Polywell

Polywell
Spulensystem des Polywell WB-6. Spulendurchmesser etwa 30 cm

Polywell (griech.-engl.: etwa "Vielfachmulde") ist ein Kernfusionsreaktor-Konzept, das von Robert W. Bussard stammt. Es gehört zu den sogenannten Inertial Electrostatic Confinement (IEC)-Fusionskonzepten wie z. B. dem Farnsworth-Hirsch-Fusor, denn die zur Fusion bestimmten Ionen werden durch ein elektrisches Feld zusammengehalten. Dieses Feld wird jedoch nicht von Hochspannungs-Elektroden erzeugt, sondern von einer Elektronenwolke, die ihrerseits in einem mehr oder weniger kugelsymmetrischen Magnetfeld eingeschlossen ist.

Die Polywell-Entwicklungsarbeit wird von der EMC2 Fusion Development Corporation[1] durchgeführt und von der US Navy finanziert. Als angestrebte Nutzung wurden bisher in erster Linie Raumfahrtantriebe, aber auch Stromerzeugung genannt.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

In einem Hochvakuumbehälter erzeugt eine Anzahl gleicher, räumlich dreidimensional angeordneter ringförmiger Spulen ein zentralsymmetrisches Magnetfeld. Eine Elektronenwolke wird von diesem Feld nach der Art von magnetischen Spiegeln eingeschlossen und bildet eine elektrische Potentialmulde. Positiv geladene Ionen werden dieser Region zugeführt, von dem Potentialgefälle zum Mittelpunkt hin beschleunigt und sollen auf geschlossenen Bahnen so lange umlaufen, dass bei ihren Zusammenstößen genügend viele Kernfusionsreaktionen erfolgen. Einzelheiten über Art und Anordnung der Elektronen- und Ionenquellen sind bisher nicht veröffentlicht worden.

Physikalische Bemerkungen

Die Ansammlung von Elektronen und Ionen in den elektrostatischen Fusionseinrichtungen ist nur bedingt vergleichbar mit dem thermischen Plasma anderer Fusionskonzepte wie Fusion mittels magnetischen Einschlusses oder Trägheitsfusion. In diesen entsteht das Plasma durch Stöße neutraler Atome oder Moleküle untereinander, ist also elektrisch neutral und thermisch im Gleichgewicht. Beim Polywell usw. ist dagegen ein geringer Elektronenüberschuss nötig, um die Potentialmulde zum Ioneneinschluss herzustellen, das Plasma ist also nicht neutral. Es ist auch nicht im thermischen Gleichgewicht, also nicht durch eine Temperatur beschreibbar, da Elektronen und Ionen aus getrennten Quellen mit vorgegebenen kinetischen Energien kommen und sich im Feld mit ortsabhängigen und örtlich gerichteten Geschwindigkeiten bewegen.[2]

Nahe dem Zentrum der Potentialmulde treten relativ hohe Ionengeschwindigkeiten auf. Daher können Energieverluste des Plasmas durch Bremsstrahlung wichtig werden. Dies wäre besonders bedeutsam bei der Bor-11-Proton-Fusionsreaktion (siehe Kernfusionsreaktor#Schwere_Brennstoffe), deren Verwendung Bussard vorgeschlagen hat, weil sie keine freien Neutronen erzeugt. Er argumentierte, die Verluste durch Bremsstrahlung würden auch bei diesem Brennstoff nur 1/12 der erzeugten Fusionsenergie betragen,[3] weil die hohen Geschwindigkeiten im Zentrum und der dadurch geringe Wirkungsquerschnitt für Coulombstöße der Ionen eine nennenswerte Abbremsung dort unwahrscheinlich machten. Hingegen legte Todd Rider 1995 dar, dass die Verluste durch Bremsstrahlung mit diesem Brennstoff die Produktion von Fusionsenergie um mindestens 20 % übertreffen würden.[4]

Versuche und Ergebnisse

Bussard berichtete 2006 über den Versuchsaufbau WB-6 („Whiffleball 6“). Dieser hatte sechs Ringspulen, angeordnet auf den Flächen eines gedachten Würfels (Durchmesser ca. 30 cm, siehe Abbildung.) Mit WB-6 wurden bis zu 1 Milliarde Deuterium-Deuterium-Fusionsreaktionen pro Sekunde erreicht.[5] Das entspricht einer Fusionsleistung von etwa 0,6 Milliwatt; der elektrische Leistungsbedarf der Apparatur beim Versuch dürfte mindestens einige hundert Watt betragen haben.

