Sandra Mann

Sandra Mann
Sandra Mann 2002

Sandra Mann (* 27. Oktober 1970 in Groß-Gerau) ist eine deutsche Künstlerin und Fotografin. In ihrem genreübergreifenden Werk befasst sie sich konzeptuell mit der Beziehung der Menschen zueinander, zur Natur, zur Umwelt, Tierwelt oder zur Sexualität.[1] Ihre Arbeit ist durch die Erforschung der Grundlagen der Fotografie und Bildsprache [2]geprägt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sandra Mann studierte Kunstgeschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und Visuelle Kommunikation bei Heiner Blum, Rudolf Bonvie und Lewis Baltz an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Noch während des Studiums erwarb Jean-Christophe Ammann für das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt mehrere ihrer Arbeiten und stellte diese aus. [3] Durch Nebenjobs in Bars und Clubs finanzierte sie ihr Studium. [4] In dieser Zeit inszenierte sie Menschen aus dem Nachtleben, wie z.B. Türsteher, Barfrauen oder DJs, im Stil der Heiligendarstellung. Erste Aufträge von Musik- und Lifestyle-Magazinen folgten, ebenso wie Fotoaufträge für namhafte Firmen, z.B. Atelier Markgraf, Daimler Chrysler/Lab01, Expo 2000). Es entstanden Plattencover [5], Portraits, Modeaufnahmen und Fotoraumgestaltungen. Bekannt wurde Sandra Mann hierbei mit ihren Fotoimpressionen aus der Glamour- und Partywelt der Metropolen Paris, Mailand und New York.

Obwohl sie ihre Fotografien als Einzelwerke versteht, arrangiert sie diese in Ausstellungen oft zu Diashows und Wandinstallationen. Dadurch entstehen visuelle Assoziationsketten, welche die Bilder in Sinnzusammenhänge stellen, die das Denken der Künstlerin für den Betrachter präzisieren.

Werk

Sandra Mann bedient sich einer großen Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen. Ihr Schaffensschwerpunkt liegt dabei vor allem im Bereich der Fotografie. Sie forscht und arbeitet in verschiedenen Medienbereichen wie z.B. Rauminstallationen, Skulpturen, Videos, Multimediainstallationen, künstlerischen Interventionen [6] und Design.

Sandra mit Bart, Gender-Photographie 2000

Ein sich wiederholendes Element ihrer Arbeiten stellt das Beschäftigen mit Grenzen und deren Aufhebung dar. Die Durchmischung verschiedener Medienbereiche als Ausdrucksmittel ist Bestandteil ihrer inhaltlichen Auseinandersetzung damit. Eine ihrer ersten Videoarbeiten, das Musikvideo Biomechanik entstand für Anthony Rother. Sie fotografierte mit einer Nikon F3, seriell mit einem Motor. Anstatt zu filmen, ließ sie die Dias scannen und animieren, und erhielt durch diese Vorgehensweise ein Video in 35-mm-Qualität.[7] 2001 verwandelte sie einen leerstehenden Geschäftsraum in eine Schnakengedenkstätte. [8] Sie präsentierte stellvertretend für ein fiktives Bestattungsunternehmens die Mücken in kleinen Särgen, begleitet von reichhaltigem Buffet, Trauermusik und Kondolenzbuch, und gedachte damit in buddhistischer Art und Weise einem winzigen Insekt das mehr als Plagegeist, denn als gedenkwürdiges Tier bekannt ist.

Ihren internationalen Durchbruch erzielte Sandra Mann im Jahr 2005 mit einer zweiten Version ihrer Arbeit Expedit.

