Sozialarbeitswissenschaft

Sozialarbeitswissenschaft

Die Sozialarbeitswissenschaft ist die mittlerweile an den meisten Fakultäten für Soziale Arbeit im deutschsprachigen Raum etablierte Disziplin, die sich mit dem gesamten Spektrum an Fragestellungen der Sozialen Arbeit befasst. Die praktische sowie theoretische Soziale Arbeit wird unter dem Dach der Sozialarbeitswissenschaft weiterentwickelt. Durch die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz wurde sie im Jahr 2001 als Fachwissenschaft anerkannt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung der Sozialarbeitswissenschaft

Leitwissenschaft für die Soziale Arbeit war Jahrzehntelang die Erziehungswissenschaft, die – später stark sozialwissenschaftlich ausgerichtet – einen Anspruch auf alle Felder Sozialer Arbeit geltend machen wollte. In Folge der Extensivierung der Berufsfelder (klinische Sozialarbeit, Betriebssozialarbeit) und der Forschung war der rein sozialpädagogische Blick auf die Theorie und Praxis nicht mehr ausreichend. Es erfolgte eine Entpädagogisierung im Zuge der Etablierung der Sozialarbeitswissenschaft, welche die Pädagogik in den bezugwissenschaftlichen Rahmen verweist, in den sich auch Soziologie oder Psychologie einordnen lassen. Maßgeblich vorangetrieben wurde diese Entwicklung von Sozialarbeitswissenschaftlern wie z.B. Silvia Staub-Bernasconi (Soziale Arbeit als emergente Handlungswissenschaft), Albert Mühlum (Sozialarbeitswissenschaft) und Ernst Engelke (Wissenschaft Sozialer Arbeit).[2] Eine neue Generation junger und engagierter Sozialarbeitswissenschaftler (Heiko Kleve, Christian Spatscheck, Stefan Borrmann, Silke Birgitta Gahleitner u. v. a. ) treibt diesen Fortschritt kontinuierlich voran.

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) definiert die Sozialarbeitswissenschaft als Handlungswissenschaft, deren forschende und lehrende Praxis immer auch auf das Handeln zur Veränderung und Verbesserung konkreter sozialer Problemlagen abzielt. Die Sozialarbeitswissenschaft stellt sonach Orientierungswissen für die sozialarbeiterische/sozialpädagogische Praxis bereit.[3] Die Sozialarbeitswissenschaft wird von Albert Scherr als Ergebnis der Entwicklung einer Leitwissenschaft nicht nur für die Lehre, sondern auch als Basis für die eigene professionelle Identitätsbildung und die Rekrutierung von disziplineigenen Lehrenden und Forschenden deklariert. Überdies beschreibt er sie als "wissenschaftliche Grundlegung" sowohl für die Ausbildung, als auch die Praxis. Ferner kann die Sozialarbeitswissenschaft als Versuch von Wissenschaftlern, Forschern und Hochschullehrenden - hauptsächlich von Fachhochschulen - verstanden werden, sich von der universitären Sozialpädagogik im Rahmen der Erziehungswissenschaft abzugrenzen. Seit den 1990er Jahren ist darüber hinaus ein starker Anstieg an sozialarbeitswissenschaftlichen Publikationen und sozialarbeitswissenschaftlicher Forschung zu beobachten [4]

Sozialarbeitswissenschaftliche Forschung

Grundsätzlich lassen sich drei Formen sozialarbeitswissenschaftlicher Forschung benennen. Jeder Forschungstyp ist mit einer bestimmten Funktion, respektive Absicht verbunden:

  • Evaluation - Forschung in der Praxis
  • Praxisforschung, Handlungsforschung (Action Research) - Forschung mit der Praxis
  • Grundlagenforschung, Sozialberichterstattung - Forschung für die Praxis

