. In diesem Jahr gründete Chen Duxiu in Shanghai das einflussreiche Magazin „Jugend“, welches ein Jahr später in „Neue Jugend“ umbenanntwurde (chin.: Xin Qingnian 新青年, Untertitel „La Jeunesse“), womit er Einfluss auf große Teile der Intellektuellen übte.

Seine Ideen und Kontroversen

Als einflussreichster Autor der Universität Beijing begab er sich offen auf die Suche nach radikalen Lösungen für nationale Probleme. Als einer der jungen Autoren beschäftigten sich die Beteiligten mit der kulturellen Rückständigkeit des Landes und wollten der Gefahr der monarchischen Restauration die Vision eines in Zukunft mit westlichen Ländern gleichberechtigten Nationalstaats mit individuellen Freiheiten entgegensetzen. Durch sein starkes Auftreten für Wissenschaft und Demokratie als Basis für neuerliche, nationale Stärke schaffte er sich, zu einem historisch günstigen Zeitpunkt der landesweiten Verunsicherung und zuvor gescheiterten Versuche einer Erneuerung, Gehör unter Intellektuellen. Außerdem radikalisierte er zusammen mit seinen Co-Autoren durch seine Vorschläge große Teile der Bevölkerung.

So entstand eine Diskussion innerhalb der Bewegung 1915-1919: Chen Duxiu, Hu Shi und Lu Xun hatten zwar ganz verschiedene, politische Ansichten, eines hatten sie aber gemeinsam: Sie interessierten sich für „die Politik“ des menschlichen Körper und folglich auch für die Leistungen von Élie Metchnikoff (bürgerlicher Name: Ilja Iljitsch Metschnikow, 1845-1916), einen Russen, der 1908 den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung der Immunabwehr durch die weißen Blutkörperchen erhalten hatte.(dazu: Illustration am Titelblatt) Chen Duxiu verstand es, die lebensferne, fast abstrakte, neu gefundene Theorie der Abwehr von Krankheitserregern auf die chinesische Gesellschaft metaphorisch umzulegen. Er beschrieb das Eindringen fremder Militärmächte und wie diese „den Organismus“ der gut funktionierenden, chinesischen Gesellschaft stören. Es gehe darum, den „Krankheitserreger“ abzuwehren. Chen war Chefredakteur sowie Hauptfigur des Magazins und hatte somit großen Einfluss auf dessen inhaltliche Gestaltung. Allerdings verstand er es charakterlich ausgezeichnet, Meinungspluralität zuzulassen und feinfühlig auf das Meinungsspektrum seiner politischen Weggefährten einzugehen, was sich unter anderem aus den zu dieser Zeit relativ weit verbreiteten, anarchistischen Ideen herleiten lässt. Chen war unter den ersten, die ihre Ideen frei von traditionellen, philosophischen Konzepten präsentierten, vermied aber die anarchistische Methode, traditionelle Metaphysik in neuen, rationalen Gewändern zu präsentieren. Ich möchte im Weiteren auf die inhaltliche Ebene der literarischen und gesellschaftlichen Strömung eingehen: Chen war bekannt dafür, eine vollständige Übernahme von westlichen Ideen zu fordern. Für ihn war das Konzept der nationalen Souveränität, ergänzt durch die Mitbestimmung der Bevölkerung ein Ideal, das ganzheitlich für China übernommen werden sollte, da das chinesische nicht mehr zeitgemäß und inkonsistent wären. Sein Demokratiebegriff betonte stets soziale und ökonomische Aspekte als Voraussetzung, um politische Probleme zu überwinden. Diese Aspekte müssen sich gleichzeitig entwickeln. Er schlug vor, die Verfassung durch eine Volksabstimmung zu