Expedit II, Museo Universitario de Ciencias y Arte, Mexico City, Mexico, 2005

In der Ausstellung Morir de Amor im Museo Universitario de Ciencias y Arte Mexico City (MUCA) stellte sie u.a. mit Marina Abramović, Tracey Emin, Nikki S. Lee, Bas Jan Ader, Sophie Calle, Douglas Gordon, Félix González-Torres und Dominique Gonzalez-Foerster aus. Aus der Ferne scheint es sich bei Expedit auf den ersten Blick um eine Art abstraktes Gemälde mit Rahmen zu handeln. Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass es sich um eine Installation in Form eines ordinären Ikea-Regals handelt, das die Künstlerin in eine Wand einbauen ließ und mit Schallplatten füllte. Das Regal und die Plattencoverrücken schauen nur 5 cm heraus, daher rührt der anfängliche Gemäldecharakter. Tritt man an das Werk heran, kann man lesen, dass es sich bei den Songs und Alben um Liebeslieder handelt, die das Wort Love beinhalten. Damit schaffte sie es, eines der größten Gefühle der Menschheit zu visualisieren, zu komprimieren und zu archivieren.[9]

Das Video Balla Balla von 2005, zeigt auf den ersten Blick, eine Gruppe im Tschador verhüllter Frauen, die vor einem brachliegenden Industriegelände Fußball spielen. Der Betrachter wird durch die Bilder in die Irre geführt: Tatsächlich spielen die Frauen nicht im nahen Osten sondern in Frankfurt am Main, auf dem Gelände der leer stehenden Großmarkthalle. 2002 wurde das Gelände der Großmarkthalle von der Europäischen Zentralbank gekauft. Im Dritten Reich wurde sie als Deportierbahnhof jüdischer Kinder, Frauen und Männer genutzt. Bei den vermeintlichen Musliminnen handelt sich tatsächlich um eine deutsche Frauen-Fußballmannschaft diverser Religionszugehörigkeit, die souverän mit den Unannehmlichkeiten der übergestülpten Kultur umgeht. Dies wird durch die professionelle Spielweise ersichtlich. Das Video ist musikalisch mit dem Techno-Stück Apricot von Sven Väth unterlegt, wodurch die Irritation des Betrachters irgendetwas stimmt hier nicht verstärkt wird.[10]

Im Herbst 2008 widmete ihr die Vehbi Koc Foundation unter Kuration des Künstlers Ekrem Yalcindag in der Ausstellungshalle Operation Room des American Hospital in Istanbul eine Ausstellung. Dort zeigte sie neben Fotoinstallationen die Arbeit Marie Therese, die auch schon auf der Art Cologne 2006 in der Förderkoje der Galerie Stefan Röpke zu sehen war. Diese Installation reproduziert das Jugendzimmer eines Mädchens, mit allen üblichen Devotionalien eines mittelständischen Teenagers: Schulhefte, Star-Poster, Kuscheltiere, Tagebücher. Auf den zweiten Blick könnte der Betrachter zwischen Kinder- und Jugendromanen, Bücher über Drogen und Selbstmord entdecken, und unter dem Bett finden sich Reste von Alkohol, Zigaretten und anderen Drogenutensilien. Eine Schatulle mit Hautritzwerkzeug steht auf dem Schreibtisch, neben Cola und Hausaufgaben. Die verehrten Stars auf den Postern entpuppen sich als tragisch Gescheiterte der Gesellschaft; Marylin Monroe, Kurt Cobain, Tupac Shakur.

Marie Therese, Installation/Skulptur 2006

In der Raummitte hängt ein großes Mobilé aus über 3000 gefalteten Origami-Papier-T-Shirts. Es zeigt Bilder aus den Medien, vom 11. September bis zu den Mohammed-Karikaturen, von Paris Hilton bis Tokio Hotel. Ähnlich der Ulysses von James Joyce, allerdings auf visuellem Wege gestaltet, könnte es die Gedanken und Ängste eines Teenagers sichtbar machen. Trotz all dieser Hinweise kann, oder will mancher Betrachter die eingebettete Angst und Hilflosigkeit des Kindes nicht sehen, und erfreut sich der 15 fröhlich-rosa tapezierten Quadratmeter.[11]

2008 wird eine ihrer Fotografien (191299-0175 Schwanensee von 1999) für den dreifachen Preis bei Sotheby`s versteigert.