Während Evaluation praxisnah ist, stellt die Praxis- bzw. Handlungsforschung eine Kombination im Feld der Sozialarbeitspraxis als auch der Sozialarbeitswissenschaft dar. Die Grundlagenforschung, die beispielsweise (Meta-)Theorien generiert, hat den geringsten Praxisbezug und stellt somit ein Verfahren innerhalb der Sozialarbeitswissenschaft dar. Jedoch wird - im Sinne der Handlungswissenschaft - auch hier ein Beitrag für die Praxis erbracht. Alle Forschungstypen können mit quantitativen und qualitativen Methoden durchgeführt werden. Darüber hinaus kann man beide Forschungsmethoden verbinden (Triangulation).[5]

Die Bezugswissenschaften der Sozialarbeitswissenschaft

Viele Handlungswissenschaften sind auf die Erkenntnisse anderer Disziplinen angewiesen (z.B. die Medizin, deren bezugwissenschaftlicher Hintergrund von Biologie sowie Geschichte, über Psychologie und Ethik bis hin zu Gesundheitsökonomie und Soziologie reicht). Auch die Sozialarbeitswissenschaft bezieht ihr Wissen aus unterschiedlichen Wissenschaften heran. Es folgt eine Auswahl:

  • Soziologie (Empirische Methoden, Gesellschaftssoziologie, Ungleichheitssoziologie etc.)
  • Philosophie (Axiologie, Sozialphilosophie, angewandte Ethik etc.)
  • Rechtswissenschaft (Sozialrecht, Familienrecht etc.)
  • Psychologie (Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie etc.)
  • Pädagogik (Sozialpädagogik)
  • Medizin (Sozialmedizin, Public Health)
  • Geschichte (Geschichte der Sozialen Arbeit, Sozialgeschichte)
  • Ökonomie (Management, Unternehmensführung, Betriebswirtschaftslehre etc.)[6]

Literatur

  • Bernd Birgmeier, Eric Mührel (Hrsg.): Die Sozialarbeitswissenschaft und ihre Theorie(n). Positionen, Kontroversen, Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16137-2.
  • Sidler, N. (2004): Sinn und Nutzen einer Sozialarbeitswissenschaft. Eine Streitschrift. Freiburg im Breisgau: Lambertus Verlag
  • Peter Erath (2006): Sozialarbeitswissenschaft. Eine Einführung Stuttgart: Kohlhammer Verlag
  • Bango, Jenö (2001): Sozialarbeitswissenschaft heute; UTB: Stuttgart
  • Mühlum, Albert (Hg.) (2004): Sozialarbeitswissenschaft – Wissenschaft der Sozialen Arbeit. Freiburg i.Br.: Lambertus
  • Engelke, Ernst et al. (2009): Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und Grundlagen. Freiburg: Lambertus
  • Puhl, Ria (Hg.) 1996: Sozialarbeitswissenschaft. Neue Chancen für theoriegeleitete Soziale Arbeit. Weinheim/ München: Juventa.
  • Kleve, Heiko; Wirth, Jan V. (2009): Die Praxis der Sozialarbeitswissenschaft. Eine Einführung. Hohengehren: Schneider
  • Staub-Bernasconi, Silvia (2007): Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Stuttgart: UTB
  • Gahleitner, Silke B. et al. (2010): Disziplin und Profession Sozialer Arbeit. Opladen: Barbara Budrich

Einzelnachweise

  1. vgl. http://www.webnetwork-nordwest.de/dokumente/kerncurriculum.pdf, S. 2.
  2. vgl. Schilling, Ziller: Soziale Arbeit. München 2010, S. 240 f.
  3. vgl. Effinger et al. (Hrgs.): Disziplin und Profession Sozialer Arbeit. Opladen 2010, S. 9 ff.
  4. vgl. A.Scherr: Sozialarbeitswissenschaft. In: W. Thole (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Wiesbaden 2010, S. 284 ff.
  5. vgl. Schneider, A. (2009): Forschungsperspektiven in der Sozialen Arbeit. Schwalbach/Ts.. S. 18
  6. vgl. Engelke, E. et al. (2009): Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Freiburg i. Brsg.. S. 302 ff.

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