Rationalisierung (Ökonomie)

Rationalisierung (Ökonomie)

Rationalisierung wird in der Wirtschaft häufig in zweierlei Weisen verstanden, zum einen im Sinne einer Optimierung von Betriebsabläufen, z. B. durch das Vorschreiben zeitsparender Bewegungen von Fließbandarbeitern (Taylorisierung), zum anderen als Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen (Rationalisierungsinvestition), wenn die Kosten für Maschinen geringer sind als die Lohnkosten oder auch umgekehrt, wenn die Kapitalkosten die Löhne übersteigen. Ziel ist die vernünftige, zweckmäßige Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse unter sich ändernden Bedingungen, um die Produktivität zu steigern.

Eine häufige Bedeutung ist die einer Effizienzsteigerung durch bessere Nutzung vorhandener Möglichkeiten: Ein gleicher Effekt kann mit weniger Mitteln, oder ein größerer Effekt mit gleichen Mitteln erzielt werden.

Seitdem sich die Betriebswirtschaftslehre als eigene wissenschaftliche Disziplin herausgebildet hat, besitzt die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Rationalisierung eine besondere Bedeutung, denn es handelt sich dabei doch um die grundlegendsten Maßnahmen zur Wirtschaftlichkeitserhaltung und/oder -steigerung eines Unternehmens und dient somit letztlich der Bestandssicherung. Wirtschaftlichkeit wurde dabei als „ökonomische Lesart“ des allgemeinen Rationalprinzips verstanden. Zum Zwecke der Wirtschaftlichkeitssteigerung suchte die noch junge Betriebswirtschaftslehre demzufolge nach allgemeinen Prinzipien, die den Unternehmen bei der Realisierung von Rationalisierungspotentialen dienen sollten. Hinzuweisen ist insbesondere auf die richtungsweisenden Arbeiten Hermanns, Taylors, Gottl-Ottlilienfelds. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der in einem Unternehmen möglichen Rationalisierungsaktivitäten entwickelte sich schnell eine unüberschaubare Vielfalt verschiedener Rationalisierungsansätze. Die jeweiligen Schwerpunkte der Rationalisierungsaktivitäten gingen einher mit den jeweils aktuellen technischen, marktlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und unterliegen demzufolge einem ständigen Wandel. Die zunehmende Intensität des Wettbewerbs, hervorgerufen durch stagnierendes Marktwachstum und Globalisierung machte allerdings deutlich,

  • dass die Erschließung von Rationalisierungspotentialen ein permanenter Prozess sein muss und
  • dass die ausschließliche Konzentration auf Rationalisierungsaktivitäten dann fatale Folgen für die Unternehmensentwicklung besitzen kann, wenn notwendige Innovationen dadurch vernachlässigt werden.

Rationalisierung wird oft fälschlicherweise auf Maßnahmen zur Senkung der Lohnkosten reduziert. Ein Unternehmen muss langfristig eine Kostenposition schaffen, die es ihm ermöglicht, wettbewerbsfähig am internationalen Markt agieren zu können. Dazu müssen Rationalisierungsmaßnahmen an allen Gestaltungsfaktoren einer Stelle, einer Abteilung, eines Bereichs oder des ganzen Unternehmens ansetzen: Aufbau- und Ablauforganisation, Prozesstechnologien (Flexibilität und Automatisierung), Personal (Qualifikation, Flexibilität, Arbeitszeitmodell, Motivation). Ebenfalls müssen die enormen Rationalisierungseffekte durch fertigungsgerechte Konstruktion, Normung, Typung, Variantenmanagement, Plattformkonzepte genutzt werden, die in den Bereichen Entwicklung, Konstruktion und Produktgestaltung verborgen sind. Daher empfiehlt sich ein weites Verständnis im Sinne einer Systemrationalisierung (siehe auch: Industrial Engineering).

