- Variable Tarife
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Variable Tarife (engl. ‚Dynamic Pricing‘) sind Tarifmodelle, die verschiedene Tarifierungen/Preisstufen in einem Tarif vereinen. Variable Tarife verfolgen die Ziele
- Tarife für einzelne Kundensegmente oder Lastgänge zu individualisieren,
- Kundenteilnahme am Markt hervorzurufen,
- den Lastgang zu modifizieren.
Sie erfolgen grundsätzlich zeit- oder lastabhängig.
Inhaltsverzeichnis
Variable Tarife in Deutschland
Momentan bieten die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland nur einen geringen Spielraum für die Tarifmodellierung. Das deutsche Recht sieht vor, dass Privat- und Gewerbekunden mit einem Energieverbrauch unter 100.000 kWh/a nach dem Standardlastprofil H0 versorgt und abgerechnet werden müssen (vgl. StromNVZ §12, Absatz 1). In Folge dessen werden nur zeitvariable Tarifierungen hervorgebracht, die außerdem nur eine geringe Preisspreizung aufweisen.
Bisher fanden variable Tarife ihre Anwendung hauptsächlich in Hoch- und Niedertarifregelungen (HT/NT). Mittlerweile findet eine weitere Preisstufe (Wochenende) Resonanz. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz müssen Energieversorger bis zum 30. Dezember 2010 variable Tarife anbieten können.
Das EnWG fordert: „Energieversorgungsunternehmen haben, soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, spätestens bis zum 30. Dezember 2010 für Letztverbraucher von Elektrizität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs setzt. Tarife […] sind insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife“.[1]
Jedoch hat sich der Gesetzgeber bislang nicht genauer geäußert, wie „variabel“ diese Tarife sein müssen.
Variable Tarife fanden bisher hauptsächlich in Hoch- und Niedertarifregelungen Anwendung(HT/NT). Hierbei kommen einfache Zweiphasenzähler zum Einsatz. Die Variabilität der Tarife ist dadurch auf zwei Phasen beschränkt. Mit den neuen intelligenten Zählern erhöhen sich die Variationsmöglichkeiten der Tarifmodelle. Die variablen Tarife finden als zentraler Bestandteil in Verbindung mit den intelligenten Zählern Anwendung in den sogenannten Smart-Metering-Produkten.
Zielkategorien variabler Tarife
Variable Tarife verfolgen die Ziele: Individualisierung, Marktbeteiligung und die permanente oder kurzfristige Lastgangmodifikation.
Lastgangmodifikation
Mit Lastgangmodifikation ist die Beeinflussung des üblichen Lastgangs gemeint.
Die Modifikation kann langfristig (bis hin zu permanent), mittelfristig oder kurzfristig erfolgen. Möglichkeiten der Lastgangmodifikation sind die Spitzenlastkappung, die Lastabsenkung, die Lastanhebung, die Lastgangverlagerung, die Schwachlastanhebung und die spezifische Lastführung. Wobei nicht jede Modifikation die energieeinsparenden Effekte hervorruft. Mittels lastvariablen Tarifen können Effekte wie die ökonomische Optimierung des Kraftwerkparks und der Netzinfrastruktur, die Reaktion auf außergewöhnliche Marktereignisse, die Integration fluktuierender Erzeugung und Netzschutz erzeugt werden.
Variable Tarife, die darauf abzielen, den Lastgang zu modifizieren, wirken indirekt energiesparend. Zum Beispiel ist bei einer Lastverlagerung von Spitzenlast- in Schwachlastzeiten eine ausgewogenere Kraftwerksauslastung und damit auch Energienutzung die Folge.
Marktbeteiligung
Die Marktbeteiligung zielt auf die direktere Beteiligung der Privatkunden am Energiemarkt ab. Das ist mit Chancen aber auch Risiken verbunden, die dem Energiemarkt innewohnen. Der Stromkunde würde diese Risiken dann mittragen.
Unterschieden werden muss hierbei zwischen mittel- und kurzfristiger Marktbeteiligung. Eine mittelfristige Bindung wird mittels Tarifmodellen erreicht, die zeitvariable Tarife mit indexierter Anpassungsfunktion aufweisen. Sie reicht in der Regel über einen Zeitraum von Monaten bis hin zu Jahren. Eine kurzfristige Bindung hingegen wird mittels zeitvariabler Tarife in Verbindung mit häufigen Events erreicht. In der Regel reicht sie über einen Zeitraum von Tagen bis Wochen. Für die Energieversorgungsunternehmen bedeuten die kurz- und mittelfristigen Zielvorgaben eine Risikominimierung in der Beschaffung, da die Beschaffungskosten schneller an die Privatkunden weitergegeben werden können. Für die Kunden beinhalten diese Maßnahmen jedoch eine erhöhte Transparenz in der Preisgenerierung und eine partielle Kostensenkung.
Die Marktbeteiligung als primäre Zielsetzung kann eine Beeinflussung des Lastgangs nach sich ziehen. Da aber der Fokus der Energieversorger innerhalb dieser Zielsetzung auf die Marktbeteiligung der Kunden abzielt, hat die Beeinflussung des Lastgangs nur einen sekundären Stellenwert.
Individualisierung
Individualisierung meint die Ausrichtung des Tarifs auf spezielle Bedürfnisse von Kundensegmenten oder auf spezifische Lastgänge.
Die Tarifmodelle zur Individualisierung stellen zeitvariable Tarife in Kombination mit Events, spezifischen Energiemerkmalen und Zahlungs-/Vertragsmerkmalen dar. Die Individualisierung von Tarifmodellen bezweckt die Kundenbindung respektive deren Neugewinnung, Margenerhöhung für die Energieversorgungsunternehmen und Kostensenkung für Privatkunden.
Wirksamkeit variabler Tarife
Ob variable Tarife effizient sind bzw. ob sie überhaupt Wirkung erzielen, hängt unter anderem vom Privatkunden ab. Nimmt er die tariflichen Angebote nicht wahr, die zum Beispiel eine Lastverlagerung zum Ziel haben, wird sich die Last im angestrebten Zeitraum nicht verlagern.
Andererseits nehmen die Tarifmodellierungen ebenso Einfluss auf die Wirksamkeit. Stellen sie Angebote dar, die nicht auf den Privatkunden zugeschnitten sind, wird dieser sie voraussichtlich nicht akzeptieren. (Vgl. Kundensegmentierung bei Stromtarifen)
Einzelnachweise
Weblinks
- Rohlfing, Dirk (2010): Demand Response und variable Tarife: Neue Signale von der Suche nach dem heiligen Gral, online verfügbar unter http://smart-energy.blog.de/2010/04/19/demand-response-variable-tarfe-neue-signale-suche-heiligen-gral-8400646/.
- Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (StromNVZ), online verfügbar unter: http://bundesrecht.juris.de/stromnzv/index.html.
- Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG), online verfügbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/index.
Literatur
- Schäffler, Harald (Hg.) (2010): Praxisvergleich Smart-Metering-Produkte 2010. Augsburg: Foitzick.
- Vgl. allgemein zum Thema ‚Smart Metering‘ in Deutschland: Fenchel, Günter; Hellwig, Martin (Hgg.) (2010): Smart Metering in Deutschland. Technik, Kommunikation und Prozesse für Elektrizität, Wasser, Wärme und Gas. Frankfurt: EW Medien und Kongresse.
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