beschließen. (Kuo 1975: 75) Inhaltlich wurde in der Neuen Jugend Evolution als wichtiger Unterschied zwischen traditionellem, chinesischem Denken und westlichem, unabhängig von konfuzianischer Moral diskutiert. Die gesellschaftliche Strömung erkannte die Jugend als Subjekt für sozialen Wandel (daher der Name des Magazins) und entdeckten eine neue Art von moralischem Optimismus, der nicht mehr auf Konfuzianismus, sondern vitaler Biologie beruhte (Stichwort: „survival of the fittest“). Die von Chen geforderte Gesellschaftsphilosophie betont revolutionäre Kämpfe, um soziale Gerechtigkeit sowie ein Gesellschaftsmodell zu erlangen, das individuelle Selbstempfaltung beinhaltet.(Cambridge History of China: 396) Der konfuzianischen Philosophie des Stillstands wurde eine auf Wissenschaft beruhende des Fortschritts entgegengestellt. In seinen Artikeln lässt sich gut erkennen, dass Werte wie Menschenrechte und die Freiheit aller die oberste Priorität genießen. Dazu personalisiert der Redakteur der „Neuen Jugend“ in der 3. Ausgabe der Zeitschrift Wirtschaft und Demokratie als „Gentlemen“, die China vor politischer, moralischer, akademischer und intellektueller Dunkelheit“ retten können. In anderen Worten: Die zwei Herren Mr. Science (sai xiansheng) und Mr. Dimocracy (de xiansheng) sollten helfen, China in die Moderne zu führen, damit das Land nach einer Phase der Abschottung den verdienten Platz in der Welt zurück erhält. Sein Demokratiebegriff beinhaltet die Forderung, alle Teile des Lebens demokratisch zu erfassen. Dadurch würden auch gesellschaftliche Bereiche wie Moral und Ethik positiv beeinflusst werden. (Gu 2001: 589-612) In seinem „Manifest“ 1915 formulierte er einen „Aufruf an die Jugend“ (Artikel: Jinggao qingnian; Chen 1987: 3-10): „seid fortschrittlich, nicht konservativ“ - „seid energisch, nicht reflektierend“ - „seid weltoffen, nicht einzelgängerisch“ - „seid selbstständig, nicht unterwürfig“ Dieser Aufruf stammt aus inspirierenden Gedanken der Anfänge der Immunologie, kann aber sowohl auf die Jugend als revolutionäres Subjekt als auch auf (oder in weiterer Folge) das Land China übertragen werden. „Unsere Interpretation von politischer Demokratie ist, dass die Verfassung direkt vom Volk ausgearbeitet werden muss, die Rechte [der Menschen, Anm.] werden durch die Verfassung gesichert und der Wille der Menschen muss entsprechend der Konstitution von Vertretern ausgeführt werden. In anderen Worten muss die Teilung zwischen herrschender und beherrschter Klasse aufgehoben werden- die Menschen selbst herrschen.“ Und weiter: „Offen gesagt wollen wir keine passive Regierung, sondern die aktive Beteiligung der Autonomie des Volkes. Nur so können wir behaupten, dass aufrichtige politische Demokratie erreicht wurde.“ (Artikel: Shixing minzhi de jichu- Basis für die Umsetzung von politischer Demokratie, xin qingnian (1. Dez. 1919); Chen, 1988: 14) Nach dieser Charakterisierung der Gedankenwelt, Vorstellungen und Ideen des jungen Chen Duxius möchte ich schildern, wie sich auf dieser Grundlage eine historisch- theoretisch relevante Bewegung entfalten konnte, die seit Maos Ausruf der Volksrepublik China 1949 laufend in zahlreichen Reden erwähnt wird, weil sie eine wichtige Legitimationsgrundlage für die „kommunistische“ Partei Chinas darstellt.

