Schloss Stockau (Reichertshofen)

Schloss Stockau (Reichertshofen)
Schloss Stockau an der Paar mit Ökonomiegebäuden auf einem Stich von Joachim von Sandrart. Im Hintergrund Ingolstadt, rechts vorne Reichertshofen
Ausschnitt aus Sandrarts Gemälde „Der Monat November“ aus dem Jahr 1643. Im Hintergrund ist Schloss Stockau, damals noch im Besitz von Sandrarts Schwiegervater Phillipp de Milkau, zu sehen.

Das Schloss Stockau war ein Renaissance-Schloss im ehemaligen Herzogtum Pfalz-Neuburg in Deutschland. Mitte des 17. Jahrhunderts befand es sich im Besitz des bekannten Kunsthistorikers und Malers Joachim von Sandrart und beherbergte später eine der wertvollsten privaten Kunstsammlungen.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Umgebung

Es stand am Südufer der Paar in dem heutigen Ortsteil von Reichertshofen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm in Bayern, der nördlich vom Ortszentrum an der Bahnlinie München–Ingolstadt liegt und heute noch „die Stockau“ heißt. Zur Hofmark Stockau gehörten landwirtschaftliche Flächen, Ställe, Mühlen, eine Brauerei und zeitweilig eine Münzprägeanstalt.

Geschichte

Der herzogliche Landschaftskommissär Kaspar Griebel (1520–1606)[1] baute das Schloss 1572 „bei der Stockmühle“ und erhielt die Hofmarksgerechtigkeit.

1636 erwarb der holländische Kaufmann und Bankier Phillipp de Milkau Schloss und Hofmark. Nach Milkaus Tod ging Stockau 1644 an seine einzige Tochter Johanna und deren Ehemann, den Kunsthistoriker, Maler und Kupferstecher Joachim von Sandrart, über.

Stockau und Joachim von Sandrart

Noch während des 30-jährigen Kriegs investierte Sandrart große Summen in die Renovierung und Modernisierung des heruntergekommenen Anwesens. Dafür verkaufte er Zeichnungen, Stiche und Gemälde für insgesamt 22621 Gulden.[2] Gegen Kriegsende wurde Stockau 1647 durch marodierende französische Truppen verwüstet, woraufhin Sandrart es erneut aufbaute. Auch Sandrart besaß die Hofmarksgerechtigkeit. Außerdem war für ihn mit dem Besitz von Stockau die Erhebung in den Adelsstand im Jahr 1653 und der Titel eines Pfalz-Neuburgischen Rates verbunden.[3] Dennoch verkaufte er Stockau bereits 1660 an den befreundeten geheimen Rat Franz von Mayer († 1699), der als bayerischer Gesandter beim Regensburger Reichstag[4] ein einflussreicher Politiker des Münchner Hofes war.

Kunstsammlung Franz von Mayers

Unter dem passionierten Kunstsammler Mayer beherbergte Schloss Stockau eine der damals wertvollsten privaten Gemäldesammlungen. Die Werke stammten von den Carraccis, Poussin, Lorrain, Elsheimer, Bocksberger, seinem Freund Sandrart, Romano, Tintoretto, Veronese und anderen.[5]

Stockau unter den Jesuiten und Maltesern

Anfang der 80er-Jahre des 17. Jahrhunderts verkaufte Mayer das Schloss mit einem Teil der Gemäldesammlung an den Bischof von Freising und Regensburg Albrecht Sigismund von Bayern. Ab 1685 war es im Besitz des Jesuitenkollegs Ingolstadt, dem es Albrecht Sigismund testamentarisch vermacht hatte[6]. Wie die Jesuitenkollegien in München und Regensburg erlangte auch das Ingolstädter Kolleg 1687 gegen Bezahlung die niedere Gerichtsbarkeit über seine Besitzungen, darunter auch Stockau.[6]