Inhaltsverzeichnis

Rationalisierung als Systemrationalisierung

Die Bedeutung dieses umfassenden Rationalisierungsverständnisses liegt im Wesentlichen in drei Aspekten begründet:

  • Im Gegensatz zur traditionellen, oftmals auf den (Produktions)Bereich fokussierten Rationalisierungslehre wird das Unternehmen als Ganzes mit allen seinen Bereichen und Gestaltungsfaktoren in Input, Output, Personal, Technologie und Organisation erfasst.
  • Dementsprechend muss das zugrundeliegende Wirtschaftlichkeitsverständnis auch weit umfassender sein, als dies gewöhnlich der Fall ist. Hierzu greift die Systemrationalisierung auf das komplementäre Konzept der Systemwirtschaftlichkeit zurück (Pfeiffer/Weiß/Strubl/Küßner (1999)).
  • Systemrationalisierungs- und Innovationsprozesse stehen in einem komplementären Verhältnis und müssen stets gleichzeitig und gleichrangig von der Unternehmensführung gemanaged werden. Ist dies nicht der Fall, läuft das Unternehmen Gefahr „sich zu Tode zu rationalisieren“. Das heißt: dominiert im Unternehmen zur Verbesserung der Wettbewerbsposition die Kostenperspektive, folgt ein Rationalisierungsprojekt dem anderen, ohne das Phänomen des „abnehmenden Rationalisierungseffekts“ zu erkennen. Dagegen könnten durch Innovationen in Produkt und Prozess einerseits die Marktposition prinzipiell verbessert werden und zugleich gänzlich neue Rationalisierungsreserven erschlossen werden.

Systemrationalisierungsaktivitäten sollten nicht ad hoc durchgeführt, sondern im Rahmen einer Unternehmensstrategie systematisch vorbereitet werden. Hierzu kann eine grundlegende Schwachstellenanalyse der Einflussgrößen der Systemwirtschaftlichkeit beitragen. Sind entsprechende Schwachstellen identifiziert, müssen einzelne Rationalisierungsmaßnahmen erarbeitet werden. Zur Problemlösung stehen zahlreiche Rationalisierungs- und Gestaltungsprinzipien zur Verfügung.

Wirkt sich häufig in folgenden Formen aus: Stellenabbau und/oder Outsourcing. Der Wettbewerb macht es für alle Unternehmen unabdingbar, ihre Betriebe immer effizienter und anpassungsfähiger zu gestalten. Rationalisierung ist die wesentliche Ursache für Wirtschaftswachstum, weil sie das Produktionspotenzial erhöht. Sie führt im Regelfall gesamtwirtschaftlich nicht zu steigender Arbeitslosigkeit, auch wenn das Stichwort Rationalisierung damit häufig verbunden wird.

Rationalisierung und Volkswirtschaft

In einer hypothetischen Volkswirtschaft, in der alle Unternehmen ihre Kosten durch Rationalisierung um fünf Prozent senken, können entweder die Preise um 5 % sinken oder die Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter und die Löhne um 5 % oder einen ähnlichen Wert steigen. Sowohl sinkende Preise als auch steigende Löhne und Gewinnausschüttungen haben einen entsprechend nachfrageerhöhenden Effekt. Ein Unternehmen, das seine Produktivität jährlich um 5 % steigert, benötigt bei um 5 % steigender Nachfrage noch genau so viele Beschäftigte wie vorher. In einigen Wirtschaftsbranchen kann dabei die Produktivität stärker als die Nachfrage steigen (es kommt zu Entlassungen), in anderen liegt das Produktivitätswachstum unter der Nachfragesteigerung (es kommt zu Neueinstellungen).

Zu der Frage, warum es dennoch langfristig zu Arbeitslosigkeit kommt, gibt es zwei unterschiedliche Erklärungsansätze: die neoklassische Arbeitslosigkeit und die keynesianische Arbeitslosigkeit.

Problematik der Rationalisierung in IT-Betrieben

Vor allem in Großbetrieben besteht das Problem einer effizienten Leistungsüberprüfung der Mitarbeiter, da Projektleiter und Mitarbeiter ein komplexes Informationsgeflecht bilden. Einsparungsmaßnahmen kommen in vielen Betrieben aus höheren Hierarchieebenen, die die Funktionalität und Effizienz des Teams nur schwer bewerten können. Somit besteht die Gefahr, nicht offensichtliche Know-how-Träger zu entlassen, was in Verbindung mit Doppelbelastungen anderer Teammitglieder Betriebsabläufe verzögern kann.