Wirken

Der beschriebene, theoretische Diskurs bekam erst weit reichende, materielle Kraft, als chinesische Interessen im Friedensvertrag von Versailles 1919 völlig ignoriert wurden, was als direkte Auslöser der „4. Mai Bewegung“ gesehen wird. China war zuvor auf Seiten der Alliierten 1917 in den Ersten Weltkrieg eingetreten in der Hoffnung, die Ungleichen Verträge und die 21 Forderungen Japans würden aufgehoben werden. Als aber Frankreich und Großbritannien beabsichtigten, die Provinz Shandong, welche China beanspruchte, an Japan zu übergeben, entstand in China enormer, öffentlicher Druck. „Als Humanist und Internationalist wusste Chen, dass Chinas Versagen auf der Friedenskonferenz der Sieg des internationalen Imperialismus über Wilsons Ideen war [Ideal der Selbstbestimmungen der Nationen, Anm.], des Militarismus über internationale Gerechtigkeit“ (Kuo 1975: 76) Somit war das zuvor entwickelte Konzept der völligen Verwestlichung wegen des Scheiterns der nationalen Souveränität schwer angeschlagen.

3000 Studenten verschiedener Universitäten versammelten sich am vierten Mai 1919 alleine in Beijing, unterstützt durch Arbeiter und Händler. Aber auch in anderen Städten fanden Demonstrationen, Streiks, Boykott japanischer Waren, zusammenfassend ein reges Maß ziviler Aktivitäten, statt. Die Bewegung war so stark, dass die Regierung über 1500 zuvor gefangen genommene Demonstranten wieder frei lassen musste, der unpopuläre Außenminister entlassen wurde und, ein deutliches Zeichen an die damaligen „global Player“, die Unterzeichnung des Vertrags von Versailles von den chinesischen Delegierten abgelehnt wurde. Diese Zeit wird von manchen westlichen Autoren in Klassikern über den Vierten Mai, unter anderem Vera Schwarcz „The Chinese Enlightenment“ und Chow Tse-tsung „The May Fourth Movement, die „Chinesische Aufklärung“ genannt.

Unter dem Einfluss der Oktoberrevolution von 1917 begann Chen sich für den Marxismus zu interessieren und wurde nach der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas 1921 in Shanghai zu ihrem ersten Generalsekretär gewählt.

Beziehung zum Marxismus

Das Scheitern der Friedensverhandlungen desillusionierte Chen bezüglich seinen Vorstellungen der demokratischen Länder des Westens. Um 1915, als er die „Neue Jugend“ gegründet hatte, war sich Chen nicht bewusst, dass Marxismus zu den drei einflussreichster politischen Richtungen weltweit gehört. Nun wandte er sich langsam von westlichen Ideen ab und orientierte sich zunehmend an den bolschewistischen Tendenzen in Russland, um internationale Gerechtigkeit zu erlangen. (Kuo 1975: 73 ff) Auch im nationalen Kontext waren die Auswirkungen der russischen Revolution 1917 ein wichtiger Anstoß für die Ereignisse um den 4. Mai 1919. Die Oktoberrevolution war deshalb so attraktiv für radikale, chinesische Intellektuelle, weil sie in einem ökonomisch rückständigen Land westlichen Materialismus mit östlichem Idealismus kombinieren konnte. Sie wurde außerdem von einer relativ kleinen Schicht von Intellektuellen durchgeführt, was chinesischen Intellektuellen Hoffnungen bezüglich der Einflussnahme im eigenen Land machte. Vielleicht würde es ihnen gelingen, mit ähnlichen Wegen ihren Statusverlust durch die Abschaffung der Beamtenprüfungen wiederherzustellen. Bis 1915 glaubte der spätere Gründer der kommunistischen Partei nicht, dass der Wissenschaftliche Sozialismus zu den drei vorherrschenden intellektuellen Strömungen weltweit gehörte. Außerdem war er überzeugt, dass diese Ideen keine Chance hatten, in China Fuß zu fassen, bevor sie sich in dem industriell hoch entwickelten Europa durchsetzen würde. (Kuo 1975: 75) Chen anerkannte 1919 Bolschewismus, ohne sich als Bolschewist zu bezeichnen, 1920 bekannte er sich zum Marxisten. Er wollte mit den traditionellen Institutionen Chinas brechen und nahm daher die Hilfe der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Anspruch, um die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) zu gründen. Hierbei gab Chen keineswegs seine Perspektiven zugunsten jener der UdSSR auf, sondern verwendete die Unterstützung der Komintern, um eine Partei unter sensibler Rücksichtnahme pluralistischer Meinungen aufzubauen. Chen half, wie auch Leo Trotzki in Russland, eine Partei aufzubauen, welche ihn während einer sich einstellenden Hierarchisierung verriet (Feigon 1983) Gemäß der Rezeption dieser Zeit war Marx für chinesische Denker und somit auch für Chen Pathologe, d.h. ein Analytiker, der Ursachen für vorhandene Missstände erforscht. Besonders attraktiv für China war Marx’ Mehrwerttheorie, welche die Ausbeutung chinesischer Arbeiter durch imperialistische Mächte erklärte. Ideen zur Überwindung des Verfalls des Reiches boten die Schriften von Marx nach Meinung junger Marx-Leser nicht an. Chinesische Intellektuelle stützten sich auf das Konzept der Klassenkooperation, im Gegensatz zum Klassenkampf, der in allen westlichen, marxistischen Theorieschulen einen gemeinsamen Nenner darstellt und eigentlich Kernstück der Theorie ist.