Sie lebt in Frankfurt am Main und leitet seit 2009 die Fotoklasse an der AVA Academy of Visual Arts /Frankfurter Akademie für Kommunikation und Design.[12][13]

Ihre Werke sind in zahlreichen Museen und Institutionen vertreten u.a. im Museum für Moderne Kunst, in der Kunsthalle Mannheim, dem Tiroler Landesmuseum, im MUCA Mexico City oder der Vehbi Koc Foundation im American Hospital in Istanbul. Ihre Arbeiten und Ausstellungsaktivitäten sind weltweit zu sehen. Sie gehört zu den international anerkanntesten deutschen Fotografen.

Zitate

  • "Sie hat den Blick eines Gerichtsmediziners" (Prof. Dr. Gebhard von Jagow, Präsident des Medizinischen Fakultätentages)[14][15]
  • "Eine Fotoreporterin ist Sandra Mann nicht, auch keine Szenefotografin. Sie gehört eher in die Tradition eines Larry Clark oder einer Nan Goldin." (Prof. Dr. Jean-Christophe Ammann)[16][17][18]

Ausstellungen und Projekte (Auswahl)

  • 1999 Kommunikation in der Kunst, Kunstverein Heidelberg
  • 1999 Spur 015, Kunstverein Marburg
  • 2000 See-Touch-Listen, Fotografien im Daimler-Chrysler-Pavillon, LAB 01, Expo Hannover
  • 2001 freie Wahlen Junge Kunst, Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden
  • 2001 Expedit und Exodus, Szenenwechsel XX, Museum für Moderne Kunst Frankfurt/Main
  • 2002 Release, Leuchtspur, Hauptzollamt Frankfurt/Main
  • 2003 natürlich-körperlich-sinnlich, Kunsthalle Mannheim
  • 2004 Emporter des femmes à Paris, Goethe-Institut, Athen
  • 2004 Nightlife, Artisti per Alcamo, Castello die Conti di Modica, Goetheinstitut Palermo
  • 2005 Morir de Amor, MUCA, Museo Universitario de Ciencias y Arte, Mexico City
  • 2005 Stadtluft, Landesausstellung, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hall
  • 2005 Balla Balla, Der neue Orient (Lido), Kunsthalle Düsseldorf
  • 2005 Video/ökonomie – Vertriebe im Weltformat, ZKM, Karlsruhe
  • 2006 Marie Therese, New Talents Förderkoje, Art Cologne, Galerie Stefan Röpke
  • 2006 Fullhouse, Kunsthalle Mannheim
  • 2007 P., T., A. & Landscapes, Photofestival Milan, Galleria San Carlo New Contemporary, Mailand
  • 2007 Gestalte/Create-Design Medien Kunst, MAK, Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt/Main
  • 2008 IMAGINe/g of thinking, HIAP, Kaapelitehdas, Helsinki
  • 2008 Elk Test, Kaapelin Galleria, Helsinki
  • 2008 Daylife, Operation Room, Vehbi Koc Foundation, American Hospital, Istanbul
  • 2010 Darmstädter Tage der Fotografie, Kunsthalle Darmstadt
  • 2011 Alptraum, Deutscher Künstlerbund e.V., Berlin
  • 2011 No Fashion please!, Strapinski`s Schicksal, Kunsthalle Wien

Stipendien, Auszeichnungen und Preise

  • 1998 Stipendium Universitätsstiftung Augsburg
  • 1998 Projektförderungsstipendium DAAD
  • 1999 Stipendium Universitätsstiftung Augsburg
  • 2001 Förderpreis (Jahresstipendium) Frankfurter Verein für Künstlerhilfe e.V.
  • 2006 New Talents Förderkoje, Galerie Röpke, Art Cologne
  • 2007 Löwenhof-Förderpreis, Kunstforum Löwenhof, Frankfurt/Main
  • 2008 Helsinki Stipendium, Artist in Residence Programm, Kulturamt Frankfurt/Main und HIAP Helsinki

Sammlungen (Auswahl)

  • Museum für Moderne Kunst Frankfurt
  • Kunstverein Marburg / Artothek
  • Künstlerhilfe Frankfurt
  • Kunsthalle Mannheim
  • DZ Bank
  • Freshfields Bruckhaus Deringer LLP
  • Museo Universitario de Ciencias y Arte (Mexico City)
  • Vehbi Koc Foundation