Siehe auch

Literatur

  • Löffelholtz, J.: Wirtschaftlichkeit und Rentabilität. In: HWB, hrsg. v. Grochla, E./Wittmann, W., 4. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 4461–4467.
  • Göltenboth, H.: Kostensenkungsmaßnahmen im Personal-, Anlagen- und Stoffbereich eines Industriebetriebs, Berlin u. a. 1972.
  • Pfeiffer, W.: Rationalisierung. In: Wittmann, W. (Hg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 5. Aufl., Stuttgart 1993, Sp. 3939 ff.
  • Schweitzer, M./Küpper, H.-U.: Rationalisierung. In: HWB, hrsg. v. Grochla, E./Wittmann, W., 4. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 3303–3311.
  • Frederick Winslow Taylor, The Principle of Scientific Management, 1911

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rationalisierung — bedeutet etwa „vernünftig machen“, „einen Sinn geben“ und wird verwendet in der Mathematik, siehe Rationalisierung (Bruchrechnung) Wirtschaft, siehe Rationalisierung (Ökonomie) Psychologie und Psychoanalyse, siehe Rationalisierung (Psychologie)… …   Deutsch Wikipedia

  • Kritik der Politischen Ökonomie — Die marxistische Wirtschaftstheorie bildet sowohl ihrem Umfang als auch ihrem Inhalt nach den Hauptteil der Marx’schen Theorie. Sie untersucht die ökonomische Funktionsweise der „bürgerlichen“, „kapitalistischen“ Gesellschaft und folgt… …   Deutsch Wikipedia

  • Marxistische Ökonomie — Die marxistische Wirtschaftstheorie bildet sowohl ihrem Umfang als auch ihrem Inhalt nach den Hauptteil der Marx’schen Theorie. Sie untersucht die ökonomische Funktionsweise der „bürgerlichen“, „kapitalistischen“ Gesellschaft und folgt… …   Deutsch Wikipedia

  • Medizinische Ökonomie — Gesundheitsökonomie manchmal auch Medizin Ökonomie genannt (engl.: medical economics, health economics, frz.: économie de la santé, économie médicale) ist eine empirische und theoretische, interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Norbert Tischelmayer — Norbert Franz Josef Tischelmayer Norbert Franz Josef Tischelmayer (* 14. April 1945 in Mühlbach am Manhartsberg, Niederösterreich) ist ein freier Journalist auf dem Sektor Wein. Er lebt in Wien. Der gelernte Einzelhandelskaufmann stieg früh in… …   Deutsch Wikipedia

  • Das Kapital. Band I — Folgend eine Darstellung des 1. Bands von Karl Marx Das Kapital. Inhaltsverzeichnis 1 Band 1: Der Produktionsprozess des Kapitals 1.1 Vorwort zur ersten Auflage 1.2 Erster Abschnitt: Ware und Geld …   Deutsch Wikipedia

  • Arbeit und Interaktion. Bemerkungen zu Hegels „Jenenser Philosophie des Geistes“ — Technik und Wissenschaft als „Ideologie“ ist ein Buch von Jürgen Habermas. Er widmete es Herbert Marcuse zum 70. Geburtstag (19. Juli 1968). Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Arbeit und Interaktion. Bemerkungen zu Hegels „Jenenser Philosophie des …   Deutsch Wikipedia

  • Geltungsanspruch — Habermas 2007 an der Hochschule für Philosophie München Jürgen Habermas (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) ist ein deutscher Philosoph und Soziologe, der hauptsächlich durch seine Arbeiten zur Sozialphilosophie bekannt wurde. Nicht zuletzt durch …   Deutsch Wikipedia

  • Jürgen Habermas — Habermas 2007 an der Hochschule für Philosophie München Jürgen Habermas (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) ist einer der weltweit meist rezipierten Philosophen und Soziologen der Gegenwart. Er wurde bekannt durch Arbeiten zur Sozialphilosophie mit… …   Deutsch Wikipedia

  • Wertrationalität — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Rationalität (von lat. rationalitas = Denkvermögen, von ratio =… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”