Gründung der KP und theoretischer Diskurs

Nach der 4. Mai- Bewegung war die chinesische Jugend viel eher dazu bereit, radikale Lösungen für Chinas nationale Probleme anzunehmen und begrüßten die wissenschaftlich- sozialistische Analysemethode. Als sich Hu Shi für „Mehr mit Problemen beschäftigen, weniger über „-ismen“ diskutieren“ (mei-chou p’ing-lun, 20. Juli 1919) aussprach, spaltete sich die „Neue Kulturbewegung“ nach zirka einem Jahr entlang Liberaler und Sozialisten. Im Mai 1920 veröffentlichte Chen als frischgebackener Marxist eine Sonderausgabe der „Neuen Jugend“, in der er zahlreiche Berichte über politische Massenveranstaltungen brachte und erklärte, dass „-ismen“, richtig eingesetzt, den Wegweiser zu sozialen Reformen darstellen konnten. Soziale Reformen und Revolution seien, so weiter, ein ganz bewusster Prozess. (Kuo; 1975, 76-79)

Chen hielt, während beginnender Arbeitskämpfe, Reden an streikende Arbeiter. Nach seiner Rückkehr nach Shanghai wohnte er bei einem befreundeten Autor in der französischen Konzession, wo später die KPCh gegründet werden sollte. Auf ihrem Gründungsparteitag im Juli 1921 proklamierten die chinesischen Kommunisten die Entschlossenheit, nach russischem Vorbild auch in China eine „Diktatur des Proletariats“ aufzubauen und sich der Erziehung und Organisation der Arbeiterklasse zu widmen. (Dahmer 1990,1: 11) Chen gründete die Partei, um der unterdrückten Arbeiterschaft ein Instrument zu geben, sich gegen die Klasse der Kapitalisten aufzulehnen und Staatsangelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, indem die Politik, das Gesetz und weitere Bereiche des Staates durch die Arbeiterklasse selbst kontrolliert werden. (Kuo 1975: 81) Als die Kommunistische Internationale (Komintern) sich 1922 für eine Zusammenarbeit von Guomindang und KPCh einsetzte, unterschätzte die Komintern offensichtlich die organisatorische Stärke der jungen KPCh und überschätzte jene der GMD. Chen Duxiu argumentierte, dass die Klassen vermischt würden und die Unabhängigkeit der Partei gefährdet sei. Als sich die fünf Mitglieder des chinesischen Zentralkomitees (ZK) weigerten, der Guomindang beizutreten und auch, ihre Entscheidung zu überdenken, musste sie letztlich ein Kominternvertreter auf die Befolgung der internationalen Disziplin hinweisen. Obwohl Leo Trotzki gegen den von der Komintern vorgeschlagenen Kurs war, kritisierte er ihn erst viel zu spät offen, im folgenden Zitat auf der Erste Rede auf dem 8. Plenum des EKKI (1927): „Die GMD verkörpert die führende Rolle der Bourgeoisie über die Volksmassen- einschließlich des Proletariats und der KP“ und weiter: „Die Diktatur der Guomindang richtet sich nicht nur gegen die Imperialisten und Militaristen, sondern auch gegen den proletarischen Klassenkampf.(...) In der bürgerlichen Revolution aber muss das Proletariat unbedingt die Unabhängigkeit seiner Partei sicherstellen- um jeden Preis“ (Dahmer 1990,1: 252) Chen befolgte die Komintern- Politik auch während der Revolution von 1925 bis 1927, kam aber später zu dem Schluss, dass die zu lange Zusammenarbeit mit der GMD der Grund für deren Niederlage wäre.