Bei EMC2 wurden danach die Anlagen WB-7 und WB-8 gebaut und betrieben. Möglicherweise (nur undeutlich einer Abbildung zu entnehmen) wurden zumindest bei WB-7, um der Kugelsymmetrie näher zu kommen, acht Spulen in Oktaeder- oder 12 Spulen in Dodekaeder-Anordnung verwendet. EMC2 lehnt es mit Hinweis auf die Rechte des Auftraggebers US Navy ab, genaue Einzelheiten und Messergebnisse zu veröffentlichen.[6] Die Apparatur WB-8, an der zur Zeit (2011) anscheinend der Experimentierbetrieb läuft, soll nach Bericht der Firma[7] ausgezeichnete Plasmaeinschluss-Eigenschaften zeigen.

Laut Bussard würde ein Reaktor mit einem Radius von 1,5 Metern einen Netto-Energiegewinn von vielen Megawatt erreichen.[8]

Einzelnachweise

  1. http://www.emc2fusion.org
  2. Thomas J. Dolan: Review Article: Magnetic Electrostatic Plasma Confinement. Plasma Physics and Controlled Fusion 36 (1994), pp. 1539-1593. [1]
  3. Robert W. Bussard: Bremsstrahlung Radiation Losses in Polywell Systems. EMC2, 1991, Table 2, S.6.[2]
  4. T. Rider: Fundamental Limitations on Plasma Fusion Systems not in Thermodynamic Equilibrium. MIT, 1994, S.161-2.[3], siehe auch: T. Rider: A general critique of internal-electrostatic confinement fusion systems. MIT, 1995.
  5. Robert W. Bussard: The Advent of Clean Nuclear Fusion: Superperformance Space Power and Propulsion. 57th International Astronautical Congress (IAC), Valencia (Spanien) 2006. Online
  6. http://cosmiclog.msnbc.msn.com/_news/2011/05/10/6619613-fusion-goes-forward-from-the-fringe
  7. http://www.recovery.gov/Transparency/RecipientReportedData/pages/RecipientProjectSummary508.aspx?AwardIdSur=46419&AwardType=Contracts
  8. Bussard, Robert: The Advent of Clean Nuclear Fusion: Superperformance Space Power and Propulsion, S.2. [4]

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Polywell — The polywell is a plasma confinement concept that combines elements of inertial electrostatic confinement and magnetic confinement fusion, intended ultimately to produce fusion power. The name polywell is a portmanteau of polyhedron and potential …   Wikipedia

  • Polywell — Le polywell est un procédé de confinement du plasma qui combine des éléments du confinement inertiel électrostatique et du confinement magnétique dans le but de produire de l énergie par fusion nucléaire. Le nom polywell est un mot valise… …   Wikipédia en Français

  • Fusion power — The Sun is a natural fusion reactor. Fusion power is the power generated by nuclear fusion processes. In fusion reactions two light atomic nuclei fuse together to form a heavier nucleus (in contrast with fission power). In doing so they release a …   Wikipedia

  • Nuclear fusion — Nuclear physics Radioactive decay Nuclear fission Nuclear fusion Classical dec …   Wikipedia

  • Robert W. Bussard — (August 11 1928 ndash; October 6 2007) was an American physicist who worked primarily in nuclear fusion energy research. He was the recipient of the Schreiber Spence Achievement Award for STAIF 2004. [ [http://www.unm.edu/… …   Wikipedia

  • Magnetohydrodynamics — For the academic journal, see Magnetohydrodynamics (journal). Magnetohydrodynamics (MHD) (magneto fluid dynamics or hydromagnetics) is an academic discipline which studies the dynamics of electrically conducting fluids. Examples of such fluids… …   Wikipedia

  • Fusor — The Farnsworth–Hirsch Fusor, or simply fusor, is an apparatus designed by Philo T. Farnsworth to create nuclear fusion. It has also been developed in various incarnations by researchers including Elmore, Tuck, and Watson, and more lately by… …   Wikipedia

  • Inertial electrostatic confinement — (often abbreviated as IEC) is a concept for retaining a plasma using an electrostatic field. The field accelerates charged particles (either ions or electrons) radially inward, usually in a spherical but sometimes in a cylindrical geometry. Ions… …   Wikipedia

  • Lawson criterion — In nuclear fusion research, the Lawson criterion, first derived on fusion reactors (initially classified) by John D. Lawson in 1955 and published in 1957,[1] is an important general measure of a system that defines the conditions needed for a… …   Wikipedia

  • Neutron flux — The neutron flux is a quantity used in reactor physics corresponding to the total length travelled by all neutrons per unit time and volume [1]. The neutron fluence is defined as the neutron flux integrated over a certain time period. Contents 1… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”