Bibliographie (Auswahl)

  • Love kills. Betting on the Muse, Florian Heinke, erschienen im Oktober 2010 (ISBN 978-3-00-032479-6)
  • Ruhm, Ehre, Schall, Rauch, Sandra Mann Photo Class, Eichhorn Frankfurt, 2011
  • Daylife, Sandra Mann, Amerikan Hastanesi Yayinlari, Istanbul, 2008 (ISBN 978-975-6523-12-4)
  • Create! Gestalte! Design.Media.Art, HfG Offenbach, Lehmbeck Verl. Frankfurt, 2007 (ISBN 978-3-89986-092-4)
  • Morir de Amor, Museo Universitario de Ciencias y Arte, Mexico City, 2005 (ISBN 970-32-2716-3)
  • Das Hotel Die Mauer / Die Zukunft der Natur Landesausstellung 05, tappeiner-Verlag, Lana Südtirol, 2005 (ISBN 88-7073-367-X)
  • Nightlife Sandra Mann, Kehrer Verlag Heidelberg, 2004 (ISBN 3-933257-96-4)
  • Zehn Jahre Museum für Moderne Kunst FFM, Dumont Verlag, 2003 (ISBN 3-8321-5629-1)
  • Leuchtspur, Kulturelle Sonderprojekte, Stadt Frankfurt, 2002
  • Spur 015, Marburger Kunstverein, 1999

Einzelnachweise

  1. aus "Sandra Mann Contando sin palabras" von Leonie Schilling, Arte Global/ArteAllimite, S. 126-131, No. 37, Julio-Agosto 2009, aus dem Text übersetzt
  2. http://www.academy-of-visual-arts.de/start_de.html] abgerufen am 18. Juni 2011 bei academy-of-visual-arts.de, Übersicht der Lehrenden PDF
  3. http://www.germangalleries.com/Museum_Moderne_Kunst/Szenenwechsel.XX.01.html
  4. http://www.artbooksheidelberg.de/html/detail/de/sandra-mann-978-3-933257-96-3.html
  5. aus Sandra Mann von Alexander Antonakis, Sub Culture, 03.2006
  6. aus "Transcending Transfiguration" von Ichiro Irie, RIM, Artist Magazine Mexico City & Los Angeles, No.6, Autumn, 2004, aus dem Text übersetzt
  7. aus Nackt vorm Kirchenaltar von Claudia Buchenauer, Feuilleton, Darmstädter Echo, 16. Mai 2002
  8. "Schnakenleiche auf der Menükarte" von Silke Hohmann und Sandra Danicke, Frankfurter Rundschau, 9. Juli 2001
  9. aus Recorridos emocionales von cmedin, Reforma, Seccion Cultura, S.26, 11. Juni 2005, und Morir de Amor, Pamela Echeverria, MUCA, 2005, ISBN 970-32-2716-3 aus dem Text übersetzt
  10. aus Die Kunst und das Tor, Frankfurter Rundschau, Journal, 06.2006
  11. aus "Marie Therese" von André Urban und "Lieber nicht sein" von Christoph Schütte, Feuilleton, FAZ, 12.2008
  12. http://farbenfabrik.info/2010/02/presse/
  13. Stadtmagazin Frizz, März, 2011
  14. bei der Buchpräsentation Daylife, im Museum für Moderne Kunst Frankfurt, am 3. Juni 2009, 19.00 Uhr
  15. http://www.openpr.de/news/424213/Sammlung-Moonblinx-im-Kloster-Eberbach.html
  16. aus dem Einführungstext von Prof. Dr. Jean-Christophe Ammann, Nightlife, Kehrer Verlag Heidelberg, 2003
  17. http://www.kunstaspekte.de/index.php?tid=24411&action=termin
  18. http://www.wasmuth-museumsshop.de/bg/product_info.php?products_id=1148

Weblinks

 Commons: Fotografien von Sandra Mann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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