Am Beginn fand der Kampf um die Spitze der russischen KP wenig Beachtung unter den chinesischen Kommunisten, abgesehen von der Verurteilung des Trotzkismus in einem Papier der KPCh 1927, offensichtlich von der Internationalen erteilt, die zu dieser Zeit unter starkem Einfluss der UdSSR stand. (Feigon 1983: 197 ff) Der kurzfristig kaum auffallende, mittel- und langfristig aber grundlegende Theoriewechsel sollte starke Auswirkungen auf die internationale Politik der Komintern haben. Nach dem Bruch der Guomindang mit der KPCh und den Massakern an Kommunisten 1927 wurde Chen Duxiu die Verantwortung für diese Politik angelastet, obwohl er sie parteiintern und gegenüber Komintern-Vertretern kritisiert hatte. In einer „Notkonferenz“ der KPCh wurde Chen Duxiu als Rechtsopportunist für die Niederlage und Niederschlagung der Revolution 1925- 1927 und der Rätebewegungen, verantwortlich gemacht und zum Rücktritt gezwungen. Im Juli 1927 wurde er durch Qu Qiubai ersetzt.

Chen Duxiu legte sein Amt als Generalsekretär der Partei am 15. Juli 1927 nieder und ging im weiteren Verlauf in Opposition. Er schloss sich der oppositionellen Strömung um Trotzki an.

1932 wurde er von den Guomindang-Behörden verhaftet und verbrachte fünf Jahre im Gefängnis. Der Sino- Japanische Krieg, der später zu einem Teil des Zweiten Weltkriegs wurde, begann im Juli 1937. Die GMD, unter Druck der Bewegung für die Befreiung der politischen Gefangenen, gab zu dieser Zeit nach und ließ alle unter 15 Jahre verurteilten Häftlinge, das bedeutet auch alle Trotzkisten der „Linken Opposition“, frei. Diese Zeit war für Chen geprägt von Enttäuschungen und Konflikten. Liu Renjing, ein früherer Weggefährte, hatte schon vor der Inhaftierung der beiden Chen wegen seiner opportunistischen Positionen an den Pranger gestellt, während ihrer gemeinsamen Gefangenschaft hat sich diese Feindschaft vertieft und nach ihrer Entlassung hat Liu Renjing Briefe an alle Mitglieder der linken Opposition ausgeschickt, um Chens Positionen zu schwächen. Chen Duxiu, nach fünf Jahren politischer Gefangenschaft, veröffentlichte nun Artikeln, in welchen er sich für die Prinzipien der GMD aussprach. Nach einem Briefwechsel mit dem Zentralkomitee geriet Chen in Rage und bezeichnete die linke Opposition als hoffnungslose Sektierer und er wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Nun ging er von Nanjing nach Wuhan, der neuen Hauptstadt, und verwendete persönliche Kontakte zu Hu Shi in der GMD sowie zur Kommunistischen Partei, um eine authentische Einheitsfront gegen den imperialistischen Krieg der Japaner aufzubauen. Diese Personen ließen ihn aber sehr deutlich spüren, dass sie kein Interesse an einer Zusammenarbeit hätten, was ihn in wiederum wütend machte. Eine Schlüsselperson der nun isolierten linken Opposition, der Ingenieur Luo Han, sympathisierte mit Chens Idee und trug sie in die KP hinein. Mao entgegnete in einem Brief, dass Chen zuerst seine Fehler zugeben und dem Trotzkismus entsagen müsse, bevor er daran denke, mit der KP zu kooperieren - wieder fühlte sich Chen vor den Kopf gestoßen. Als ewig Konsenssuchender scheiterte er an der Arroganz und Ablehnung der GMD, lehnte jedoch die Opposition ab. Er zog sich aus allen aktiven politischen Prozessen zurück und beschränke sich darauf, zu kommentieren.