Als der Jesuitenorden 1773 aufgehoben wurde, fiel Stockau zunächst an das Herzogtum Pfalz-Neuburg und wurde 1783 eine Kommende der Großballei Neuburg des Malteserordens, dessen bayerische Zunge Kurfürst Karl Theodor 1780 zur Versorgung seines unehelichen Sohns Karl August Graf zu Bretzenheim gegründet hatte.[7]

Niederlegung

Nach der Säkularisation des Malteserordens 1808 wurde die Stockau verkauft und erlangte im 19. Jahrhundert zunehmend Bedeutung als Industriestandort. Das Schloss wurde um 1849 abgerissen, die Papiermühle machte 1864 einer Kunstmahlmühle der Firma Koch & Foerster, den späteren Actienmühlenwerken Stockau-Reichertshofen-Manching, Platz.[8]

Darstellungen

Sandrart hat Schloss Stockau in mehreren Stichen abgebildet. Auf seinem Gemälde „Der Monat November“ ist Stockau im Hintergrund zu sehen, „und darneben eine Schweinjagd“.[9]

Varia

Die Stockau war wiederholt Schauplatz spektakulärer Großbrände, so am 29. Juni 1873, am 19. Oktober 1938 und am 02. November 1976.[10]

Literatur

  • Gerhard Krahn: Die Chronik der Stockau. Die Geschichte einer Mühle und einstigen Hofmark, zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Papiermachergewerbes und des Münzwesens. Historischer Heimatverein, Reichertshofen/Obb. 1953.
  • Gerhard Krahn: Chronik von Reichertshofen. Marktgemeinde Reichertshofen/Obb., Reichertshofen 1963.
  • Matthias Wellnhofer: Der kurbayerische Geheimrat und Kunstsammler Franz von Mayer. Verlag der Kommission für bayerische Landesgeschichte, München 1936.

Einzelnachweise

  1. auch in der Schreibweise Caspar Grübel. Vgl. Georg Elchinger; Ludwig Rabus (Hrsg.): Zwo christliche Leichpredigten bei der Begräbniß weiland des edlen und gestrengen Caspar Grübels zu Stockau Pfleger zu Reichertshoven. Lauingen 1606 (online).
  2. Lebenslauf und Kunstwerke des woledlen und gestrengen Herrn Joachims von Sandrart auf Stockau, Hochfürstl. Pfalz-Neuburgischen Rahts. Zu schuldigster Beehrung und Dankbarkeit beschrieben und übergeben von desselben dienstergebenen Vettern und Discipeln. Johann-Philipp Miltenberger, Nürnberg 1675, S. 13 (online).
  3. Joachim von Sandrart. In: Sandrart.net. Abgerufen am 19. November 2011.
  4. Roswitha von Bary: Henriette Adelaide. Kurfürstin von Bayern. Pustet, Regensburg 2004, ISBN 3-7917-1873-8, S. 277.
  5. Kunstkammer des Freiherrn Franz von Mayer. In: Sandrart.net. Abgerufen am 19. November 2011.
  6. a b Karl Heinrich von Lang: Geschichte der Jesuiten in Baiern. Riegel und Wießner, Nürnberg 1819, S. 168f (online).
  7. Johanniterorden/Malteserorden. Neugründung in Kurbayern. In: Historisches Lexikon Bayerns. Abgerufen am 19. November 2011.
  8. Bekanntmachung. In: Neuburger Wochenblatt. Zugleich Amts- und Anzeigeblatt für das königliche Bezirksamt, Stadt- und Landgericht Neuburg. Nr. 31, 30. Juli 1864 (online).
  9. Die Bildergallerie in München. Ein Handbuch für die Liebhaber und Kunstfreunde. Lentner, München 1787, S. 8 (online).
  10. Chronik. In: Freiwillige Feuerwehr Reichertshofen e.V. Freiwillige Feuerwehr Reichertshofen, abgerufen am 19. November 2011.
48.661911.4685

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