Am Ende seines Lebens war Chen Duxiu überzeugt, dass es unmöglich sei, dass ein kommunistisches China aus dem Bürgerkrieg heraus entstehen könne. Durch die Erfahrungen in der SU formulierte er Forderungen gegen den Bürokratisierungsprozess im postrevolutionärem Stadium. Wang Fanxi publizierte 1957 über politischen Pluralismus, demokratische Rechte und den Grund für die Notwendigkeit einer letztlich auch gewaltsamen Revolution (Genton 1998: 130-132)

Wenn durch eine gewaltsame Revolution eine Diktatur errichtet wird, um Grundbesitzer zu enteignen, ist eine langsame Veränderung im Parlament praktisch ausgeschlossen Die „Diktatur des Proletariats“ darf politische Errungenschaften nicht antasten, die Politik, welche unter der bürgerlichen Demokratie erreicht wurde, muss fortgesetzt werden Autokratie und Monokratie entstehen durch Machtkonzentration. Dem kann durch Machtaufeilung in Institutionen und deren gegenseitige Kontrolle entgegengewirkt werden Nur Arbeiter und Bauern entscheiden, ob eine oppositionelle Partei revolutionär ist oder nicht, ob sie unterstützt wird und somit eine Existenzberechtigung hat Ideen sind kein Verbrechen, folglich muss die freie Meinungsäußerung innerhalb der Fraktionen garantiert werden und zur Argumentation ermutigt werden Das Volk bestimmt, nicht die Partei! Ein Mehrparteiensystem und das allgemeine Wahlrecht muss erhalten bleiben (um weiter den Willen des Volkes auszuführen und an deren Bedürfnissen anzuschließen, Anm.) Die institutionalisierte Kontrollinstanz bildet das Parlament oder der Sowjet. Diese muss das politische Programm diskutieren und absegnen

Chen war der Meinung, dass die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UdSSR reformiert werden müsse, und zwar nach dem Vorbild der UdSSR nach der Oktoberrevolution 1917, nach dem Motto „Unsere Antwort auf die stalinistische Falsifizierung ist Klassenkampf!“. Weiters betrachtete er die „Diktatur des Proletariats“ und den Bolschewismus als Zwilling des Faschismus’ und Vater des Stalinismus’. Mit vorhergehender Forderung stimmten seine Positionen noch viel mehr mit jenen von Trotzki überein. Wang Fanxi, ein Mitstreiter und Freund von Chen, meinte, er sei bis zum Tode bei einer trotzkistischen Überzeugung geblieben. (Genton 1998: 147)

1942 starb er zurückgezogen von politischem in Sichuan, schrieb aber bis zuletzt Artikel.

Literatur

  • Schriften 2/1. Schriften über China 1924 - 1928 von Leo Trotzki (Hrsg.: Wolrad Bode, Helmut Dahmer, und Horst Lauscher) (1900)
  • Schriften 2/2. Schriften über China 1928 - 1940 von Leo Trotzki (Hrsg.: Wolrad Bode, Helmut Dahmer, und Horst Lauscher) (1990)
  • Chen Duxiu’s Last Articles and Letters, 1937-42 von Chen Duxiu (Hrsg.: Gregor Benton), Routledge Curzon (1998)
  • Duxiu wen cun. Hefei: Anhui Renmin Chubanshevon Chen Duxiu (1988)
  • Who was Mr Democracy? von Gu, Edward X. (2001)(in Modern Asian Studies 35:3: 589-621. Cambridge: Cambridge University Press)
  • Kuo, Thomas C. (1975): Ch'en Tu-hsiu (1879-1942) and the Chinese Communist Movement (Seton Hall University Press America)

Weblinks


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